Wenn Iran an der Dollar-Vormacht rüttelt...

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Ist der Streit ums iranische Nuklearprogramm nur ein Vorwand? Geht es gar nicht um Amerikas und der Welt Angst vor einer iranischen Atombombe? Unter anderem US-Politiker und Ökonomen sehen den wahren Grund für den Konflikt mit dem Iran vielmehr in Teherans Ankündigung einer eigenen Ölbörse, die nicht nur mehr in Dollar fakturiert.

Wenn die Interessen des Landes angegriffen werden, nutzen wir alle Möglichkeiten, und das Öl ist eine von ihnen", warnte der iranische Erdölminister Kazem Vaziri-Hamaneh am letzten Sonntag die internationale Staatengemeinschaft und im Besonderen die Vereinigten Staaten, an Sanktionen gegen die iranische Ölindustrie zu denken - der Ölpreis werde ansonsten "um mindestens hundert Dollar pro Barrel steigen".

Atomstreit = Währungskrieg?

Die damit vorgegebene Richtung ist klar: Der Atomstreit wird auch zum Ölkonflikt - doch das war er schon von Anfang an, meinen unter anderem der us-Kongressabgeordnete Ron Paul - als Texaner und Republikaner wenig verdächtig, Verschwörungstheorien gegen die Bush-Administration auszuhecken - und der in Sofia lehrende amerikanische Wirtschaftswissenschafter Krassimir Petrov. Beide legen aber noch ein Schäuferl nach und erklären den Streit zwischen den usa und dem Iran letztlich zu einem Währungskrieg. Petrov: "Die iranische Regierung hat schlussendlich die ultimative ,nukleare' Waffe entwickelt, die über Nacht das Finanzsystem zerstören kann, auf dem das amerikanische Imperium aufgebaut ist. Diese Waffe ist die iranische Ölbörse." Ron Paul wiederum erklärte vor dem us-Repräsentantenhaus: "Der Iran hat - wie der Irak - null Fähigkeit uns anzugreifen. Aber dies hielt uns nicht davon ab, Saddam Hussein als einen modernen Hitler zu modellieren, der sich anschickt, die Welt zu erobern. Nun scheint der Iran - besonders nachdem er seine Pläne, Öl in Euro auszupreisen, wahr gemacht hat - Ziel eines Propagandakriegs zu sein, ähnlich demjenigen, den wir gegen den Irak vor unserem Einmarsch geführt haben."

Europas "Hinterfotzigkeit"

Ron Paul legt in seiner weiteren Argumentation Wert darauf, dass die Verteidigung der Vorherrschaft des Dollars nicht der einzige Beweggrund für den Krieg gegen den Irak war bzw. für die Agitation gegen den Iran ist - aber "die Bedeutung des Dollars ist offensichtlich".

Mit dem Dollar als Leitwährung hätten es die usa "extrem gut geschafft, auf Kosten anderer zu leben", sagt Andreas Novy, Entwicklungsexperte an der Wirtschaftsuniversität Wien, im Gespräch mit der Furche. Zwischen den usa und Europa gebe es dabei sowohl "Komplizenschaft als auch Konkurrenz". Erstere zeige sich an der Zusammenarbeit im Internationalen Währungsfonds oder in der Weltbank, zweitere beweise die Einführung des Euro - "das war kein Kinderstreich!" Insofern, meint Novy, akzeptiert Europa zwar die ökonomische Vorherrschaft des Dollars, ohne jedoch auf eine "gewisse Hinterfotzigkeit" zu verzichten, diese Dominanz von Zeit zu Zeit anzugreifen. Bei diesem "Zündeln", sagt Novy, werde Europa von Entwicklungs-und Schwellenländern unterstützt, denen eine "multipolare Welt generell viel lieber wäre" und die auch gerne die eu als Alternative zu den usa sehen würden oder wie im Falle Venezuelas, Indonesiens oder jetzt im Iran einen Petro-Euro neben dem Petro-Dollar ins Spiel bringen, um damit ihre Erdölverkäufe zu verrechnen.

Doch kein Iran-Öl für Euro?

Die Eröffnung der iranischen Ölbörse (iob) auf der Insel Kish im Persischen Golf war ursprünglich für März dieses Jahres geplant und wurde seither immer wieder verschoben. Laut Politikwissenschafter Behrooz Abdolvand, einem gebürtiger Iraner, der an der Freien Universität Berlin lehrt, verfügt die Börse dank Kooperation mit europäischen Firmen über die nötige informationstechnologische Infrastruktur für den elektronischen Börsehandel und auch an international ausgebildeten Fachleuten herrsche kein Mangel - warum dann die Verzögerung? Wirkt die amerikanische Drohung? Wollen die Verantwortlichen im Iran keine weitere Eskalation des Konflikts mit der Eröffnung einer Ölbörse riskieren?

