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Ein neuer Dollar

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Das Währungssystem der demokratischen Staaten der Welt war seit dem Jahr 1944 vom Vertrag von Bretton Woods über den Internationalen Währungsfonds beherrscht Dieses System wurde durch die einseitigen Maßnahmen der Vereinigten Staaten vom 15. August 1971 faktisch außer Kraft gesetzt, die Vereinbarungen des Zehnerklubs, die in der Nacht zum 19. Dezember 1971 zustande kamen, bereiten auch die theoretische Neugestaltung des Weltwährungssystems vor, eine Neugestaltung, die sich grundlegend von den in Bretton Woods getroffenen Regelungen unterscheiden wird.

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Das Währungssystem der demokratischen Staaten der Welt war seit dem Jahr 1944 vom Vertrag von Bretton Woods über den Internationalen Währungsfonds beherrscht Dieses System wurde durch die einseitigen Maßnahmen der Vereinigten Staaten vom 15. August 1971 faktisch außer Kraft gesetzt, die Vereinbarungen des Zehnerklubs, die in der Nacht zum 19. Dezember 1971 zustande kamen, bereiten auch die theoretische Neugestaltung des Weltwährungssystems vor, eine Neugestaltung, die sich grundlegend von den in Bretton Woods getroffenen Regelungen unterscheiden wird.

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Der Vertrag von 1944 beruht auf der Gleichsetzung von Dollar und Gold. Für die anderen Währungen gilt der Artikel IV des Vertrages: „Die Parität der Währung eines jeden Mitglieds wird in Gold als Generalnenner oder in US-Dollars von Gewicht und Feingehalt wie am 1. Juli 1944 ausgedrückt.“

Das System beruhte also auf dem Gold oder auf dem Golddollar, es entsprach den Wirtschafts- und

Machtverhältnissen des Jahres 1944. Damals war Amerika die einzige heilgebliebene Wirtschaftsmacht und es war im Besitz des weitaus überwiegenden Teils des Goldschatzes der Welt. Das Wertverhältnis zwischen Dollar und Gold, das der Vertrag international sanktionierte, wurde von Amerika aus eigener Machtvollkommenheit bereits 1933 festgesetzt.

Der Dollar war nach diesen Bestimmungen also Leitwährung, er wurde aber auch Reservewährung. Die Industreistaaten der freien Welt, die nach dem Kriege allmählich ihre zugrunde gegangene Wirtschaft wieder aufbauten — mit amerikanischer Hilfe, aber vor allem mit größten eigenen Anstrengungen (zu diesen gehörten übrigens auch Deutschland und Japan) — bauten auch ihre Währungen neu auf mit Hilfe von Dollars, die ihnen anfangs geliehen wurden und die sie später durch Export verdienten. Die Dollarguthaben als Währungsreserven wurden erst allmählich und nur zum Teil durch Gold ersetzt.

Der Dollar als Alleinherrscher auf dem internationalen Währungsgebiet wurde durch die Entwicklung der letzten 27 Jahre entthront und heute ist auch hier die Zeit der Monarchie unwiderruflich vorbei, und die der Republik, der pluralistischen Ordnung auf Grund des Neben- und Miteinander gleichberechtigter Staaten, läßt sich nicht mehr aufhalten. Ausdruck dieser Entwicklung sind die Vereinbarungen vom 19. Dezember 1971. Durch sie wurde der Dollar abgewertet, das Gold aufgewertet, der Dollar als Leitwährung theoretisch durch das Gold, praktisch durch die Pluralität der wichtigsten Handelswährungen der Welt ersetzt.

Der Abstieg der Leitwährung

Daß der Dollar von seiner beherrschenden Rolle zur Zeit der Beendigung des zweiten Weltkrieges herabsteigen mußte, ist zum Teil eine natürliche Folge des Wiedererstehens der europäischen Völker und Japans, zum Teil eine Folge der politischen Entwicklung. Insbesondere war an diesem Niedergang die Verminderung des Wertes des Dollars und an dieser die von Amerika betriebene Inflation schuld.

Inflation ist immer letzten Endes die unentrinnbare Folge der Überforderung der Wirtschaft. Amerika überfordert — zum Teil zwangsläufig als Folge des kalten Krieges und des Wettbewerbs mit dem kommunistischen Block auf den verschiedensten Gebieten — seine Wirtschaft, so durch seine Rolle als Weltpolizist, die es dazu veranlaßt, in vielen Teilen der Welt Besatzungen und Stützpunkte zu unterhalten, durch das Wettrüsten, durch den Vietnamkrieg, durch die Weltraumfahrt, durch ein aufwendiges Sozialprogramm, das durch die Rassenspannungen noch verteuert wird, durch die Entwicklungshilfe und nicht zuletzt durch das Bestreben des amerikanischen Großkapitals, europäische Unternehmen aufzukaufen und in Europa eigene Unternehmungen aufzubauen. Dieses Bestreben ist auch auf die überhöhten amerikanischen Löhne zurückzuführen, die selbst eine weitere Quelle der amerikanischen Inflation sind. Letzten Endes ist all das nur durch Inflation zu finanzieren, die eigentlich eine heimliche Steuer auf alle vorhandenen Werte ist.

Die inflationistische Entwertung der Leitwährung inflationiert und entwertet auch alle angeschlossenen Währungen. Die weltweite schleichende Inflation, der wir uns seit fast zwei Jahrzehnten wehrlos gegenübersehen, ist bis zu einem gewissen Grad eine Steuer auf die Werte der ganzen Welt zugunsten der geschilderten Aufwendungen der amerikanischen Völkswirtschaft. Die vielbeklagte amerikanische passive Zahlungsbilanz ist nur eine Folge und Begleiterscheinung der geschilderten Tatsachen.

