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Der Thron auf den Bohrtürmen

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Von allen Erdölmonarchen des Nahen und Mittleren Ostens ist der iranische Schah nicht nur der bekannteste, sondern sicher auch der im Ausland populärste Herrscher. Das hängt nicht nur mit seinen regelmäßigen Winterferien in St. Moritz oder seiner prowestlichen politischen Einstellung zusammen. Die weitverbreiteten und spontanen Sympathien für Muhammad Reza Pah-lavi, der nach der Entthronung Haile Selassies von Äthiopien der einzige Kaiser der Welt ist, scheinen vor allem daher zu kommen, daß es, zum Unterschied von den anonymen Harems der Könige, Emire und Scheichs der arabischen Halbinsel, in Teheran an der Seite des Schah-in-schah (Königs der Könige) eine kaiserliche Familie gibt.

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Von allen Erdölmonarchen des Nahen und Mittleren Ostens ist der iranische Schah nicht nur der bekannteste, sondern sicher auch der im Ausland populärste Herrscher. Das hängt nicht nur mit seinen regelmäßigen Winterferien in St. Moritz oder seiner prowestlichen politischen Einstellung zusammen. Die weitverbreiteten und spontanen Sympathien für Muhammad Reza Pah-lavi, der nach der Entthronung Haile Selassies von Äthiopien der einzige Kaiser der Welt ist, scheinen vor allem daher zu kommen, daß es, zum Unterschied von den anonymen Harems der Könige, Emire und Scheichs der arabischen Halbinsel, in Teheran an der Seite des Schah-in-schah (Königs der Könige) eine kaiserliche Familie gibt.

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Die neue iranische Verfassung definiert die Kaiserwürde als ein von der Krone symbolisiertes Pfand, das dem Herrscher von seifen der Nation durch Gottes Gnade anvertraut wurde. Zu den Hauptrechten und -funktionen dieses konstitutionell eingeschränkten Gottesgnadentums gehören die Ernennung und Entlassung der Minister, die Legalisierung der Parlamentsbeschlüsse, der Oberbefehl über die Streitkräfte, Kriegserklärungen und Friedensschlüsse, die Einberufung der Volksvertretung und, in gewissen Fällen, deren Auflösung. Während bei den anderen Ölpotentaten alle Macht und Herrlichkeit in den Händen des absoluten Herrschers und seiner Sippe (dem „AI“) liegt, woran auch die parlamentarischen Ansätze in Kuwait und Qatar noch nicht viel zu ändern vermochten, haben wir es im Iran mit europäisch geprägten Vorstellungen von Monarchenrechten und -pflichten zu tun.

Der iranische Schah ragt auch insofern über seine nur mit Beduinenkopftuch gekrönten Kollegen hinaus, als es von ihm eine selbstverfaßte Biographie unter dem Titel „Mission für mein Land“ gibt. Darin ist zu lesen, daß er am 26. Oktober 1919 in Teheran geboren wurde und schon im Alter von sechs Jahren, bei der Krönung seines Vaters, den Titel eines Kronprinzen erhielt. Erst im Anschluß daran wurde der kleine Mahammad Reza zur Schule geschickt, nicht etwa zuerst auf eine Elementarschule, sondern an ein militärisches Institut, wo der Prinz vor allem exerzieren lernte. Was dabei an geistigen Werten zu kurz kommen mußte, wurde nach dem zwölften Lebensjahr an einer Privatschule in der Schweiz nachgeholt. In den Memoiren des Schah ist nicht zu übersehen, welch tiefen Eindruck auf ihn schon damals die demokratischen Institutionen seines Studienlandes gemacht haben.

Anschließend an seine Schweizer Jahre besuchte der Kronprinz die Militärakademie von Teheran, von der er 1938 als Leutnant ausmusterte. Zwar waren ihm so nicht, wie an früheren europäischen Höfen, die höchsten militärischen Ränge schon in der Wiege verliehen worden, doch wurde er immerhin als Leutnant Generalinspektor der iranischen Streitkräfte. Die dabei gesammelten Erfahrungen kamen dem Kronprinzen schon drei Jahre später sehr zugute, als sein Vater 1941 aus Protest gegen den Einmarsch der Alliierten abdankte und der 21jährige Mahammed Reza vor dem Parlament als neuer Schah-in-schah vereidigt wurde. Er konnte sich nicht einmal auf den Rat seines Vaters stützten, da dieser nach Johannesburg ins Exil gebracht wurde, wo Schah Reza „der Große“ bald darauf starb.

Die ersten Regierungs jähre des jungen Herrschers waren alles andere als leicht. Auf die alliierte Besatzung folgten Versuche Stalins, aus der iranischen Nordwestprovinz Azarbaidschan einen sezessionisti-schen Staat zu machen, und anschließende innenpolitische Wirren fanden erst 1953 ihr Ende. Aber schon in dieser schweren Anfangszeit hatte der Schah durch Verteilung der Krondomänen an landlose Bauern das Fundament für sein späteres soziales Reformprogramm gelegt.

