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Digital In Arbeit

Milchmädchen mit Bumerang

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Die Reformen des Urlaubsrechtes — Verlängerung des Mindesturiaubs auf vier Wochen, Einführung einer Pflegefreistellung bei Erkrankung von Kindern und von Zusatzurlauben für Personen mit gesundheitsgefährdenden Tätigkeiten — sind nun einmal „auf dem Tapet“, und wir können sicher sein, daß sie von dort nicht mehr verschwinden, bevor sie durchgesetzt sind. Die Gewerkschaften stellten die Forderung auf, die Sozialisten beeilen sich, dafür zu sein, und die Volkspartei erlebt — trotz allen Bekenntnissen zur Einigkeit — eine der üblichen Zerreißproben zwischen den Bünden.

Die Position der Skeptiker wird dadurch zusätzlich erschwert, daß die Initiatoren der Gesetznovelle gar nicht sozial, sondern nationalökonomisch argumentieren: Uns fehlen bereits heute Arbeitsplätze, und sie werden uns dn den nächsten Jahren auch im Falle einer Konjunkturerholung fehlen, da jetzt die starken Geburtenjahrgäruge ins Berufsleben treten. Wie ließen sich neue Arbeitsplätze leichter schaffen als dadurch, daß man die Freizeit der Berufstätigen verlängert und infolgedessen ein Teil ihrer Arbeit von anderen getan werden muß?

Tatsächlich eine faszinierende

Vorstellung: Wir genießen eine zusätzliche Woche — selbstverständlich voll 'bezahlten — Urlaubs an den Sandstränden des Mittelmeeres oder auf den winterlichen Skipisten und haben damit noch eine lobenswerte soziale Tat vollbracht, indem wir dadurch zahlreichen arbeitslosen Landsleuten einen Job verschaffen. So einfach ist es, Gutes zu tun.

Nur leider handelt es sich hier um eine nationalökonomische Milchmädchenrechnung, welche auf einen wichtigen Faktor vergißt, die Kosten, Sogar die Initiatoren des Gesetzes konzedieren, daß dieses die Wirtschaft 2,6 Milliarden pro Jahr kosten wird. Nach Ansicht der Industrie ist das noch viel zu tief gegriffen.

Kann sich Österreich, das erst vor kurzem eine Arbeitszeitverkürzung zu verkraften hatte, diese neue Verlängerung der Freizeit leisten? Die Gegenargumente sind gravierend:

• Der für Österreich existenzentscheidende Export ist derzeit in einer sehr prekären Lage, die internationale Konkurrenzfähigkeit vieler Firmen und ganzer Branchen ist gefährdet. Der Importdruck nimmt konstant zu.

• Daran ist nicht zuletzt der Umstand schuld, daß die österreichi-

sehen Arlbeitskosten zu den höchsten der Welt gehören, speziell infolge der hohen Lohnnebenkosten von mehr als 80, Prozent des Bruttolohnes, mit denen wir im internationalen Spitzenfeld liegen. Die Urlaiübsreform würde aber eine weitere Steigerung der Lohnnebenkosten bedeuten. Sie kann daher sehr leicht zu einem Bumerangeffekt führen: Höhere Produktionskosten haben weniger Export und weniger Inlandsaibsatz zur Folge, was in wei-

terer Konsequenz weniger Produktion und damit weniger Arbeitsplätze nach sich zieht Statt daß mit Hilfe der Urlaubsverlängerung Arbeitslose eingestellt werden könnten, müssen möglicherweise Beschäftigte freigesetzt werden.

Dem mag entgegengehalten werden, daß in Zukunft der allgemeine Trend in Richtung auf Arbeitszeitverkürzung gehen wird, speziell dann, wenn der Produktivitätsfortschritt nicht mehr im gleichen Maß wie bisher zur Kaufkrafterhöhung und damit zur Konsumsteigerung verwendet werden soll. Dies ist richtig, vorausgesetzt, daß mehr Freizeit als Alternative zu mehr Konsum angesehen wird und wir nicht wie bisher versuchen werden, beides haben zu wollen.

Darüber hinaus muß die Arbeitszeitverkürzung international koordiniert sein. Österreich ist bisher bereits stark vorgeprellt und zählt mit seinen 35,9 durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitsstunden bereits zu den Staaten mit der kürzesten Arbeitszeit — nur noch übertreffen von Dänemark, Schweden und Norwegen mit 33 bis 34 Wochenstunden.

Abgesehen von den ökonomischen Überlegungen ist die geplante Urlauibsreform auch sozial außerordentlich dubios. Die Verlängerung des Mindesturiaubs auf vier Wochen wird bereits heute als Etappe zum eigentlichen Ziel — dem fünf-wöchenitlichen Einheitsurlaub für alle — proklamiert.

Ob eine derartige Gleichmacherei mit sozialer Gerechtigkeit noch das geringste zu tun hat, sei dahinge-

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