Die Passivität der amerikanischen Zahlungsbilanz hatte den Abfluß eines Großteils der amerikanischen Goldvorräte vor allem nach Europa zur Folge. Dies zwang die Amerikaner, schrittweise die Gleichsetzung von Dollar und Gold zu lockern. Ursprünglich beruhte diese technisch auf dem Versprechen, jederzeit Dollarnoten oder Dollarforderungen in Gold einzulösen. Seit einigen Jahren schon haben amerikanische Staatsbürger und Unternehmungen nicht mehr das Recht, diesen Umtausch zu fordern und die wichtigsten außeramerikanischen Notenbanken haben sich 1968 „freiwillig“ bereit erklärt, von ihrem Umtauschrecht vorläufig keinen Gebrauch zu machen. Vor Jahren auch wurden die amerikanischen Reservebanken (Notenbanken) von der Pflicht entbunden, bestimmte Goldvorräte zur Deckung der von ihnen ausgegebenen Banknoten zu halten. Schließlich haben sich die Notenbanken der Welt geeinigt, auf dem freien Goldmarkt kein Gold zu kaufen oder zu verkaufen und Transaktionen untereinander den offiziellen amerikanischen Goldpreis zugrunde zu legen. Der letzte entscheidende Schritt aber erfolgte am 15. August 1971: Nixon erklärte: „Die USA werden nicht mehr länger Gold für die Abwicklung internationaler Transaktionen ankaufen und verkaufen.“

Damit wurde die Gleichstellung von Gold und Dollar, die seit langem schrittweise ausgehöhlt worden war, auch offiziell beseitigt.

Keine Krise des Goldes

Amerikanische Fachleute — auch Universitätsprofessoren beteiligten sich an diesem Spiel — versuchten nach dem 15. August, diese Lage als eine Krise des Goldes, als ein Vorspiel zur endgültigen „Demonetisie-ruing“ des Goldes, zu seiner Entthronung als Währungsmetall darzustellen. Man sagte, die Währungspolitik de Gaulies sei als Bluff ent- ' larvt. Es dürfte aber gerade die konsequente und geschickte Politik Pompidous und Giscard d'Estaings gewesen sein, die die Amerikaner schließlich zum Nachgeben in diesem vielleicht entscheidenden Punkt veranlaßt hat.

Die ursprüngliche These Amerikas hatte gelautet: Der Dollar bleibt Leitwährung; wenn sich Ungleichgewichte im Außenhandel und in den Zahlungsbilanzen zeigen, müssen die anderen aufwerten; eine Abwertung des Dollars und eine Aufwertung des Goldes werden (als nationale Demütigung Amerikas) strikte abgelehnt.

Das jetzige Ergebnis der Verhandlungen im Zehnerklub mit den Vereinbarungen vom 19. Dezember besagen nun: Die Anpassung der Ungleichgewichte, die sich namentlich zwischen Amerika auf der einen und Japan, Deutschland und einigen anderen Europäern auf der anderen Seite ergeben haben, wird geteilt durch Abwertung des Dollars und durch Aufwertung des japanischen Yen, der deutschen Mark und einiger anderer Währungen und eine entsprechende Aufwertung des Goldes. Also ein Kompromiß.

Der Dollar hat auch nicht mehr die Stellung als Leitwährung. Die neuen Paritäten wurden nicht im Verhältnis zum Dollar, sondern zum Gold festgesetzt. In der Praxis wird sich die Wertfestsetzung auf den Devisenmärkten — wo ja Währung gegen Währung gehandelt wird — so abspielen, daß jede Notenbank trachten wird, den Wert der eigenen Währung innerhalb der (jetzt auf 2,5 Prozent erweiterten) Bandbreiten gegenüber den wichtigsten Handelspartnern zu halten. Das ist übrigens durchaus kein Nachteil für

Amerika. Der Präsident der Oesterreichischen Nationalbahk war es, der schon vor Monaten betonte, Europa müsse Amerika helfen, die Last der Leit- und Reservewährung loszuwerden.

Amerikanische Stimmen zeigen sich tatsächlich darüber erleichtert und sie stellen das in Parallele zu dem von Nixon eingeleiteten Rückzug aus verschiedenen politischen und militärischen Engagements, die die amerikanische Wirtschaft und Wehrkraft besonders belastet haben.

Zu dem erreichten Kompromiß haben also tatsächlich alle beigetragen, die Amerikaner wie die hauptbeteiligten Europäer und die Japaner. Einen großen Beitrag zum Erfolg dürfte die französische Diplomatie geleistet haben. Die Franzosen — und neben ihnen die Engländer — waren übrigens die einzigen, die ihre ursprünglichen Verhandlungspositionen aufrecht erhalten konnten und die ihre Währung weder auf- noch abwerten.

Zu den amerikanischen Beiträgen zum Kompromiß gehört noch die eine ganz große handelspolitische Konzession: man erklärte sich bereit, die zehnprozentige Importsteuer und die anderen neuen Handelshemmnisse wieder aufzuheben. Allerdings bedingt — wie überhaupt die Inkraftsetzung der ganzen währuingspoliti-schen Vereinbarungen an die Bedingung geknüpft ist. daß man sich bei den sofort anlaufenden handelspolitischen Verhandlungen zwischen Amerika und der EWG einigt. Da steht noch ein zähes Ringen bevor. Aber auch Amerika wird den wäh-rungspoMtischen Erfolg nicht aufgeben und auch nicht ohne Rückendeckung durch die Europäer in die Besprechungen mit den kommunistischen Giganten gehen wollen.

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