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Mit Ahmadinejad zurück zu Khomeni: Der Sieg des Hardliners bei der Präsidentenwahl im Iran, ist ein schwerer Schlag für die Frauen, aber auch für die religiösen Minderheiten im Land.

In Teheran steht mit dem neuen Präsidenten Mahmud Ahmadinejad erstmals kein schiitischer Geistlicher an der Spitze der Islamischen Republik. Auch scheint der Sohn eines einfachen Schmiedes die Islamische Revolution Irans zu den sozialen Anliegen ihrer frühen Jahre nach 1979 zurückzuführen. Das war schon sein Erfolgsrezept für die Wahl zum Bürgermeister der Hauptstadt vor zwei Jahren. Mit diesem Islam-Ultra als Präsidenten stehen aber in Iran den Frauen sowie den nicht-islamischen Minderheiten wieder harte Zeiten wie einst unter Ayatollah Khomeini bevor.

So hatte der neue Staatschef schon seine Amtszeit als Bürgermeister von Teheran mit dem Einbau von nach Geschlechtern getrennten Aufzügen in alle Verwaltungsgebäude begonnen. Von einer weiteren Lockerung der Verhüllungsgebote wird jetzt keine Rede mehr sein. In den acht Jahren der Reformpräsidentschaft Khatamis hatte die Haarpracht der Iranerinnen schon wieder kecker unter dem Tschador hervorgeguckt.

Keine Frauen am Himalaja

Ebenso werden Erstbesteigungen im Himalaja durch iranische Seilschaften, bei denen auch Frauen mitkraxeln durften, der Vergangenheit angehören. Khatami hat die Erstürmung des Everest durch sieben Iranerinnen eben erst noch als "stolzen Sieg islamischen Frauentums" gefeiert.

Nun werden wieder islamische Milizen in den Straßen von Teheran darüber wachen, dass der Tschador nicht nach hinten rutscht, Ärmel und Röcke zu kurz sind. Der neue Präsident ist ein Kind dieser religiös und auch sonst radikalen Freischaren. 1978 war der heute 49-Jährige einer jener zornigen jungen Männer, die sich einen Bart wachsen ließen, der Islamischen Revolution die Straßen eroberten, Ayatollah Khomeini aus der Verbannung zurückholten und den Schah vertrieben. Sie organisierten sich bald im Pasdaran, den Wachverbänden für Gehorsam und Sittsamkeit in der jungen Islamischen Republik.

SA-artige Schlägertruppe

Der Pasdaran trieb die Frauen und Mädchen, die zunächst begeistert für die Revolution demonstriert hatten, an den häuslichen Herd oder gar in den Harem zurück, jagte ab 1980 im Krieg gegen den Irak Jugendliche und sogar Kinder auf die Schlachtfelder und in die Giftgashölle von Saddam Hussein. So entstand der zweite Milizverband, die Jugendarmee des "Bassidj". In ihr begann des eigentliche Aufstieg des Revolutionsgardisten Ahmadinejad.

Fern der Front entwickelten sich Pasadaran und Bassidj zu einer SA-artigen Schlägertruppe gegen alle politisch Andersdenkenden und auch Andersgläubigen. Im Prinzip huldigt die Islamische Republik Iran zwar der toleranteren Schule des Islam, die zum Unterschied von den Fundamentalisten aller Zeiten und vom heutigen Saudiarabien Christen, Juden und Parsen immerhin eine eng kontrollierte Kultfreiheit einräumt. Diese gestattet über die kommunistische Praxis hinaus sogar die religiöse Erziehung der Jugend im Glauben ihrer Eltern. Daher gibt es an einigen iranischen Schulen bis heute christlichen Religionsunterricht.

