6676908-1961_26_17.jpg
Digital In Arbeit

Preislied aufs Salzburger Land

Werbung
Werbung
Werbung

Wenn ein Salzburger in die Welt hinaus- kommt, findet er nicht leicht ein Landchen, das kleiner ist als seines. Diese Erfahrung riihrt ihn dann natiirlich sehr in seinem heimweh- kranken Herzen. Und sobaid er eine geduldige Seele findet, die ihm zuhort, fangt er an, von seiner Heimat zu schwarmen und zu prahlen, obwohl er in der Regel erst weitlaufig erklaren mufi, daB Salzburg keineswegs in Tirol liegt, Gott bewahre es davor, und auch nicht im Salzkammergut. Sondern umgekehrt, daB alle Erden- schonheit eben in Salzburg zu finden sei, Tirol natiirlich ausgenommen.

Nun, ich bin ein Salzburger, und deshalb schwarme ich jetzt auch, einerlei, ob mir jemand zuhoren will. Wenn man unser Land auf der Karte betrachtet, nicht auf einer Weltkarte, versteht sich — dann sieht man, daB es ver- niinftigerweise mit seiner ganzen siidlichen Breit- seite auf den Bergen sitzt. Es sind recht statt- liche Haupter darunter, das Wiesbachhorn, der Venediger, der Grofiglockner. Heutzutage kann man dem Grofiglockner, diesem Riesen, unge- straft mit einem Omnibus uber den Scheitel fahren, oder, wenn man das Herz hat, auf seiner Schulter stehend. den Morgen erwarten, um zu- zuschauen, wie der gewaltige Berg die Schatten von sich streift und zu leuchten beginnt, Selbst der verlauste Gletscher unterhalb tut der Wurde des Konigs keinen Abbruch, er kratzt sich nicht einmal. Denn der Mensch meint zwar die Natur zu beherrschen, aber wahrscheinlich hat sie sich nur an ihn gewohnt. In jungen Jahren war ich auch einmal auf dem Glockner, mein Onkel nahm mich mit, ein Bergfiihrer. Aber ich kann nicht sagen, dafi ich viel Gefallen an diesem Abenteuer fand. Es war nur hundekalt auf dem Gipfel, ich stolperte zwischen Himmel und Erde umher und sah plotzlich unter mir, was ich vorher uber mir gesehen hatte, namlich lauter Berge.

Vom Kamm der Hohen Tauern weg ziehen der Reihe nach die Taler nordwarts in das brei- tere Bett der Salzach. Manche sind noch heute weltentlegen still, andere brachten es zu gro- Bem Ansehen, wie das Gasteinertal mit seinen weltberiihmten Badem. Ich bin auch dort ge- boren worden. Wenn ich anspruchsvolle Gaste habe, fuhre ich sie gern in meine alte Heimat, ich zeige ihnen dann stplz die Wasserfalle, die prachtigen Palaste ufi’d,rtPJ:fiiiienadn. Ich selber kroche freilich lieber wieder in die Wasserstollen,, um wie im Bubenalter unter den Kanalgittern zu kauern und den Damen Erbsen unter die Rocke zu schieben.

Weiter ostlich offnet sich das Land gegen die Steiermark, es ist das eine liebliche, ge- raumige Gegend. In einem der alten Markte und Dorfer wirkte der Schopfer des Weihnachts- liedes „Stille Nacht” als Pfarrer. Er war arm wie die anderen Leute auch und hat nichts hinterlassen als einen geflickten Talar, den niemand erben wollte, und eben dieses Lied, das Besitz der ganzen Welt geworden ist.

