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Iß schneller, Beamter!

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Kaum hatte die Verwaltungsreform begonnen, die seit 1966 von der ÖVP-Regierung unternommenen Anstrengungen in Erfolgszahlen umzumünzen; kaum, daß sich sogar die große Oppositionspartei aus taktischen Überlegungen mit der Verwaltungsvereinfachung in einem — noch nicht fertiggestellten — Konzept befaßt hatte; kaum, daß sich die Massenmedien Presse, Rundfunk, Fernsehen dem stiefmütterlich behandelten Thema häufiger zuwandten, da erfolgte der Paukenschlag, der alles bisher Erreichte wieder in Frage stellt.

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Kaum hatte die Verwaltungsreform begonnen, die seit 1966 von der ÖVP-Regierung unternommenen Anstrengungen in Erfolgszahlen umzumünzen; kaum, daß sich sogar die große Oppositionspartei aus taktischen Überlegungen mit der Verwaltungsvereinfachung in einem — noch nicht fertiggestellten — Konzept befaßt hatte; kaum, daß sich die Massenmedien Presse, Rundfunk, Fernsehen dem stiefmütterlich behandelten Thema häufiger zuwandten, da erfolgte der Paukenschlag, der alles bisher Erreichte wieder in Frage stellt.

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Nur werden Ministerialbeamte, Polizisten, Richter und Gefängniswärter, Lehrer und Berufssoldaten, Botschafter und Salinenarbeiter in den Genuß der ersten Etappe der Arbeitszeitverkürzung von 45 auf 43 Wochenstunden kommen.

Waa ihnen allen, den rund 275.000 Staatsdienern, natürlich von ganzem Herzen zu gönnen ist. Aber: Die getroffene Regelung und vor allem ihre Auswirkungen auf die weitere Verwaltungsreform berechtigen zu den allerschwärzesten Befürchtungen. Schon der Beginn der Verhandlungen im Bundeskanzleramt soll dem Vernehmen nach unter keinem guten Stern gestanden sein. Unzureichend informierte Ministerialbü- rokraten lieferten den Regierungs- verhandlern dürftige Arbeitsunterlagen und sorgten so dafür, daß die gewerkschaftlichen Arbeitiszeitverkür- zer den Bundeskanzler ins Bockshorn jagen konnten.

Ging man auf Regierungsseite zu Beginn von der objektiv richtigen Tatsache aus, daß rund ein Drittel der Bundesbediemsteten schon derzeit ohne Anrechnung der halbstündigen Mittagspause die 42-Stunden- Woche haben (die Bahn- und Postbediensteten haben derzeit 45 Wochenstunden, für Lehrer, Polizisten bestehen Sonderregelungen), so ließ man sich schließlich in der zweiten Verhandlungsrunde dazu breitschlagen, den Beamten, die die erste Etappe der Arbeitszeitverkürzung bereits jetzt mehr als vorgezogen haben, „auch etwas zu geben“. Da man von der normalen Arbeitszeit aber nichts abzwacken konnte, ohne die gesamte Einigung über die Arbeitszeitverkürzung zu sprengen, verfiel man auf Gewerkschaftsseite auf folgenden Weg: Die Arbeitszeit bleibt wie bisher bei 42 Stunden pro Woche — die Gewerkschaft beharrte, daß sie mit der fünfmal halben Stunde Mittagszeit 44,5 Stunden betrage — dafür kürzt man die Mittagszeit auf 12 Minuten. Damit bleibt die wöchentliche Arbeitszeit pro forma gleich, tatsächlich jedoch dürfen die Beamten ihre „eingesparte“ Kaffee oder Zigarettenpause nach dem Mittagessen mit einem früheren Dienstschluß vertauschen. Womit weiter erreicht wurde, daß die’tatsächliche Nettoarbeitszeit von 42 auf 40,5 Stunden pro Woche sinkt.

Ein Menü in zwölf Minuten?

Die schließlich siegreiche Forderung der Gewerkschaft birgt allerdings eine Monge Gefahren in sich. Zum ersten ist es utopisch, anzunehmen, daß beispielsweise ein ganzes Ministerium in zwölf Minuten die Werksküche ratzekahl aufißt — schon aus technisch-organisatorischen wie auch aus physiologischen Gründen. Auf der gleichen Ebene der Wunschvorstellung liegt die Annahme, daß die Beamten, die schon bisher ihre Mittagszeit ein „bißchen“ überzogen haben, plötzlich ihren Appetit ein- schrämken und die stillschweigend gebilligten Privilegien freiwillig aufgeben. Und was soll der pflichtbewußte Kanzleileiter sagen, der seinen Untergebenen mit der Stoppuhr in der Hand nach der Mittagspause empfängt, wenn dieser auf die Unmöglichkeit verweist, in zwölf Minuten das reichhaltige Menü aufzuessen? Wobei für den Kanzleileiter noch hinzukommt, daß er, um kontrollieren zu können, selbst wird seine Mittagszeit reduzieren müssen.

Überstunde oder mehr Beamte?

Nun wird das Pendel sehr wohl in Richtung auf Neueinsteliungen sowie vermehrte Oberst uude nl ei st ungen,

auf jeden Fall in finanzielle Mehrkosten ausschlagen.

Da werden dann auch die schönsten. Reformvorschläge durch den Aufruf der Bundesregierung (er geht auf eine Anregung von gewerkschaftlicher Seite zurück!) vom Ende Oktober nichts fruchten; vielmehr wird die — grundsätzlich berechtigte — Arbeitszeitverkürzung die Verwal- tungsreform erschlagen und in der Endphase der Arbeitsreduktion die Dienstpostenpläne neuerlich aufiblä- hen.

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