Dennoch wird den Christen abverlangt, sich "islamkonform" zu verhalten. Als Wächter darüber wurden noch von Khomeini der Pasdaran und die anderen Milizen eingesetzt. In den achtziger Jahren war es an der Tagesordnung, dass Juden und vor allem Bahai's - die im 19. Jahrhundert aus dem mystischen Schiitentum hervorgingen - drangsaliert oder gar gelyncht wurden. Parsen und Christen ging es etwas besser, doch machten Pasdaran und Bassidj in den Kirchen auf Wein Jagd. Sie wollten den armenisch-, chaldäisch- und römisch-katholischen Pfarrern ein "islamgerechtes" Zelebrieren mit Wasser aufzwingen. Nicht einmal als Diplomatengepäck durfte die wenigstens weiterbestehende Nuntiatur in Teheran Messwein ins Land bringen.

Dazu kam strikte Überwachung der Predigten: Milizionäre passten in allen Kirchen auf, ob ja nicht die vom Islam geleugnete Gottheit von Jesus Christus verkündet wurde. Diese Zustände besserten sich erst langsam unter Präsident Rafsanjani und vollends ab 1997 mit dem Reformer Khatami. Der neue Präsident Ahmadinejad war früher persönlich an "Aktionen" gegen Juden, Bahai's und Kirchen beteiligt. Von ihm ist daher auch jetzt nichts Gutes zu erwarten!

Irans "heilige Arme"

Ahmadinejafs Hinwendung zum proletarischen Underdogs der Islamischen Republik, den Mustafizin, erschöpft sich in der Verteilung von Almosen ohne echte Sozialreform. Ihre "heilige Armut" ist ebenso wie der innere und äußere Nachvollzug der Passion der von den Sunniten ermordeten Schia-Gründer Ali, Hassan und Hussein ein wesentlicher Bestandteil schiitischen Selbstverständnisses als leidender, entrechteter Konfession des Islams. Was nie ausschloss, dass gerade diese Mustafizin im Mittelalter, bei den iranischen Revolutionen von 1905 und 1979 und jetzt wieder in diesen Präsidentenwahlen eine ganz aktive Schlüsselrolle gespielt haben. Ahmadinejads politische Manipulation dieser "heiligen Armen" unterscheidet sich fundamental vom sozialen Reformprogramm des linken Flügels der Islamischen Revolution in ihrer Frühzeit zwischen 1979 und 1981, von den weltlichen iranischen Intellektuellen um den ersten Präsidenten Bani Sadr, die zunächst auch auf Khomeini gesetzt hatten.

Jetzt lässt sich die überraschende Niederlage von Altpräsident Rafsanjani, dem millionenschweren Geschäftemacher und Favoriten dieser Wahlen, zum Teil dank der Stimmen dieser Mustafizin erklären.

Wahlfälschung

Entscheidend dürfte der Sieg von Ahmadinejad aber durch grobe Verfälschung der Wahlergebnisse zustande gekommen sein. Khomeinis geistlicher Erbe, Ayatollah Khamenei, wollte nach dem pragmatischen Rafsanjani und Reformer Khatami einfach wieder einen erklärten Islamisten an der politischen Spitze. Sowohl im ersten Wahlgang wie dann bei der Stichwahl fiel die Entscheidung nicht an den Urnen, sondern schon vorher im klerikalen schiitischen "Wächterrat" um Khamenei.

Mehdi Karubi, alter, aber inzwischen ernüchterter Gefolgsmann der Islamischen Revolution, spricht offen von Wahlbetrug: "Die Ayatollahs hätten gleich ihren Mann ohne Pseudowahlen einsetzen sollen!" Die einzige Frau unter den anfänglichen Wahlwerbern, Ayam Taleghani, war vom "Wächterrat" schon im voraus ausgeschlossen worden. Jetzt erklärt die frühere Abgeordnete bitter: "Iran brauchte kein neues Staatsoberhaupt, es braucht eine neue Verfassung".

Der Autor, langjähriger Nahost- und Islam-Korrespondent, ist heute stv. Direktor des Instituts G2W - Glaube in der 2. Welt, Zürich.

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