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Am Golde hängt, zum Golde drängt..

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Noch immer besitzt das Gold in den Augen vieler Menschen einen geradezu magischen Nutzen oder, wie der berühmte britische Nationalökonom J. M. Keynes formulierte: „Vielleicht kommt aber auch Aberglaube hinzu, denn das Gold hat immer noch das Prestige seines Geruches und seiner Farbe“ (J. M. Keynes, ein Traktat über die Währungsreform, München 1924). Seit undenklichen Zeiten gilt Gold als Tauschobjekt, Wertmesser und als bevorzugtes Wertaufbewahrungsmittel. Vor allem diese Funktion hat es für viele behalten, und wenngleich die Neigung zur Goldhortung vielleicht etwas geringer geworden sein mag, als sie es noch vor einigen Jahrzehnten gewesen ist, vorhanden ist sie noch immer und wächst, wenn das Mißtrauen in eine Währung zunimmt.

Aber das Gold spielt auch im westlichen Währungssystem noch eine Rolle, eine recht bedeutsame sogar, auch wenn die Antwort auf die Frage, welche Funktion das Gold in den westlichen Volkswirtschaften ausübt, wahrscheinlich anders ausfällt, als es üblicherweise erwartet wird.

Als vor wenigen Wochen auf dem Londoner Goldmarkt die Preise in die Höhe schnellten und für eine Unze Feingold 41 Dollar bezahlt wurden — bislang hatte der Höchstpreis seit der Wijedereröffnung des Londoner Goldmarktes 1954 35.25 Dollar betragen —, stieg in den übrigen europäischen Ländern der Goldpreis, und mancherorts war die Nachfrage nach Gold und Goldmünzen so stark, daß die Schalter der Goldabgabestellen vorübergehend geschlossen werden mußten. Unterdessen ist der Londoner Goldpreis wieder gefallen und notierte am 11. November 357/8 Dollar je Feinunze. Noch immer ein ungewöhnlich hoher Kurs. Aber wie konnte es zu dieser Goldhausse kommen? Vor allem deswegen, weil schon seit geraumer Zeit befürchtet wird, daß die Vereinigten Staaten den seit 1934 bestehenden Goldpreis von 35 Dollar je Feinunze erhöhen werden. Dies würde einer Abwertung des Dollars gleichkommen. Daher wird von der privaten Nachfrage aus den USA Gold in London gekauft, aber auch andere spekulative Gelder aus Afrika, dem Nahen und Mittleren Osten werden in London in Gold getauscht, um für den Fall, daß der Dollar tatsächlich abgewertet werden sollte, einen Abwertungsgewinn zu erzielen.

Damit ist die Rolle, die das Gold im westlichen Währungssystem innehat, indirekt beschrieben. Sie besteht im wesentlichen darin, daß. das US-amerikanische Schatzamt bereit ist, Gold je Feinunze um 35 Dollar zu kaufen oder zu verkaufen. Allerdings gilt dies nicht für Privatpersonen, sondern nur für den sogenannten „amtlichen Geldverkehr“, an dem Zentralbanken, Regierungen und internationale Institutionen, wie der Internationale Währungsfonds, teilnehmen. Aus dieser Bereitschaft des US-Schatzamtes, Gold in Dollar zu tauschen und umgekehrt, ergibt sich der zirkulatorische Nutzen des Goldes. Die Tauschkraft des Goldes ist daher keinesfalls unveränderlich und unbeeinflußbar, sie hängt von der Tauschkraft des Dollars ab. Das Gold hat zwar einen festen Preis, aber nur so lange, wie die USA diesen Preis bestehen lassen; eine Änderung des Goldpreises liegt im freien Ermessen ihrer Währungsbehörde. Die feste Relation Gold : Dollar bedeutet eben, daß das Gold soviel wert ist wie der Dollar. Da nun der Wert des Dollars ebenso wie der jeder anderen Währung zwar stabil sein kann, aber keinesfalls sein muß, ändert sich mit dem Tauschwert des Dollars auch der Tauschwert des Goldes. Das Gold hat daher im westlichen Währungssystem lediglich deshalb einen Platz, weil es praktisch an den Dollar gebunden ist. Diese Identifizierung des

