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Die Vorräte werden abgestoßen

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2. Nicht minder von Bedeutung und Anlaß für die Forderung nach Entmonetisierung des Goldes ist die Tatsache, daß die Vermehrung der Goldvorräte bei den Zentralnotenbanken, die sich unter anderem in der zirkulierenden Menge an Papiergeld widerspiegeln, nicht mit dem relativen Maß der Ausweitung des Welthandels Schritt hält. Der Welthandel expandiert im Durchschnitt zwischen vier Prozent und sechs Prozent p. a., die Devisenvorräte, als abstraktes und insoweit „beliebig“ vermehrbares Geld, steigen um zirka fünf Prozent, die Goldvorräte dagegen, gerechnet zum zementierten Goldpreis, nur um ein Prozent.

Nach einer Mitteilung des deutschen „Volkswirtes“ (23. Juni 1967) nahmen die Goldvorräte der „amtlichen Stellen“ 1966 sogar um 95 Millionen Dollar ab, wobei einem Zugang von 635 Millionen bei den internationalen Institutionen (Internationaler Währungsfonds) ein Abgang von 730 Millionen bei den nationalen Geldinstituten gegenübersteht. Die USA gaben 570 Millionen (1965: 1950), Großbritannien 325 (130) und die Bundesrepublik

120 Millionen ab, während Frankreich 600 Millionen Gold gegen Dollars eintauschte. Zwischen 1960 und 1966 wurden 73 Prozent des gewonnenen Goldes von Privaten erworben, ein Anzeichen für eine bestimmte Interpretation der Kaufkraftentwicklung des substanzlosen Geldes seitens des Publikums.

Kommt das „Weltgeld“?

3. Die Goldvorräte bei den Zentralnotenbanken scheinen derzeit nicht mehr auszureichen, um die Ausweitung des Welthandels und die korrespondierende Nachfrage nach Zahlungsmitteln ohne Änderung der Gold-Papiergeld-Relation möglich zu machen. Aus diesem Grund wird immer wieder die erwähnte Lösung des Problems durch Einführung eines Goldersatzes erwogen, nicht nur durch stärkere Förderung der Verwendung von Reservewährungen, sondern auch (wenn nicht vor allem) durch Schaffung eines neuen „Weltgeldes“. Bekannt ist der Vorschlag des ehemaligen französischen Ministers Giscard d' Estaing (Collective Reserve Unit: CRU).

4. Die Abwertung des Goldes wird in der letzten Zeit durch eine offenkundige Entmaterialisierung gefördert. Wenn man Gold überhaupt noch zu Zahlungszwecken verwendet (zum Beispiel zur Abdeckung von Clearingspitzen), wird es körperlich nicht mehr über lange Strecken befördert, sondern in den zentralen Golddepots lokal transportiert

Segen und Fluch des „Alpendollars“

In den letzten Jahren wird in Abständen eine Rückkehr zum Goldstandard gefordert, vor allem von Seiten französischer Währungspolitiker. Das hieße: Wiederherstellung einer unmittelbaren quantitativen Beziehung zwischen der zirkulierenden Menge an Papiergeld und der Goldmenge, die der jeweiligen Notenbank zur Verfügung steht. Eine bestimmte Menge eines Metalls würde in diesem Fall Volumen und Dynamik der Wirtschaft weitgehend bestimmen und diese zu einer auch von der disponiblen Goldmenge abhängigen Variablen machen.

Österreich war schon einmal das Opfer einer Absolutsetzung der Bedeutung des Goldes im Bereich der Währungspolitik. Eine weitgehend fixierte Korrelation zwischen Geld-und Goldmenge bedeutet Vernachlässigung der wesentlichen Funktion der Währungspolitik, der lediglich dosierten Einflußnahme auf den Konjunkturverlauf und auf diese Weise vor allem auf die Beschäftigungspolitik durch eine den primären Zielvorstellungen der Wirtschaftspolitik konforme Geldmengenpolitik. Das, was in Österreich bis 1938 (und indirekt auch bis 1945) geschehen ist, war weitgehend auch von einer starren geldillusionären Politik bestimmt gewesen, einer Währungs- und Wirtschaftspolitik, welche die Dynamik der wirtschaftlichen Prozesse an ein Metall und seinen ohnedies administrierten Preis gebunden hatte. Angesichts einer Arbeitslosenzahl mit mehr als einer Million, »rüstete man sich noch mit einer Klassifikation des Schillings als „Alpendollar“.

Tatsächlich ist in einer gelenkten Wirtschaft die Geldeinheit ein Zertifikat, dessen Wert vor allem vom Staat bestimmt wird. Die Kaufkraft des Geldes besteht und ändert sich, ohne daß die Menge des Währungsgoldes dabei einen wesentlichen Einfluß ausüben kann.

Die elastische Politik von Notenbank und Finanzministerium in Österreich nach 1945 hat erkennen lassen, daß dem Gold als Deckung zwar eine bedingte, aber keine entscheidende Bedeutung zukommt. Jedenfalls sollte man auch in unserem Land nach den Erfahrungen der Ersten Republik weiterhin davon ausgehen, daß jede Währungspolitik nur dem Ganzen der Volkswirtschaft, aber im Interesse des konkreten Einzelnen in dieser Volkswirtschaft zu dienen hat. Auch wenn dies einmal der Weisheit klassischer Lehrbücher des 19. Jahrhunderts widersprechen sollte.

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