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Digital In Arbeit

Arbeitszeit werden ?

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Eine Humanisierung der Arbeitswelt ist daher nur durch eine Demokratisierung der Gestaltungsentscheidung möglich. Das bedeutet die Mitbestimmung der Betroffenen und ihrer Vertretung …

Wir müssen uns in den Entwicklungsgang integrieren, um ihn zu beeinflussen. Nicht als Maschinenstürmer, nicht als Verhinderer der technologischen Entwicklung, aber als Mahner und Wahrer der Menschenwürde der Arbeiter und Angestellten in den Betrieben.

Auszug aus „Zukunft” 5/83.

Es gibt immer noch Politiker, die uns einreden wollen, mit Arbeitszeitverkürzung sei etwas gegen die Unterbeschäftigung auszurichten. Natürlich kann man die Arbeitnehmer zwangsweise früher in die Rente schik- ken, aber das ist in der Arbeitslosenstatistik nur ein Taschenspielertrick.

Ebenso zweifelhaft ist aber auch eine Verkürzung der Woehenarbeitszeit. Nicht nur, daß sie allen teuer zu stehen kommt; denn allein die Produktionsumstellungen, die sie erforderlich macht, dürften im Schnitt ein bis zwei Prozent des erzielten Produktivitätsfortschritts „kosten”.

Eine Arbeitszeitverkürzung läßt auch, trotz der Erhöhung des Stundenlohnsatzes, die Lohnsumme, die die privaten Haushalte ausgeben können, bestenfalls konstant. Das sollten sich namentlich jene Verfechter der Maßnahme zu Gemüte führen, die im gleichen Atemzug beredt über einen „Nachfragemangel” klagen.

Vollends absurd ist es, die Arbeitslosigkeit dadurch senken zu wollen, daß der öffentliche Dienst um so mehr Personal einstellt. Aber auch dies wird allen Ernstes auf der politischen Bühne vorgeschlagen.

Bleibt die Lohnpolitik. Wo steht geschrieben, daß die Löhne jedes Jahr und überall zu steigen hätten, auch wenn niemand mehr oder härter gearbeitet hat? In einer Situation wie der unsrigen sind es zuerst die Kostenwirkungen, die bei einer Lohnsatzerhöhung durchschlagen.

Nicht weniger abwegig ist die verbale Bilderstürmerei gegen „Rationalisierungsinvestitionen”. Ohne den technologischen Fortschritt, den wir bei Produkten wie Produktionsverfahren in der Vergangenheit angewendet haben, gäbe es den- Lebensstandard nicht, über den wir heute verfügen, und ohne fortgesetzte Innovation läßt sich für die Zukunft unser Wohlstand nicht aufrechterhalten.

De facto ging und geht es uns nur dadurch besser, daß wir einen zunehmend produktiven Maschinenpark „ausbeuten” und Güter anzubieten haben, die nach Art und Qualität zur Spitzenreiterklasse gehören. Neue Technologien und die dazugehörige Investition zu verteufeln hieße daher, die gegebene Unterbeschäftigung, die weitgehend strukturellen Charakter trägt, zu verewigen.

Hier und nirgendwo anders liegt der Kern unserer Problemsituation. Es ist sachlich zwecklos, veraltete Produktionsstätten künstlich am Leben erhalten zu wollen. Und ebenso verfehlt sind „Arbeitsbeschaffungsprogramme”, wenn nicht Güter produziert werden, die nach Art und Preis konkurrenzfähig sind. Schließlich wird nicht um der Arbeit, sondern um der absetzbaren Güter willen produziert.

Vor diesem Hintergrund fallen einer Gewerkschaft bedeutsame Funktionen zu. Durch eine abgewogen-längerfristige Lohnpolitik und durch stärkere Lohndifferenzierungen kann sie die Wende vom arbeitssparenden zum mehr kapitalsparenden technischen Fortschritt unterstützen. In gleicher Weise hebt es die Beschäftigungschancen, wenn sie sich ihrerseits der Erhöhung der Arbeitsmobilität und verstärkten Arbeitnehmererfindungen widmet.

Und warum könnte sie schließlich nicht auch an die Gründung von so etwas wie einer Wagnisfinanzierungsgesellschaft denken, die jungen innovativen Firmen unter die Arme greift?

Auszug aus Epoche 6/83.

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