Keine Finanz-Kriegserklärung

Für Behrooz Abdolvand ist die Diskussion künstlich aufgeheizt: Gegenüber dem Eurasischen Magazin beruft sich der Energie-Experte auf Gespräche mit iranischen Diplomaten, die ihm versicherten, "dass die Islamische Republik nicht beabsichtigt, den Ölhandel an der geplanten Ölbörse nur in Euro abzurechnen". Deswegen ist die Iranische Ölbörse für Abdolvand auch "keine finanzpolitische Kriegserklärung an die usa".

Mit Sicherheit als Kriegserklärung an Dollar und Amerika hat hingegen Hugo Chávez, Präsident von Venezuela, die iranischen Börsepläne aufgefasst: "Auch wir sind frei, zwischen Dollar und Euro zu wählen", verkündete der Staatschef des fünftgrößten Ölexporteurs der Welt.

Für Kongressabgeordneten Ron Paul ist das der entscheidende Grund, warum Chávez auf der Abschussliste des us-Geheimdienstes steht: "Im Jahre 2001 verkündete der Botschafter Venezuelas in Russland, sein Land steige bei der Auspreisung aller Ölverkäufe auf Euro um. Innerhalb eines Jahres gab es einen Staatsstreich gegen Chávez, den, so wird berichtet, unsere cia unterstützte."

"Euro aus dem Irak verbannt"

Dieselbe Kriegslogik sieht Paul auch im Fall Saddam Hussein am Werk, der sich ab November 2000 das irakische Öl in Euro bezahlen ließ: "Es fand keine öffentliche Diskussion darüber statt, dass wir Saddam Hussein beseitigen wollten, weil er mit der Auspreisung des Öls in Euro die Integrität des Dollars als Weltreservewährung angriff. Viele glauben heute, das sei der eigentliche Grund für unsere Besessenheit gegenüber dem Irak. Ich zweifle daran, dass dies der einzige Grund war, aber er hat wohl eine bedeutende Rolle in unserem Kalkül, Krieg zu führen, gespielt. Innerhalb kürzester Zeit nach dem Sieg wurde sämtliches irakisches Öl wieder in Dollar gehandelt, der Euro war verbannt."

"Die globale Vormachtstellung des Dollars war wiederhergestellt", kommentiert in diesem Sinn Krassimir Petrov den Erfolg der amerikanischen Irak-Operation "Schock und Ehrfurcht": "Siegreich stieg Bush aus einem Kampfflugzeug und erklärte die Mission für vollendet - er hatte den Dollar erfolgreich verteidigt und damit das amerikanische Imperium."

Für Winfried Wolf, früher pds-, heute wasg-Politiker und bekannter "linker" Journalist und Buchautor in Berlin, sind weder die Argumente Pauls noch die Petrovs schlüssig: "Warum bloß sollten Vertreter des ,alten Europa' oder von Euroland", fragt Wolf, "Seite an Seite mit den us-Kriegstreibern gegen den Iran schreiten, wenn ein zentrales Projekt der Regierung Ahmadinedschad darauf hinausläuft, den Euro zu fördern und die Tributpflichtigkeit des Dollar-Imperiums zu beenden?"

Ein weiteres Argument gegen die Angst Amerikas vor einem Dollar-Rauswurf aus der Erdöl-Fakturierung lautet, dass der Ölhandel in Dollar bei den weltweiten Transaktionen keine große Rolle spiele und eine iranische Ölbörse zu klein wäre, um die globalen Devisengeschäfte maßgeblich zu beeinflussen (siehe auch Interview Seite 3). Wolf fragt auch, warum Investoren Tausende Milliarden Dollar in den usa anlegen: "Werden sie dazu gezwungen? Und wenn ja, von wem? Das ist Unsinn. Tatsächlich kann man mit den Kapitalanlagen in den usa einen maximalen Profit machen."

Dollar-Wink mit Zaunpfahl

Ist demnach der Atomstreit doch kein Ölkonflikt und noch weniger ein Währungskrieg? Jürgen Wagner vom Vorstand der Tübinger Informationsstelle Militarisierung meint dazu: "In der iranischen Ölbörse den alleinigen Grund für die us-amerikanischen Angriffspläne zu sehen, würde ihre Bedeutung überhöhen. Die iob zu verhindern und hiermit gleichzeitig anderen Ländern einen Wink mit dem Zaunpfahl zu geben, dass Washington bereit ist, jedes Land mit Krieg zu überziehen, das ernsthaft versuchen sollte an der Dollarhegemonie zu rütteln, dürften aber allemal wichtige Teilinteressen sein, die die extreme Aggressivität der usa gegenüber dem Iran erklären helfen."

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