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Solidarisch und gerecht
Im christlichen Denken sehen wir die Arbeit als Teilnahme am Schöpferwirken Gottes. Der Auftrag zur „Unterwerfung" heißt Pflege und Verantwortung im guten Sinn Gottes (Gen 1.28).
Schließlich muß mehr als bisher herausgestellt werden, „daß die menschliche Arbeit ein Schlüssel in der gesamten sozialen Frage ist, wenn wir sie wirklich vom Standpunkt des Wohls für den Menschen betrachten wollen. Wenn die Lösung der sozialen Frage, die sich immer neu stellt und immer komplizierter wird, darauf abziehen soll, das menschliche Leben menschlicher zu machen, dann bekommt gerade dieser Schlüssel, die menschliche Arbeit, eine grundlegende und entscheidende Bedeutung" (Labo-rem exercens 1,3).
Diese Arbeit aber, der so fundamentale Bedeutung zugesprochen wird und die auch mit der Sinnfrage des Lebens zu tun hat, führt nun zur Frage nach dem „Arbeits-mangel", nach der „Arbeitslosigkeit".
Was dann, wenn die Arbeit ausgeht? Wenn es zur Arbeitslosigkeit kommt?
Zunächst ist das eine Aufforderung, die vorhandene Arbeit zu „dehnen", zu „erstrecken" zu „verteilen".
Gerade weil der Arbeit ein Lebenswert zukommt wie das tägliche Brot, muß dann, wenn alles getan wurde, um sinnvolle Arbeitsplätze zu schaffen, die Antwort lauten: Die vorhandene und bleibende Arbeit muß solidarisch geteilt werden! Solidarisch teilen heißt heute auch gerecht verteilen.
Das ist zunächst ein moralischer Appell an den einzelnen oder an einzelne, wie ich das im Fastenbrief ausgeführt habe, ein Appell an seine Freiwilligkeit. Arbeitslosigkeit ist ein Übel; wenn sie unvermeidbar wurde, soll auch ihre Last möglichst gerecht verteilt werden.
Da aber das Gemeinwohl auf dem Spiel steht, rückt das Problem auf die Ebene der Gesellschaft, des Staates und des „indirekten Arbeitgebers" (des Staates, der internationalen Interessenverbände, der Multis).
„Aufgabe der genannten Institutionen, die hier unter dem Namen des indirekten Arbeitgebers verstanden werden, ist es, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, die in jedem Fall ein Übel ist und, wenn sie große Ausmaße annimmt, zu einem echten sozialen Notstand werden kann" (L. e. IV, 18).
Eine (Šesamtplanung und Gesamtsorge durch den Staat ist wohl unentbehrlich, die aber nicht einer einseitigen Zentralisierung durch die öffentliche Hand gleichkommen darf. Wir wissen, wie nachteilig sich das Erlahmen der Eigeninitiative in bestimmten Systemen auswirkt.
Es muß vielmehr um eine gerechte und überlegte Koordinierung, in deren Rahmen die freie Initiative der einzelnen Personen, der unabhängigen Gruppen, der örtlichen Betriebe und Unternehmen garantiert sein muß, gerungen werden. Vor allem ist es wichtig, daß die Betroffenen selbst gehört werden und nach Möglichkeit zustimmen können.
Die katholische Soziallehre kann nur Orientierungshilfen anbieten. Die Kirche beteiligt sich an der Diskussion mit der Sachkompetenz einzelner Christen, ihrer Gemeinschaften oder Einrichtungen.
Niemand beansprucht Unfehlbarkeit, man möge aber ernsten Willen und ehrliches Engagement zugestehen. Kein Modell wird jeder Situation gerecht, es müssen verschiedene im Blick behalten werden.
Im einzelnen geht es in der Diskussion um die Fragen
• des Verzichts auf Doppelverdienste (ein Arbeitnehmer hat mehrere Einkommen),
• des Abbaues von Uber stunden,
• der Reduzierung zu hoher Einkommen,
• der generellen Arbeitszeitverkürzung (mit und ohne Lohnausgleich),
• der Verkürzung der Lebensarbeitszeit,
• der Urlaubsverlängerung,
• der Möglichkeiten, die gleitende und flexible Arbeitszeit sowie die Schaffung von Teilzeitarbeitsplätzen zu eröffnen,
• der Schaffung neuer Arbeitsmöglichkeiten usw.
Es gibt viele praktische Schwierigkeiten, aber wohl auch noch mehr Möglichkeiten, als sie derzeit gesehen oder gewollt werden, wie zum Beispiel die Aufteilung eines Arbeitsplatzes auf ein Ehepaar.
Heftig ist die Diskussion, ob eher die Frau zu Hause bleiben soll. Zumindest muß der Diskriminierung der „Nur-Hausfrau und Mutter" Widerstand geleistet werden. Es ist zu bedenken, daß viele Frauen Unsicherheit bezüglich ihrer eigenen Ehe spüren und durch ihre Berufstätigkeit eine Absicherung anstreben.
Die Arbeitszeitverkürzung ist ebenfalls vielschichtig: Es ist zu prüfen, ob durch die Arbeitszeitverkürzung nicht neuerdings Arbeitsplätze vernichtet werden. Ferner ist zu fragen, wieweit die Kosten der Arbeitszeitverkürzung nicht auch solidarischer verteilt werden müssen.
Verkürzte Arbeitszeit wirft auch viele Freizeitprobleme auf, es scheint mir besser, wenn die Verkürzung auf die einzelnen-Wochentage verteilt wird.
Uber solche Fragen muß geredet werden, offen und vorurteilslos, ohne daß mögliche Lösungen voreilig verworfen würden.
Solidarische Arbeitsteilung — christlich verstanden — schließt auch die Gastarbeiter und die Probleme der Dritten Welt mit ein. Deshalb sind Lösungen abzulehnen, die die Arbeitslosigkeit exportieren.
Anzustreben ist mehr denn je die internationale Zusammenarbeit. Zum Beispiel müßte die Frage der generellen Arbeitszeitverkürzung international diskutiert und einvernehmlich gelöst werden. Gerade in der Frage der internationalen Zusammenarbeit könnte die Kirche in verstärktem Maße Wegbegleiter sein.
Der Beitrag beruht auf einem Stichwortkonzept für einen Vortrag vor dem Kummer-Institut in Graz Ende Mai 1S83.
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