Dieses wurde von ihm am 26. Jänner 1963 in Form von sechs geradezu revolutionären Prinzipien verkündet und durch eine Volksabstimmung bestätigt, was seitdem in die neueste iranische Geschichte als „Weiße Revolution“ eingegangen ist. Die wichtigsten Reformen waren die Aufteilung des Acker- und Gartenlandes der Großgrundbesitzer an die bisherigen Pächter und Landarbeiter, die Verstaatlichung der Wälder und Weiden, Gewinnbeteiligung der Industriearbeiterschaft, Wahlreform, Gesundheits- und Sozialversicherungen, organisierte Bekämpfung des Analphabetismus und eine Reorganisation des Rechtswesens. Die Durchführung dieses Programms bis in die letzten Berg- und Wüstenwinkel des Iran ist bis heute das wichtigste interne Anliegen der Regierung Mahammad Rezas geblieben.

1959 verheiratete sich der Schah-in-schah (nach der ägyptischen Prinzessin Fawzia und der allbekannten Soraya) mit Farah Dibah. 1960 wurde das erste seiner heute vier Kinder, der Kronprinz Reza Pahlevi, geboren. Dessen feierliche Proklamation zum Thronfolger ist aber erst 1967, zusammen mit der offiziellen Krönung des Kaiserpaares, vorgenommen worden. Der Schah hatte 26 Jahre damit gewartet, sich die rot-golden-beperlte Krone des 2500jährigen Perserreiches aufs Haupt setzen zu lassen. Die Zeremonie im märchenhaften Golestan-Palast von Teheran wurde erst vorgenommen, nachdem die wichtigsten Anliegen seiner „Weißen Revolution“ gesichert waren. Wie der Schah bei seiner Krönung sagte, wollte er „kein Armenkaiser“ sein. Daführ hatte ihm schon 1965 das Parlament den altiranischen Titel „Aryamehr“ verliehen, was „Licht der Arier“ bedeutet. „Arier“ natürlich im richtigen Sinne, als indischiranische Stammesbezeichnung und nicht in der verzerrten Bedeutung des nationalsozialistischen Rassenwahns,

Von den Geschwistern des Schah-in-schah sind seine Schwestern aktiver und bekannter als seine Brüder. Prinzessin Schams Pahlavi ist Präsidentin der iranischen Rot-Kreuz-Gesellschaft „Roter Löwe und Sonne“. Ihr Name Schams, was auf persisch und arabisch ebenfalls Sonne heißt, paßt gut zu dieser Aufgabe. Die Zwillingsschwester des Schah, Aschraf Pahlavi, pflegt die iranische Delegation zu den jährlichen Generalversammlungen der Vereinten Nationen zu führen und ist als Frauen- und Menschenrechtlerin nicht nur im Iran, sondern im ganzen Orient bekannt und angesehen. Die dritte Prinzessin, Fatimah Pahlavi, widmet sich dem iranischen Hochschulwesen. Von den fünf Brüdern des Schah stehen 'nur Prinz Gholam Reza Pahlavi, als Generalinspektor der Armee und Präsident des iranischen Olympischen Komitees, und der auf Wirtschaftsfragen spezialisierte Abdorreza Pahlavi etwas im Licht der Öffentlichkeit

Als die junge und unbekannte Farah Dibah vor bald 16 Jahren den Schah-in-schah heiratete, erwartete man sich von ihr kaum mehr, als daß sie sich zu einer graziösen Kaiserin und zu einer perfekten, aber sonst passiven Lebensgefährtin von Mahammed Reza Pahlavi entwickeln werde.

Bald übertraf sie aber selbst die Erwartungen der größten Optimisten. Aus einer elegant-mütterlichen Begleiterin des Lebensweges ihres Mannes und ihrer Kinder wurde sie selbst zur radikalen Reformerin im Dienst der sozialwirtschaftlichen Zukunftsordnung des Iran, zu deren Architekten sich der Schah schon drei Jahre nach ihrer Hochzeit gemacht hatte.

Mit ihrem feinen Sinn für alles Schöne und Menschliche und mit all den Talenten, die bei ihrem Kunststudium in Paris entwickelt worden waren, nahm sich die Kaiserin der kulturellen Seite der „Weißen Revolution“ an. Der geistige Fortschritt des Iran sollte nicht hinter der dank dem Erdölreichtum mit Riesenschritten voraneilenden materiellen Entwicklung des Landes zurückbleiben.

Zu Farahs persönlichen Errungenschaften zählen die jährliche Kunstausstellung in Schiraz, die internationalen Filmfestivals und Kinderfilmtage in verschiedenen iranischen Städten, der Bau des Opernhauses und des Nationaltheaters von Teheran, die neupersischen Dichterkongresse im Land eines Firdaus und Omar Chajjam sowie die Gründung des „Instituts für die intellektuelle Entwicklung von Kindern und Jugendlichen“.

Kaiserin Farah nimmt aber niemals das Schlagwort von der „Emanzipation der Frau“ in den Mund. Ihre Aktivitäten sprechen selbst für das, was eine Frau von heute im modernen Iran zu leisten und durchzusetzen vermag. Im Volksmund hat sie schon viele schmückende Beinamen erhalten, wovon ihr „Mutter des Iran“ am besten gefällt. Ihre besondere Fürsorge gilt den Blinden, Armen, Kranken und sonstwie vom Schicksal Benachteiligten. Nicht umsonst hat sich Farah beim Ägyptenbesuch des iranischen Kaiserpaares im Jänner 1975 so gut mit der anderen nahöstlichen Landesmutter, Madame Sadat, verstanden, die bei den Fellachen des Niltales ebenfalls den Beinamen „Mutter der Ägypter“ trägt.

Gerne gibt Farah ihren Landeskindern gute Ratschläge, die sich gegen Mißstände in der eigenen kaiserlichen Regierung und Verwaltung richten: „Sie müssen größeren Wert auf ihre eigenen Initiativen, auf die Kooperation mit Ihren Mitarbeitern und Untergebenen und auf originelle Ideen, als auf Weisungen von Palast und Regierung legen“, pflegt sie bei ihren Reisen durch die Prozenskultur neben dem zivilisatorisch-materiellen Fortschritt zu sprechen. Sie hat das den persischen Frauen in ihrer letzten Rede zum iranischen Neujahr, am 21. März, wieder besonders eindringlich empfohlen: „Die Krisen, von denen heutzutage so viele Länder erschüttert werden, kommen von nichts anderem als von der Ungleichheit zwischen materiellen und menschlichen Errungenschaften.“ Das Motto der altpersischen Religion und Kultur müßte heute neue Gültigkeit erlangen: „Gute Gedanken, gute Worte, gute Taten!“

Kein Wunder, daß auch der Schah an geistreichen und tiefsinnigen Erklärungen nicht hinter seiner Frau zurückstehen will. Er versäumt daher keinen Anlaß zur Abgabe politischer Grundsatzerklärungen, deren Sammlung durch das Teheraner Außenministerium schon 1970 einen ersten dicken Band gefüllt hat. In der zweiten, für Sommer 1975 in Vorbereitung befindlichen Kollektion finden sich besonders aktuelle Stellungnahmen zur Nahostfrage und der sich abzeichnenden panislamischen Gemeinschaft. Aus diesen Äußerungen wird auch verständlich, weshalb gerade der Iran in den letzten beiden Jahren neben Ägypten und Saudi-Arabien zur bestimmenden Macht zwischen Marokko und Indien aufgestiegen ist. Nicht nur, weil sich der Thron von Teheran auf die Erdölbohrtürme stützt, sondern auch dank einem klaren Konzept für Frieden und Stabilität in diesem immens reichen, aber von ebenso bedrohlichen politisch- militärischen Konflikten belasteten Raum.

Zur Nahostfrage hat der Schah schon nach dem Sechstagekrieg von 1967 die folgende Erklärung abgegeben: „Das Mitgefühl, das Iran den Arabern entgegenbringt, ist bedingt durch die nachbarlichen Beziehungen zu ihnen und die religiöse Bindung an dieses Volk. Obwohl wir aber unsere Sympathie für die Araber nie verhehlt haben, können wir die Tatsache nicht übersehen, daß nach unserer Uberzeugung keinem Land das Recht zusteht, ein anderes Land mit Vernichtung zu bedrohen.“

Was Mahammad Reza Pahlavi damit meinte, ist in seiner neuesten Verurteilung jeder Diskriminierung noch deutlicher ausgesprochen worden: „Wir dürfen nicht vergessen, daß die Geschichte unseres alten Kaiserreiches mit einer Charta eingeleitet wurde, die in der Tat eine Proklamation der Menschenrechte darstellt. In dieser Charta hat Kyros der Große, Grßkönig von Persien, nach der Eroberung von Babylon bekanntgegeben, daß die Zeit der Knechtschaft, der Versklavung und Unterjochung vorbei sei. Er gebot, daß die Kriegsgefangenen in ihre Heimat zurückgeführt, daß die Tore der Gotteshäuser wieder geöffnet und die Flüchtlinge repatriiert werden sollten!“

Freilich: Denkt der Schah auch an die Kurden, die er durch einen Pakt mit dem Irak ihrem Schicksal, der Vernichtung, überließ?

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