6768983-1968_46_05.jpg
Digital In Arbeit

40 oder 45 Stunden

Werbung
Werbung
Werbung

Seit Gewerkschaftsbundpräsident Benya angekündigt hat, daß sich der Gewerkschaftsbund nun um die generelle Kürzung der Arbeitszeit von 45 auf 40 Stunden pro Woche bemühen wolle, hören die Diskussionen über die wirtschaftliche Seite dieses Plans nicht mehr auf. Die Frage, die sich in diesen Tagen nicht nur Unternehmer, sondern auch Arbeiter, Angestellte, Konsumenten stellen, lautet: Wie werden wir uns das leisten können? Wenn man auf die Worte der Arbeitgeberseite hört, können wir es nicht. Die Industriellenvereinigung stellte in einer Aussendung fest, daß jede Stunde Arbeitszeitverkürzung einen Pro- duktiionsausfall von etwa 7 Milliarden Schilling bedeute. Und Wirtschaftstheoretiker knüpfen daran die Feststellung, daß jede Stunde Arbeitszeitverkürzung folglich auch 2 Prozent weniger (möglich) Reallohn und 2 Prozent weniger Wirtschaftswachstum bedeuten. Nach diesen Zahlen zu urteilen, wäre also die Arbeitszeitverkürzung ein gewaltiger Brocken für die österreichische Wirtschaft, den sie in der gegenwärtig besonders verschärften internationalen Wettbewerbssituation kaum verdauen könnte.

Gegner der Arbeitszeitverkürzung führen auch an, daß sich selbst reichere Länder als Österreich diesen Luxus nicht leisten wollen: So beträgt die Zahl der bezahlten Arbeitsstunden in den USA 42,4, in der Bundesrepublik Deutschland 44.1, in der Schweiz 44,9, in Frankreich 45,6 und in Großbritannien 46.1. Nur Schweden und Norwegen geben es mit 37,1 beziehungsweise 38,3 billiger.

Die Argumentation des ÖGB-Präsi- denten, die Verkürzung der Arbeitszeit müsse nicht unbedingt auch eine Verringerung der Produktion bewirken, ließen die Kritiker nicht gelten.

Und doch gibt es wenigstens ein Beispiel, das dem Gewerkschaftsbundpräsidenten recht zu geben scheint:

Bereits vor zwölf Jahren (als noch die 48-Stunden-Woche galt) hat ein renommierter und exportintensiver Wiener Großbetrieb die 40-Stunden- Woche eingeführt. Die Erfahrungen, die seither damit gemacht wurden, sind durchaus günstig: Gleichzeitig mit der Arbeitszeitverkürzung wurden nämlich zwei „Teepausen” gestrichen und „unaufschiebbare” Privatwege der Arbeitnehmer vorwiegend in die arbeitsfreie Zeit nach 16.30 Uhr verlegt.

Zur Befürchtung der Industriellenvereinigung, die Arbeitszeitverkürzung würde auch einen schwerwiegenden Produktionsrückgang bewirken, sei ferner auf das „Pfuschen” verwiesen. Wenn es auch offiziell die „Pfuscher” gar nicht gibt, so tragen sie doch auch zum Nationalprodukt bei. Dieses „Pfuscher”-Unwesen würde zweifellos durch die Arbeitszeitverkürzung neuen Auftrieb erhalten — nicht aber unbedingt auch dann, wenn die Arbeitszeitverkürzung mit einer Milderung der Überstundenbesteuerung gekoppelt wäre. Denn in vielen Fällen dürfte vor allem die starke Besteuerung der Überstunden tüchtige Arbeiter zum „Pfusch” verleiten, der mehr einbringt als reguläre Überstunden im eigenen Betrieb.

Diesen Argumenten, die eher für die Arbeitszeitverkürzung zu sprechen scheinen, steht allerdings das schwerwiegende Bedenken maßgeblicher Volkswirtschaftler entgegen, die auf die ohnedies schwierige Konkurrenzsituation Österreichs im internationalen Wettbewerb verweisen und gute Gründe haben, den Einsatz aller vorhandenen Kräfte (und nicht deren Verminderung) zu fordern.

Dem Argument des ÖGB-Präsidenten, die österreichische Wirtschaft habe auch 1958 den Sprung von der 48- zur 45-Stunden-Woche gut vertragen, hielt der Generalsekretär der Bundeswirtschaftskammer, Mussil, entgegen, daß damit auch die „goldenen fünfziger Jahre” des österreichischen Wirtschaftswunders zu Ende gegangen seien.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung