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Der Papst auf dem Weg

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Zuerst wundert man sich, wenn das Katholische Bildungswerk Wien einen Vortrag von Walbert Buhlmann iiber die ersten sechs Monate des Papstes Wojtyla ankiindigt. Der Schweizer Kapuzinerpater, ist als Experte fur Missionsfragen und Probleme der Dritten Welt bekannt. Liegt die Thematik einer Wertung dieses halbjahrigen Pontifikates nicht fern seines Wirken?

Die Frage lost sich von selbst, wenn Buhlmann ausfuhrt, daB die Haupt-aufgabe des Papstes die Evangelisation, die Verkiindigung der Frohbot-schaft ist, also eine Erfiillung des Missionsauftrages an die Kirche auf hochster Ebene. Da Buhlmann in Rom lebt, kennt er die personliche Ausstrahlungskraft dieses Papstes aus nachster Nahe, er weiB um seine groBe Popularitat.

Vor sechs Monaten hat Papst Johannes Paul II. seinen ersten Segen von der Loggia des Petersdomes gegeben. Buhlmann laflt die Erinne-rung an die Uberraschung iiber diese Wahl wieder lebendig werden, die nach seinen Worten „auf Intervention des heiligen Geistes“ geschehen ist

Als das AuBergewohnliche an die-sem Papst sieht Buhlmann vor allem, „daB er auch als Papst ein ganz nor-maler Mensch“ geblieben ist, der seine Kontaktfreudigkeit nicht ein-gebiiBt hat, der auch seine Freude am Sport nicht ganz aufgeben will, und eine Schwimmhalle im Sommerpa-last in Castel Gandolfo erbauen laBt.

Ein ganz normaler Mensch, dessen Glaubwiirdigkeit, dessen Uberzeu-gungskraft alle Systeme durchdrin-gen will, bietet keine voreiligen L6-sungen an, er wartet ab und bemiiht sich, den Menschen aller Systeme mit Sympathie zu begegnen. Johannes Paul II. will Frieden und Heil in die Welt bringen; darum verurteilte er in Puebla weder den Marxismus noch den Kapitalismus noch das System der nationalen Sicherheit. Er will keine Systeme stiirzen, sondern die Menschen in den Systemen andern. Ob diese Haltung realistisch oder il-lusionistisch ist, wird sich weisen.

Buhlmann zeigt die groBe Span-nung auf, unter der Wojtyla steht: seine Theologie und Philosophie sind dynamisch, aber sein Glauben ist der polnischen Tradition verbunden, die diesen Glauben durch Jahrhunderte verteidigen muBte. Johannes Paul II. ist auf dem Weg vom polnischen Bischof zum Papst der Weltkirche. Er scheut sich nicht, andere anzuhoren, eigene Meinungen zu korrigieren.

Hat er als Konzilsexperte maBgeb-lich am Dokument iiber die Kirche „Lumen Gentium“, mitgearbeitet und darauf gedrungen, daB die Kirche nicht mehr von der Hierarchie her bestimmt wird, so besteht die Hoffhung, daB er als Papst die Mit-verantwortlichkeit der Bischofe, die Reform von der Basis her, verwirkli-chen wird. Bleibt er auch gewohnten Strukturen verhaftet, so ist - laut Buhlmann - die „Zeitbombe gelegt“, die sich allerdings noch nicht entla-den hat.

Buhlmann sieht eine Gefahr darin, daB gerade durch diesen Papst der Eindruck einer „heilen Kirche“ er-weckt werden konnte, der ins Ghet-to-Dasein fiihren miiBte und die anti-kirchlichen Tendenzen nicht wider-legen konnte.

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