Goldes mit dem Dollar wurde im Währungsabkommen von Bretton Woods aus dem Jahre 1944 vorgenommen. Damals berieten Vertreter von 14 Nationen über die Neuordnung der Währungen nach dem Krieg. Man war sich in Bretton Woods darüber klar, daß eine Goldwährung im klassischen Sinn nicht wiederhergestellt werden könne — wobei zu beachten ist, daß bei einer klassischen Goldwährung, überspitzt formuliert, auch nicht das Gold das Entscheidtende ist, sondern die Bereitschaft der verantwortlichen Stellen, die Spielregeln des Goldwährungssystems zu beachten — wenn auch der Wert der einzelnen Währungen fest in Gold ausgedrückt sein sollte.

So beträgt, um ein Beispiel zu nennen, die Parität des Schillings zum US-Dollar 26 Schilling für einen US-Dollar, und unter Zugrundelegung der offiziellen Relation des US-Dollars zum Gold (35 Dollar je Feinunze) 0,0341796 Gramm Feingold für einen Schilling.

Die Funktion des Goldes beruht daher nicht darauf, daß es etwa seiner Natur nach so etwas wie eine Weltwährung ist. Die Anerkennung der internationalen Generalware Gold erfolgte auch in Bretton Woods nicht deshalb, weil Gold Gold ist, sondern weil Amerika Amerika war, besonders im Jahre 1944. Es ist daher ohne weiteres denkbar und es gibt auch keinerlei logisch begründbare Hindernisse — von etlichen praktischen abgesehen —, die dagegen sprechen würden, dem Gold in der internationalen Währungspolitik überhaupt keinen Platz einzuräumen. Aber noch hat man sich zu einem derartigen Schritt nicht entschlossen, und es ist auch nicht sehr wahrscheinlich, daß man sich in absehbarer Zeit dazu entschließen wird. Im US-Schatzamt wird man mit der Entwicklung des Londoner Goldpreises keine besondere Freude gehabt haben, denn „die Erfahrung hat gezeigt, daß der Goldpreis, selbst wenn er nur auf einer beschränkten Zahl von Geschäften beruht (wie das etwa in London tatsächlich der

Fall ist), einen starken psychologischen Einfluß auszuüben vermag, da er als Maßstab für den inneren Wert der betreffenden Währung angesehen wird“ (Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, Basel, 14. Geschäftsbericht, 1944). Es ist daher für ein Land wie die USA nicht gerade angenehm, wenn der Goldpreis als Ausdruck eines Mißtrauens in den- Dollar steigt.

