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Der Semmering wacht auf

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Unser guter, alter Semmering, einst- mals einer der bekanntesten Treff- punkte von Erholungsuchenden aus aller Welt, ist in den letzten Jahr- zehnten etwas „aus der Mode gekom- men” und sehr zu Unrecht in Verges- senheit geraten. Dabei waren die Vor- ziige dieser wirklichen Erholungsland- schaft heute wichtiger als je zuvor und fur den GroBstadter ein notwendiger Ausgleich.

Verschiedene Griinde konnen ver- antwortlich gemacht werden fur den Dornroschenschlaf dieses Gebietes: Einmal die Vorstellung von un- erschwinglich teuren Hotels, die — zum GroBteil noch aus der Erbauungs- zeit der Sudbahn beziehungsweise „Griinderzeit” — unrentabel in der An- lage und den modernen Anspriichen und Vorstellungen nicht mehr genii- gen; zum anderen die zunehmende Reiselust mit gleichlaufend ungeahnter Motorisierung weiter Kreise, woraus ein viel groBerer Aktionsradius der Erholungsuchenden entsteht. Vor allem aber die schreiende Reklame sfidlandi- scher Massenbadeorte und damit zu- sammenhangend der sicher uberschatzte Erholungswert von iibermafiiger Hitze in Verbindung mit langen und an- strengenden Anfahrten.

Verschiedene Anzeichen deuten je- doch in aller Welt — von Spanien bis Finnland, auch in Amerika — darauf bin, daB auch unter den fahrfreudig- sten Urlaubern Tendenzen zu SeB- haftigkeit vorhanden sind.

Allerorts entstehen Chalet-, Bungalow-, Wohnsilo-, Motel-, Feriensied- lungsanlagen, oder wie immer man eine solche Anlage bezeichnen moge, die fiir iede Jahreszeit Erholung uber das Wochenende oder fiber die Ferien und im Urlaub bieten.

Ganz gewiB fehlt es dem Semmering dazu noch an einem richtigen Kurzentrum, wo der Erholung- suchende betreut und beraten wird und in individueller Weise — eventuell unter arztlicher Aufsicht — zu einer Ges amtregeneration ge- bracht wird.

Ruheplatz fiir die GroBstadt

Es ist deshalb nicht sonderlich er- staunlich, wenn nunmehr auch bei uns der Versuch unternommen wird, in dieser Weise unseren Semmering von neuern zu erschlieBen: Sozusagen vor den Toren Wiens, in eineinhalb- stfindiger Autofahrt oder ebenso schneller, bequemer Bahnfahrt leicht erreichbar, findet man die gfinstigsten klimatischen Bedingungen in einem der schonsten Gebiete unserer Heimat.

Nicht allein fluktuierende Hotel- und Pensionsgaste sollen dort Auf- enthalt nehmen, sondern es sollen ge- wissermaBen Standquartiere gebildet werden ffir den gehetzten GroBstadter, Ruhequartiere, die ffir das Wochenende ein echtes, zweites Zu- hause bilden.

Immer mehr Menschen empfinden die Notwendigkeit, neben dem Quartier in der GroBstadt zusatzlich eine Bleibe neben der Natur zu besitzen, die auch durch hektische Kreuz- und Querfahrten im Urlaub nicht zu er- setzen ist.

Hier stehen besinnliche Ruhe gegen aufreibenden Larm, griine Hange gegen Hauser- und Asphaltschluchten, wur- ziger Tannenduft gegen Benzindampfe, ultraviolette Sonnenstrahlen gegen Rauch und Dunst, unbehelligte Einsarn- keit gegen hohe Wohndichte, Nerven- erholung. gegen NervenverschleiB.

Dazu kommt, daB sich die Menschen — wie langst bewiesen — ganz unrichtige Lebens- und Ernahrungsge- wohnheiten beigelegt haben, die ihre Gesundheit und Widerstandskraft auf die Dauer arg beeintrachtigen und vielerlei Stbrungen hervorrufen.

Wohngebiet und Kurzentrum

Seit langerer Zeit hat sich nunmehr eine Gruppe von Menschen zusammen- getan, um dem Semmering wieder zu seinem althergebrachten Ruf beson- derer Heilwirkungen zu verhelfen und dort ein Wohngebiet in Verbindung mit einem Kurzentrum zu schaffen, als ein Reservat fiir Menschen, die auf ihre Gesundheit achten wollen.

Die bauliche Seite dieses Unterneh- mens brachte fiir den Architekten die interessante Aufgabe, eine Reihe von Gebauden in eine unberiihrte, herrliche und stark bewegte Landschaft zu kom- ponieren, ohne daB diese beeintrach- tigt wird oder die sorgsam gehegten wertvollen Forste ihren Charakter ein- bfiBen.

Geplant wurde eine in drei nachein- ander zu errichtenden Abschnitten ge- teilte Anlage in Richtung des Haid- bachgrabens:

1. Abschnitt bei „Barenwirt”,

2. Abschnitt auf einer Anzahl von Einzelparzellen im TalschluB des Haid- bachgrabens und

3. def Hauptabschnitt rijit einem K u r m i 11 e 1 h a u s auf den3run- den des ehemaligen „Hecht-Sanato- riums”.

Der Gesamtverbauung liegt selbstverstandlich ein einheitlicher Ge- danke zugrunde, ebenso wie aus der Einzelgestaltung der Gebaude die innere Zusammengehorigkeit der Ge- samtanlage erkennbar sein wird, die man als eine Ein- und Mehrfamilien-, Sommer- und Winter-, Wochenend- und K u r siedlung umschreiben konnte.

Im Mittelpunkt der Siedlung, die selbstverstandlich auch innerhalb ihres Bereiches noch groBe Wald- und Wiesenflachen der Grundstficke vollig unberfihrt laBt, so daB genfigend Mbglichkeiten auch ffir Anlagen — Tennis, Minigolf und ahnliche Spiele — zur Entspannung verbleiben, befindet sich das Kurzentrum zur arzt- lichen Betreuung bei den verschie- denen Kurmoglichkeiten.

Es sollen dort vor allem die welt- berfihmten Entschlackungskuren nach dem System Professor Dr. Mayer aus Karlsbad im Verein mit Hohenluft- kuren durchgefiihrt werden.

Die Einzelobjekte werden den ver- schiedenartigsten Anspriichen gerecht. Vom kleinen Bungalow, den groBeren ein- und zweigeschossigen Einfamilien- hausern mit eigenen Garten bis zu Appartementshausem mit zwei und vier Geschossen, teils breit gelagert, teils hochgefuhrt, findet sich Quartier ffir jeden Geschmack und differen- zierte Anspruche.

Jede Wohneinheit ist vollkommen selbstandig und selbstverstandlich mit alien Notwendigkeiten ausgestattet Parkplatze befinden sich an den Ran- dern der Grundstficke und sind dort fiberwiegend von Baumgruppen ge- deckt. Sonst besteht an sich kein In- teresse, Autotouristen anzulocken oder einen lebhaften internen Fahrverkehr zu fordern. Dem automiiden Besucher stfinde fiberdies eine sehr angenehme Bahnverbindung zur Verffigung. Die Gehzeit betragt nur etwa zehn Minuten zur Haltestelle.

Es ware zu wfinschen, daB dieses Werk gelingt und daB damit eine Quelle von Gesundheit und Lebens- freude ffir die geplagten Menschen er- schlossen wird. In ewiger Schonheit stehen Berge, Walder, Himmel und Sonne da und warten — auf uns.

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