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Die vielen Gründe der Unzufriedenheit
Umfragen zeigen, daß viele Menschen mit ihrer Arbeit nicht zufrieden sind. Woran liegt das?
Umfragen zeigen, daß viele Menschen mit ihrer Arbeit nicht zufrieden sind. Woran liegt das?
LEOPOLD MADERTHANER, PRÄSIDENT DER WIRTSCHAFTSKAMMER ÖSTERREICH: Ich bin doch ein wenig erstaunt, daß es solche Umfrageergebnisse gibt und hoffe, daß solche Stimmungsbilder nur Ausnahmefälle darstellen. Ein
Grund für die Unzufriedenheit mit der Arbeit könnte sein, daß sich manche Menschen mit ihrer Tätigkeit zu wenig identifizieren. Außerdem halte ich es für falsch, wenn heute immer wieder vom „Leid der Arbeit“ gesprochen wird. Vielmehr isties so, daß Arbeit ein Segen ist, und das Leid erst dann beginnt, wenn man keine Arbeit mehr hat.
FRITZ VERZETNITSCH, PRÄSIDENT DES ÖSTERREICHISCHEN GEWERKSCHAFTSBUNDES: Die Wurzeln liegen sicherlich dort, wo man aus Rationalisierungsgründen die Arbeit in viele Einzelteile zerlegt hat, bei denen das Ergebnis für den einzelnen nicht mehr sichtbar ist. Ein zusätzlicher Faktor ist der Streß mit allen seinen psychosomatischen und chronischen Folgen. „Just in time“ bedeutet oft, daß man vorzeitig ein „time out“ in die Frühpension nehmen muß.
HELGA RABL-STADLER, PRÄSIDENTIN DER HANDELSKAMMER SALZBURG: Von gewissen Ideologen wurde Arbeit jahrelang als Übel ver- nadert, das möglichst oft durch Arbeitszeitverkürzung, Urlaubsverlängerung und Feiertagsvermehrung verringert werden muß. Freude an der Arbeit wurde von manchen geradezu als Masochismus verlacht.
Diese Saat ist leider aufgegangen. Daß laut Umfrage Menschen, die mit der Arbeit keine Freude haben, auch mit ihrer Freizeit unzufrieden sind, ist bezeichnend. Gegen den großen Frust empfehle ich daher dreierlei: Unternehmer sollen ihre Arbeitnehmer mehr mitbestimmen lassen, von der Gestaltung des Produktes bis zur Verteilung der Arbeitszeit, damit sie sich auch für Erfolg und Mißerfolg mitverantwortlich fühlen. Mitarbeiter sollen wirklich mitarbeiten und mitlernen wollen, dann macht die Arbeit mehr Spaß!
Und wir sollten uns klar seip, daß gewisse Unbillen unseres Arbeitslebens, zum Beispiel ein frecher Schüler für den Lehrer, ein bösartiger Gast für die Kellnerin, ein lästiger Kunde für die Verkäuferin, um sehr viel leichter zu ertragen sind als ein Leben ohne Arbeit!
KURT KRENN, DIÖZESANBISCHOF VON ST. PÖLTEN: Das dürfte bei uns kein neuartiges Problem sein. Manchmal liegt es an der Beziehungslosigkeit der Arbeitenden zur konkret auszuführenden Arbeit, am Fehlen einer Gesamtsinn- haftigkeit des Arbeitsvorganges oder an der unlebbaren Umwelt des arbeitenden Menschen. Oft wird auch vergessen, daß die Arbeit zum Gebet und das Gebet zur Arbeit gehört: ora et labora!
ROMAN OBROVSKI, LEITER DES LANDESARBEITSAMTES OBERÖSTERREICH: Auch wenn arbeiten nicht immer vergnüglich ist, haben die meisten Menschen Freude an gelungener Arbeit. Ist der Arbeitsmarkt aus den Fugen, bleibt selbst guter Leistung der Erfolg versagt, und Freude wird durch Sorge verdrängt.
WOLFGANG TRITREMMEL, LEITER DER ABTEILUNG SOZIALPOLITIK IN DER INPUSTRIELLEN- VEREINIGUNG:
Freude mit seiner Arbeit ist ein wichtiger Motivator. Umfragen, wonach viele Österreicher „keine rechte Freude“ mit ihrer Arbeit haben, kenne ich nicht und würde es auch bezweifeln, daß dies eine erhebliche Erscheinung ist. Meines Erachtens hat der überwiegende Teil der Arbeitskräfte eine positive Ein- , Stellung zu seiner Arbeit. Wo dies nicht der Fall wäre, hätten die Vorgesetzten und Führungskräfte die Verantwortung, die Ursachen durch Gespräche zu suchen und durch arbeitsorganisatorische Maßnahmen zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen beizutragen. Betriebe mit frustrierten Mitarbeitern wären rasch vom Untergang bedroht. Ohne Zweifel muß es in den österreichischen Unternehmen ein hohes Maß an Arbeitszufriedenheit geben, sonst wäre jene hervorragende Wirtschaftsleistung nicht erzielbar, wie sie die heimischen Unternehmen und deren Mitarbeiter im internationalen Vergleich erreichen.
GÜNTHER BÖGL: POLIZEIPRÄSIDENT VON WIEN: Wir haben allgemein eine Identitätskrise des Menschen.
Die macht sich bei der Arbeit besonders bemerkbar. Ich glaube, daß sich viele Menschen nicht mehr mit ihrem Unternehmen und ihrer Aufgabe identifizieren können. Aber es ist ja auch die Identifikation mit der Familie nicht mehr so, wie es einmal war. Das setzt sich dann halt bis in die Arbeitswelt fort.
Die Gespräche
führte Elfi Thiemer.
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