Neben dem offiziellen Goldmarkt, der dem amtlichen Verkehr für monetäres Gold dient, gibt es auch freie Goldmärkte. Der wichtigste ist London. Die Preisbildung In London ist frei. Solange es keine Abwertungsgerüchte über den Dollar gegeben hat und die private Nachfrage in London relativ gering war — auch London ist in „normalen Zeiten“ ein Markt der Notenbanken —, blieb die Schwankungsbreite des Goldpreises begrenzt, eben durch die Bereitschaft des US-Schatzamtes, jederzeit von ausländischen Währungsbehörden Gold um 35 Dollar je Feinunze zu kaufen und an sie zu verkaufen. Unter Berücksichtigung der Transport-, Versicherungsund sonstigen Kosten für die Verbringung des Goldes von London nach den Vereinigten Staaten, kann daher für Währungsbehörden der Goldpreis in London nicht unter 34.76 Dollar je Feinunze sinken. Denn von diesem Preis an ist es lohnend, Gold in London zu kaufen und in den USA dem Schatzamt anzubieten. Der Londoner Höchstpreis, also der Preis, von dem an es sich lohnt, Dollarguthaben in Gold umzutauschen und das Gold in London zu verkaufen, würde demnach 35.24 Dollar je Feinunze betragen. Diese relativ enge Schwankungsbreite des Londoner Goldpreises gilt, wie gesagt, nur für Währungsbehörden; da diese aber bisher die wichtigsten Kunden in London gewesen sind, konnte der Goldpreis aus dieser Bandbreite nicht ausbrechen, oder höchstens in sehr bescheidenem Maße. In den Sommermonaten aber begann der Londoner Goldpreis zu steigen. Zunächst ist die Nachfrage von Notenbanken gekommen, die offenbar aus optischen Gründen den Gold-Dollar-Tausch in London durchführten, anstatt in den Vereinigten Staaten. In der zweiten Oktoberhälfte iedoch wurde die private Nachfrage so stark, daß der Londoner Goldpreis richtiggehend „ausbrach“ und auf mehr als 40 Dollar je Feinunze emporschnellte. Denn für die privaten Nachfragen gilt der Mechanismus der Arbitrage London—USA nicht, weil eben das US-Schatzamt nur bereit ist, Gold an Währungsbehörden zu verkaufen und von ihnen zu kaufen.

Die Spekulation auf eine Abwertung des Dollars wird so lange anhalten, bis die Vereinigten Staaten ihre Zahlungsbilanz in Ordnung gebracht haben. Obzwar gewichtige Gründe gegen eine Abwertung des Dollars sprechen, ist es immerhin nicht uninteressant, daß die Diskussion über eine Änderung der Gold-Dollar-Parität nicht erst der gegenwärtigen Situation entspringt, sondern sich schon seit dem Ende des Krieges hinzieht. So ist schon im April 1946 im Münzausschuß des Repräsentantenhauses eine Erhöhung des Goldpreises auf 56 Dollar je Unze Feingold erwogen worden. Aber: Nach dem Abkommen über den Internationalen Währungsfonds ist die internationale Tauschkraft des Goldes nach der des Dollars zu bemessen. Daraus ergibt sich, daß die Währungspolitik aller dem Währungsabkommen von Bretton Woods angeschlossenen Länder nicht nur hinsichtlich der Wechselkurse, die alle durch den „gemeinsamen Nenner“ des Dollars miteinander verkettet sind, sondern auch hinsichtlich der Beurteilung und Verwendung ihrer Währungsreserven in Gold oder Dollar von der Währungspolitik der USA abhängig sind. Für die Bedeutung des Goldes im westlichen Währungssystem gilt daher der Satz: Die Macht des Goldes ist eine Fiktion, aber in der Hand der führenden Weltmacht wurde sie eine Realität.

Neben dieser einigermaßen komplizierten Konstruktion, deren Änderung letztlich aber doch nur von den für die Währungspolitik verantwortlichen Stellen abhängt, gibt es noch einen anderen Pfeiler, auf dem die Macht des

Goldes ruht. Es ist der seit Jahrtausenden bestehende Glaube an die Wertbeständigkeit des gelben Metalls, an seine Wertsicherungsfunktion. Immer wenn das Vertrauen in eine Währung nachläßt, wenn eine politische Krise droht, dann nimmt die private Goldhortung zu. Das Gold hat eben für viele Menschen eine besondere Eignung als Geldsubstanz. Solange das Gold relativ selten ist, eine Funktion im westlichen Währungssystem ausübt und viele daran glauben, daß es einen besonderen Wert besitzt, und bereit sind, Gold gegen andere Güter zu tauschen und umgekehrt, wird es seinen Wert behalten. Auf jeden Fall ist es aber falsch, zu glauben, daß im Währungssystem der Welt alles in Ordnung wäre, wenn nur die Währungen an das Gold gebunden wären, gleichgültig unter welchen Bedingungen das System zu funktionieren hätte.

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