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Die europaische Integration

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Intensive Neutralitatsfiberlegun- gen der drei europaischen Neutralen, Schweiz, Schweden und Osterreich, haben zu einer grundsatzliche Ubereinstimmung fiber die Stellung der Neutralen zur Europaischen Integration gefuhrt. Sie waren sich einig in der Auffassung, daB die Neutralitat auch in einem poiitisch geeinten Europa ihren Wert als ein Element der Stabilitat behalten wurde. Die Neutralitatsvorbehalte, die die osterreichische Bundesregierung bei den Venhandlungen mit der Kommission der Euro- pdischen Wirtschaftsgemeinschaft vorgebracht hat, sind ein bedeut- samer Versuch, das Wesen der Neutralitat mit den Prinzipien der Europaischen Integration in Einklang zu bringen.

Wenn sich Osterreich zu Verhand- lungen mit Brussel entschlossen hat, muB berficksichtigt werden, dafi Osterreich von ganz anderen wirt- schaftlichen Voraussetzungen als etwa die Schweiz ausgehen muB.

Das -heutige Osterreich ist der Rest eines einst weitgehend autarken, sich ideal erganzenden Wirtschafts- gebietes, dem der Zwang, auf die Weltmarkte zu gehen, fehlte. Zu der daraus resultierenden eher protek- tionistischen Grundeinstellung kommt, daB die osterreichische Industrie in viel starkerem MaBe transportintensive Guter exportiert, bei denen die Konkurrenzfahigkeit vor allem im Preis liegt. Sie sind daher gegen zusatzliche Zoll- belastungen besonders empflndlich. Die Transportkosten bilden bei einem GroBteil der osterreichischen Ausfuhren einen sehr wesentlichen Faktor. Dies kommt darin zum Ausdruck, daB nicht weniger als etwa 70 Prozent der osterreichischen Ausfuhr in Lander geht, die in einem Umkreis von nur 500 Kilometer um Osterreich liegen. Europa insgesamt nimmt etwa 87 Prozent des osterreichischen Exportes auf, und nur 13 Prozent gehen nach Ubersee, wahrend die Schweiz nur rund zwei Drittel in europaische Lander und ein Drittel nach Ubersee exportiert.

Daraus ergibt sich, daB in Osterreich die Notwendigkeit, eine Zoll- diskriminierung durch die EWG zu verhindern, viel dringlicher als in der Schweiz ist. Neben dem Wunsch nach Aufrechterhaltung des gegen- wartigen Exportvolumens erwartet man sich in Osterreich von einem groBeren europaischen Markt aber auch kraftige Impulse fur die heimische Wirtschaft in Richtung groBerer Liberalitat und Erhohung der Konkurrenzfahigkeit. Auch dieser Anreiz fallt fur die Schweiz weg, da das Schweizer Zollniveau niedriger als der AuBentarif der EWG ist.

Wenn also Osterreich seine Ver- handlungen mit Brussel auch nach Abbruch der Verhandlungen zwischen GroBbritannien und der EWG

ders gliicklich, dafi sich inzwischen auch die Schweiz dem Europarat angeschlossen hat und ihr Ansehen und ihre Erfahrungen den europaischen Einigungsbemiihungen in StraBburg zur Verfugung stellt.

aufgenommen hat, wahrend die Schweiz zurtickhaltend blieb, so bedeutet dies nicht, dafi wir von den Neutralitatsgrundlagen abzuweichen : bereit sind.

Die gemeinsame Zugehdrigkeit zur EFTA hat eine wesentliche Steige- । rung des osterreichisch-schweize- rischen Handelsverkehrs bewirkt, es bleiben aber sicher darfiber hinaus noch bedeutende Moglichkeiten fur eine Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Landern auf dem Gebiet der Wirtschaft. Eine starkere Placierung ' schweizerischen Kapitals in Osterreich ware sehr zu begriiBen. In diesem Zusammenhang muB auch ’ darauf hingewiesen werden, daB im Faile des Gelingens eines Vertrags- abschlusses mit der EWG als Er- gebnis der osterreichischen Be- muhungen in Brussel die Mitglied- schaft Osterreichs in der EFTA in Frage gesteilt wind. Sollte sich eine , Vereinbarkeit unserer Mitgliedschaft bei der EFTA mit den Ver- pflichtungen aus dem zu treffenden Vertrag mit der EWG nicht erziele ' lassen, so werden gerade unsere beiden Volkswirtschaften verstarkte ' Anstrengungen zur Weiterentwick- lung der wirtschaftlichen Beziehun- gen machen mussen.

: Mehr Gemeinsames als

Verschiedenes

Diese kurze Bestandsaufnahme der Gemeinsamkeiten und Verschiedenheiten der schweizerischen und osterreichischen Neutralitat diirfte gezeigt haben, daB uns nicht nur die gemeinsame vdlkerrechtliche Grundlage verbindet, sondern daB auch in unserem neutralitaspoli- tischen Handeln weitaus mehr Gemeinsamkeiten als Verschiedenheiten bestehen. Dort aber, wo Unter- schiede festgestellt wurden, beruhen diese nicht auf einer abweichenden Einstellung zur Neutralitat, sondern sind hierffir unterschiedliche nationale Gegebenheiten maBgebend.

Als Osterreicher halten wir einen solchen Vengleich mit der Schweiz fur besonders wertvoll, bedeutet er fur uns doch eine Prfifung, ob wir auf dem richtigen Weg sind.

Mit Interesse und Erwartung blicken die Volker des Donauraumes auf das neutrale Osterreich. Bedeutet doch unsere Neutralitat ge- schichtlich gesehen nichts anderes als die Herauslosung eines Teiles des danubischen Raumes aus dem Machtbereich benachbarter Machte. Die Neutralitat des Landerkom- plexes vom Genfer- und Bodensee bis zum Neusiedlersee, also in der Kemzone Europas, ist aber ein internationales, weit fiber das Mili- tarische hinausreichende Element von groBer politischer Bedeutung. Damit aber erhalt unsere Funktion in der Gemeinschaft der Volker einen Sinn, der weiter redcht als unsere nationale Existenz. Wollen wir uns dessen auch in Zukunft stets bewuBt bleiben!

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