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Digital In Arbeit

Angst geht um im Land

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Vor vier Jahren wurde das steirische Karl-Kummerinstitut wiederbelebt. Die diesjährige Jahrestagung am 27. und 28. Mai in Graz beschäftigte sich mit der „Zukunft der Arbeit“.

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Vor vier Jahren wurde das steirische Karl-Kummerinstitut wiederbelebt. Die diesjährige Jahrestagung am 27. und 28. Mai in Graz beschäftigte sich mit der „Zukunft der Arbeit“.

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Vor dreißig Jahren gründete der christliche Sozialpolitiker und -theoretiker Karl Kummer in Wien das „Institut für Sozialreform und Sozialpolitik“. Das Institut hatte auch einen Tochter- Verein in Graz, dessen Aktivitä-

ten allerdings in den siebziger Jahren fast zum Erliegen kamen.

Engagierte Landespolitiker, Wissenschafter und auch Vertreter der sogenannten Basis, Betriebsräte und Personalvertreter, erweckten 1979 das steirische Kummer-Institut wieder zum Leben. In mehreren Arbeitskreisen und durch jährliche Tagungen mit prominenten Experten aus dem In- und Ausland, sowie durch die Unterstützung von Forschungsprojekten versucht man seither einen „Brückenschlag zwischen Theorie und Praxis“ einer modernen Arbeitnehmerpolitik — vor allem aus christlicher Sicht.

Angesichts wirtschaftlicher Stagnation und neuer Technologien (Stichwort: Mikroprozessoren) treten heute vermehrt sozial- und arbeitsmarktpolitische Probleme in den Vordergrund, denen mit herkömmlicher Politik kaum beizukommen ist. Deshalb setzte das steirische Kummer-Institut seine Themenschwerpunkte bewußt auf Bereiche wie „Neue Arbeit“, „Qualität der Arbeit“ und „Arbeitszeiteinteilung“.

Anläßlich der Jahrestagung 1983 gab das steirische Kummer- Institut bei den Grazer Sozial- ethikern Valentin Zsifkovits und Leopold Neuhold eine empirische Untersuchung über „Die soziale Lage der Arbeitnehmer in steirischen Betrieben mit besonderer Beachtung der Mittelbetriebe“ in Auftrag.

Die Ergebnisse können kaum überraschen.

59 Prozent der Befragten befürchten eine weitere Verschlechterung der allgemeinen wirtschaftlichen Lage. Deshalb steht auch die Sorge um den eigenen Arbeitsplatz weit vor allen anderen Problemen in Zusammenhang mit Arbeit und Beruf. Zwei

Drittel der steirischen Arbeitnehmer haben Angst um ihren Arbeitsplatz. Die Angst plagt besonders junge Menschen (unter zwanzig Jahren) und solche über vierzig Jahren.

Kein Wunder, daß fast ein Drittel der Arbeitnehmer Lohnkürzungen in Kauf nehmen, unbezahlte Mehrarbeit leisten und selbst bei leichter Krankheit Weiterarbeiten würden, nur um den Verlust des Arbeitsplatzes abzuwenden. Gar zwei Drittel der Befragten würden im Betrieb selbst dann schweigen, wenn sie wüßten, daß ihnen gesetzlich zustehende Leistungen vorenthalten werden.

Bei der Frage nach den wichtig-

sten Forderungen an den Arbeitsplatz rangieren nach der Sicherheit ein gutes Betriebsklima und die Möglichkeit zu selbständiger Arbeit noch vor dem Wunsch, daß die Arbeit „viel Geld bringen muß“.

Wenig Wert legen die Befragten dagegen auf mehr Freizeit. Freizeit zählt mit zu den drei unwichtigsten Forderungen. Dieses Ergebnis überrascht insofern, als gerade in den letzten zwei Jahren über eine Senkung der Wochenarbeitszeit und die Verlängerung des Mindesturlaubes eine vehemente öffentliche Diskussion abgeführt wurde.

Die Mehrheit der steirischen Arbeitnehmer bevorzugt in der Frage der Arbeitszeitverkürzung die Herabsetzung des Pensionsalters (60 Prozent). Nur jeweils 16 Prozent wollen eine Urlaubsverlängerung bzw. die Verkürzung der Wochenarbeitszeit.

Daß 57 Prozent der Arbeitnehmer für die Abschaffung der Überstunden votieren, wenn dadurch andere Arbeitsplätze gesichert werden können, beweist ihre Bereitschaft zu Solidarität in schwierigen Zeiten.

Schon heute sind ein Drittel der steirischen Arbeiter vom Knapperwerden der Möglichkeiten zu Uberstundenleistungen betroffen, vor allem aber die unteren Einkommensgruppen. Die Lohnklasse unter 5.000 Schilling ist zu 65 Prozent betroffen, die Gruppen über 12.000 Schilling nur zu 18 Prozent.

„Auch hier zeigt sich wieder die oft auftretende Tatsache, daß in schlechten Zeiten gerade die Ärmeren zu den am meisten Betroffenen zählen“, kommentieren die Autoren der Untersuchung.

Zu den Betroffenen zählen auch die Familien: Uber 60 Prozent der Befragten gaben an, daß der Ehepartner arbeiten muß, um überhaupt die Bedürfnisse der Familie befriedigen zu können.

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