Wenn man westwarts wandert, kann man die Liechtensteinklamm besuchen, wahrhaftig ein Wunder der Natur, freilich nur fiir Leute, die sich noch wundern konnen, oder fiir Verliebte, weil die Klamm stellenweise sehr eng und dunkel ist. An dieser Stelle verlaBt auch die Salzach mit einer entschlossenen Wendung das Land ihrer Jugend, den Pinzgau. Wir reisen aber ihrem Ursprung entgegen, das breite Tai entlang. Wir reisen gemachlich, weil es die StraBe so will und weil wir es lieben, Fohlen auf der Weide springen zu sehen oder einmal eine gescheckte Kuh zu begriiBen, die ihr rosiges Maul durch das Wagenfenster steckt. Wenn ich in der Geschichte besser Bescheid wufite, konnte ich mit den Freunden in einem der behabigen Wirts- hauser zu einem kiihlen Gias Wein einkehren und ein wenig von den Schicksalen des Landes die Zeiten herauf erzahlen. Anfangs war da wohl nichts als wilder Wald und Sumpf. Die Wissenschaft meint aber, der Mensch sei trotz- dem schon damals eine Plage in dieser Gegend gewesen. Spater kamen dann die Romer dazu, um nach Gold und Saiz herumzuschniiffeln. Sie griindeten auch Stadte und bauten StraBen, die wir nur auszugraben brauchten, um bessere zu haben, als es die heutigen sind. Hinter ihnen her folgten unsere Volker, Kelten und Goten und Slawen und zuletzt die Bajuwaren, die ja noch immer alles mit uns gemeinsam haben — auBer dem Charme. Fiir ein Jahrtausend kam das Land unter die Herrschaft geistlicher Fiirsten. Die Zeiten waren dennoch rauh, erfullt vom Brandgeruch der Kriege. Kaum zu glauben, daB es immer wieder Leute gab, die geduldig ihre zerstorte Heimstatt aufbauten, die Weiden rode- ten und die Acker pfliigten und Steuern zahlten, damit die Fiirsten von neuem um den Glanz der Herrschaft raufen konnten. Denn wo sich ein kleiner Mann die Suppe kocht, will es offenbar die Weltordnung, daB gleich ein groBerer kommt und das Fett abschopft. Es saBen aber oft auch gute Herren in der Residenz. vaterlich strenge und zugleich weltkundige und weitschauende Manner wie Paris Lodron, der es fertigbrachte, das begehrte Kleinod Salzburg dreiBig Jahre lang vor dem Zugriff der Kriegsfurie zu schiitzen.

Nun, Herrschermacht kann eine Weile bliihen und sogar Frucht tragen, schliefilich stirbt sie doch ab. Unverganglich ist nur die Macht des Geistes, und in diesem Bereich hat unser Land nur wenig von seinem alten Glanz verloren.

Der Pinzgau liegt zu FiiBen des Urgebirges, gleichsam vor der weiBen Brandungswoge unserer Sehnsucht nach dem Siiden. Nordlich schiebt sich noch einmal ein Riegel von Gipfeln quer durch das Land, himmelhohe Berge, grau und kahl. Sie sind das Reich der Gemsen und der grofien Raubvogel, die von weither kommen und uber den einsamen Karen kreisen. Man kann da mancherlei erleben, Einmal vor langer Zeit trabte ich irgendwo unter den Wanden einen Jagersteig entlang, und da stand ich unversehens einem Steinbock gegenuber, einem gewaltig ge- hornten Bock. Aber er lieB mir ritterlich Zeit,

davonzulaufen, anders als der Leibhaftige. Seit- her halte ich mich lieber an die Goldenen Hir- schen und Roten Ochsen an den Wirthausern unten im Tai.

Welche StraBe man auch in Salzburg land- einwarts wahlen mag, man kommt immer in die Hauptstadt, die unser aller Geliebte ist. Ach, welch eine Stadt, laBt sie mich ein wenig prei- sen! Schon gewandet liegt sie mit geldsten Glie- dern in den Armen der waldigen Hugel, ihr Geschmeide funkelt, das silbrige Giirtelband des Flusses, das Griin der Kuppeln, das Gold der Kreuze auf den Tiirmen. Wo sonst als in ihrem Schofie hatte der Genius der holdesten Kunst seine Heimat finden konnen. Unsere Stadt ist freilich keine willfahrige, sondern eine launische Geliebte, die oft ein wenig schmollt und tranen- reiche Szenen macht. Mit anderen Worten, es regnet gern in Salzburg — nicht mehr als anderswo, aber ofter.

Es bliebe endlich noch das Salzkammergut zu schildern, uns Alteren teuer, weil dort fruher in jedem Sommer der Kaiser regierte, indem er kapitale Bocke schofi — den Kunstfreunden eine Schatzkammer voll von Kostlichkeiten, der Jugend ein paradiesischer Garten, darin sie Kraft und Mut und Ubcrmut erproben kann. Die Sage erzahlt, dafi ein groBer Heiliger, als ihm beim Bau der ersten Kapelle die Axt in den See sprang, kurzerhand den Stiel hinterher warf, worauf ihm beides, durch Wunderkraft vereint, wieder in die Hand schwamm. Auch Unglaubige sollten daraus erkennen, um wieviel leichter das Leben ware, wenn wir unseren geistigen Hoch- mut noch gegen fromme Einfalt vertauschen konnten.

Ein kleines Landchen alles in allem, aber man muB es herzlich lieben. Wer immer in seinen Gauen zu Gast war, dem wird sein Name zeit- lebens als ein heiterer Akkord im Ohr klingen, und niemand, der einer Herzensregung fahig ist, wird es ungetrostet verlassen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung