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Großmacht-wie weiland Kyros

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Der Iran feiert dieser Tage sein zweitausendfünfhundertjähriges Bestehen. Schauplatz des wahrscheinlich größten, bestimmt aber teuersten Festes der Weltgeschichte ist die Ruinenmetropole Persepolis. Experten schätzen die Kosten, die vom Schah geheimgehalten werden, auf drei bis fünf Milliarden Mark. Das wäre die Hälfte der Auslandsschulden Teherans: zehn Milliarden.

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Der Iran feiert dieser Tage sein zweitausendfünfhundertjähriges Bestehen. Schauplatz des wahrscheinlich größten, bestimmt aber teuersten Festes der Weltgeschichte ist die Ruinenmetropole Persepolis. Experten schätzen die Kosten, die vom Schah geheimgehalten werden, auf drei bis fünf Milliarden Mark. Das wäre die Hälfte der Auslandsschulden Teherans: zehn Milliarden.

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5000 Kamele und 20.000 Maultiere brauchte Alexander der Große, um die aus der von ihm zerstörten Stadt geborgenen Schätze an Gold, Silber und Edelsteinen nach Susa transportieren zu lassen. Persepolis, das seitdem in Trümmern liegt, war die Hauptstadt des von Kyros gegründeten Perserreiches. Kyros’ Sieg über den sagenhaften kleinasiatischen Herrscher Krösus hatte die Wohlhabenheit der Metropole begründet. Darius der Große hatte, 518 vor unserer Zeitrechnung, mit ihrem Bau begonnen. Xerxes und Artaxerxes, seine Nachfolger, hatten ihn vollendet. Von Persepolis führten direkte Straßen in die 28 Satrapien des antiken Großreiches.

Krösus und Alexander, dessen Begehrlichkeit von den unermeßlich scheinenden Schätzen geweckt worden war, wären allerdings vor Neid erblaßt, hätten sie die in dem nach 2300 Jahren wieder auferstandenen Persepolis zusammengetragenen Reichtümer sehen können. Die historischen 5000 Kamele und 20.000 Maultiere würden bei weitem nicht ausreichen, sie wieder abzutransportieren …

50 hausartige kreisrunde Luxuszelte aus besten wetterfesten Planen, gruppiert um ein riesiges gestreiftes Festzelt für die gastgebenden Majestäten und die von ihnen veranstal

teten Bankette, Empfänge und Lustbarkeiten, bilden das moderne Gegenstück zu dem antiken Ruinenfeld. 37.000 Meter Samt- und Seidenstoffe, golddurchwirkte Brokatbordüren und hunderte kostbarer Teppiche schmücken die Miniaturschlösser ebenso wie echte antike Möbel aus Frankreich. Die ausländischen Staatsoberhäupter und Regierungschefs benutzen eine eigens angelegte neue Prachtstraße oder den Hubschrauberlandeplatz zur Anreise. In

ihren Zelten finden sie ihr naturgetreues handgewebtes Porträt auf einem Teppich. Die Würdenträger begrüßen sie in dunkelgrünen Fräk- ken mit handgestickten Ornamenten aus purem Gold. Für jeden brauchte man zwei Kilo des edlen Metalls. Die Speise- und Kaffeeservice sind aus kostbarstem Porzellan, die Trinkgläser • aus dem teuersten Kristall und die Bestecke aus vergoldetem Silber, man delektiert sich, unter Anleitung von 30 Köchen und 150 Bedienten aus Paris, an französischer Küche und Weinen und Champagner aus Frankreich und Rußland, angereichert durch persischen Kaviar.

Ein dichter Tretminengürtel, Zehntausende von Soldaten und Geheimdienstbeamten sorgen für die Sicherheit des Schahs und der ausländischen Potentaten und dafür, daß sich keiner von ihnen etwa in die

in unmittelbarer Nähe gelegenen Elendsviertel verirrt.

„Disneyland-in-the-desert“ nannte ein amerikanisches Nachrichtenmagazin die pompöse Zeltstadt. Und das ist noch die mildeste Kritik aus dem In- und Ausland. „Risa den Pompösen" nennen die studentischen Oppositionellen in Teheran denn auch boshaft den Veranstalter Schah-in-Schah Mohammed Risa Pachlavi. In der Tat hinterläßt die Besichtigung des „Neo-Persepolis" in der Wüste einen mindestens zwiespältigen Eindruck. Im Iran beläuft sich das Pro-Kopf-Einkommen der Bevölkerung jährlich auf nur rund tausend Mark. Trotz des immensen Ölreichtums steckt die Industrialisierung noch in den Anfängen. Es fehlt überall an Schulen und Krankenhäusern. Diese Umstände waren denn wohl auch mitentscheidend dafür, daß einige der wichtigsten Staatsoberhäupter, die zunächst zugesagt hatten, nun doch nicht zugegen sein werden: das gilt für Königin Elizabeth II., Sowjet-Staatschef Podgomy, US-Präsident Nixon und den französischen Staatspräsidenten Pompidou. Fraglich ist auch das Kommen des offenkundig von innenpolitischen Schwierigkeiten bedrängten chinesischen Ministerpräsidenten Tschu En-lai. Fehlen werden Königin Juliana der Niederlande, Kaiser Hirohito von Japan und König Gustav Adolf von Schweden.

Diese Absagen machen das größte

Treffen des Jahrhunderts, wie man am iranischen Hof etwas bitter konstatiert, zu einem „Treffen der zweiten Garnitur“. Dennoch ist der Schah, so betont man am Hof von Golestan, einfach stolz auf das in den letzten 20 Jahren Erreichte. Das Nationaleinkommen sei zwar niedriger als in der westlichen Welt, aber gemessen an den Verhältnissen in den orientalischen Nachbarländern sehe es nahezu überall schlimmer aus als im Iran.

Kaiserin Farah Diba, die Hauptorganisatorin des Festes und zugleich seine rührige Public-Rela- tions-Chefin, nennt noch einen anderen Grund: „Fernseh- und Rundfunkstationen und die Presse von 60 Ländern werden aus Anlaß der Festlichkeiten über unser Land berichten und Filme, Berichte und Bücher verbreiten. Das bedeutet eine bedeutende Ankurbelung des Tourismus.“

Wichtiger als dieser Nebeneffekt dürfte für den Schah ein anderer Grund sein: Sein Land ist heute das reichste und mächtigste des Vorderen Orients, und das Ziel von Freundschaftsbezeugungen aus West und Ost und sogar aus China. Die großangelegte Selbstdarstellung soll daher wohl die Wiedergeburt einstiger Größe dokumentieren und den Anspruch Persiens erhärten, erste regionale Ordnungsmacht zwischen Hindukusch und Atlasgebirge, Mittelmeer und Persergolf zu sein.

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