6640845-1957_44_11.jpg
Digital In Arbeit

Wo Uncle Sam knausert

Werbung
Werbung
Werbung

Der Europäer sieht in den Vereinigten Staaten vorzugsweise ein Land des sehr hohen Lebensstandards und der Großverdiener auf allen Gebieten, in dem selbst dem einfachen Arbeiter trotz schmerzhaft hoher Einkommensteuern und anderen Abgaben noch genug zu auskömmlichem Leben und zum Abzahlen von Auto, Kühlschrank oder Fernsehapparat übrig bleibt. Dieses Bild wird durch die vielen Sechswochenreisenden noch rosiger gemalt, die nach absolvierter Studienfahrt über ihre Eindrücke beredt zu berichten wissen. Selten nur sieht der eine oder der andere hinter die Kulissen oder widmet den Lebensverhältnissen des „Stehkragenproletariats", der vielen kleinen Angestellten und Beamten im Bundes-, Staats- oder Gemeindedienst, seine Aufmerksamkeit. Er würde sonst auf ein Kapitel im amerikanischen Leben stoßen, das keineswegs von schönen grünen Dollarscheinen überschüttet ist.

Kurz nach Antritt seines ersten Amtstermins als Präsident führte Franklin D. Roosevelt bittere Klage darüber, wie schwer es sei, selbst in Zeiten der schwersten Depression tüchtige Köpfe und erstklassige Organisatoren in den Dienst Uncle Sams zu ziehen, seien doch die Gehälter alles andere als verlockend. Er berührte damit einen Uebelstand, der trotz aller seither vorgenommenen Gehaltserhöhungen heute noch sehr fühlbar ist Onkel Sam ist als Arbeitgeber nämlich ausgesprochen schofel und gibt mit einer Hand, um mit der anderen zu nehmen. Was er seinen Beamten vom Präsidenten abwärts zahlt, kann mit den in Industrie und Handel üblichen Gehältern keinen Vergleich aushalten. Es sind noch keine sechzig Jahre her, da wurde der Präsident der Vereinigten Staaten mit einem Jahresgehalt von 25.000 Dollar plus der gleichen Summe für Auslagen abgespeist. Damals aber hatte der Dollar eine Kaufkraft von 100 Cents heute etwa 64 Cents und eine Einkommensteuer gab es überhaupt nicht; sie wurde erst 1913 durch einen Verfassungszusatz eingeführt. Heute bezieht Präsident Eisenhower ein Jahresgehalt von 100.000 Dollar plus 50.000 Dollar für Auslagen plus 40.000 Dollar für Reisen und Repräsentation. Unter den Staatsoberhäuptern der Welt rangiert er gehaltsmäßig ziemlich weit rückwärts, unter den Industriekapitänen und den Stahl-, Auto-, Film- und Versicherungsmagnaten aber steht er in der untersten Gruppe der Gehaltsskala. Für die riesige Verantwortung, die besonders heute auf seinen Schultern ruht, wird er nicht entschädigt, denn von den loo.ooo Dollar Gehalt wird ihm laut Einkommensteuertabelle die Summe von 60.480 Dollar abgezwickt. Und um die Ironie voll zu machen, hat er auch von den 50.000 Dollar für Auslagen Einkommensteuer zu bezahlen, nämlich 41.800 Dollar, da das Einkommensteuergesetz bestimmt, daß von der über 100.000 Dollar verbleibenden Summe rund 83 Prozent Steuer zu entrichten sind. Es bleiben dem Präsidenten also 48.020 Dollar pro Jahr Nettoeinkommen. Obendrein ruht noch seine Pension als Fünfsternegeneral auf die Dauer seiner Präsidentschaft, denn Onkel Sam zahlt prinzipiell nicht doppelt. Ein Pensionsanspruch für Expräsidenten besteht nicht, und nur für die Witwen nach Präsidenten bewilligt der Kongreß fallweise eine Pension, die aber nie 5000 Dollar pro Jahr übersteigt..

Dem Vizepräsidenten mit 35.000 Dollar Jahresgehalt und 10.000 Dollar für Auslagen geht es nicht besser, von den 13 Kabinettsmitgliedern mit einem Jahresgehalt von 25.000 Dollar ohne Auslagenzuschuß ganz zu schweigen. Ihnen bleibt durchschnittlich ein Nettoeinkommen von 14.850 Dollar pro Jahr, was ungefähr der Entlohnung eines Betriebsleiters einer mittelgroßen Fabrik gleichkommt. Man versteht also Franklin D. Roosevelts Klage, um so mehr, als die Bundeshauptstadt Washington ein sehr teures Piaster ist und die gesellschaftlichen Verpflichtungen der Kabinettsminister auch nicht gerade gering sind. Relativ am besten sind wahrscheinlich die Richter am obersten Bundesgericht daran, die auf Lebenszeit ernannt werden und ein Jahresgehalt von 35.000 Dollar beziehen. Der Präsident dieses Gerichtshofes, der sogenannte Chefrichter, bekommt sogar 500 Dollar mehr, wahrscheinlich für das Wörtchen „Chef“ vor seinem Amtstitel.

Am wenigsten zu beneiden sind die Mitglieder des Kongresses, die Bundessenatoren und Abgeordneten mit ihren Gehältern von je 22.500 Dollar pro Jahr. Sie alle sind gezwungen, zwei Wohnsitze aufrechtzuerhalten, da der Kongreß fast zwei Drittel des Jahres tagt. Besonders bei den Abgeordneten, die alle zwei Jahre zur Wiederwahl antreten müssen, ist der Dienst am Vaterlande beinahe ein Luxus. Weder sie noch die Senatoren ebenso wie die Kabinettsminister dürfen Nebeneinkommen aus Industrie oder Handel beziehen, es sei denn, sie sind Inhaber oder Teilhaber etwa einer Rechtsanwaltsfirma, selbständige Geschäftsleute oder Farmer. Allerdings bezahlt ihnen Onkel Sam das Sekretariat, in dem oft drei Sekretariatskräfte beschäftigt sind, da die Mitglieder des Kongresses in direktem Kontakt mit ihren Wählern stehen — sie werden einzeln und nicht auf Grund einer Listenwahl gewählt. Die Herren im Kongreß sind also stets darauf aus, als Festredner, Vortragsreisende oder Schriftsteller ihr Nettoeinkommen von 13.83 5 Dollar zu erhöhen. Auch ihnen bleibt es nach altbewährter Methode nicht erspart, ihren respektablen Obulus in die Parteikassen zu entrichten, ihre Kampagnen alle zwei Jahre die Senatoren alle sechs Jahre zu finanzieren und im übrigqn zu sehen, wie sie finanziell durchkommen. Den Wähler interessiert das nicht, und er ist nur allzu bereit, seinen Kongreßabgeordneten demnächst durchfallen zu lassen.

An dem Beispiel Uncle Sams haben es auch die 48 Einzelstaaten gelernt, ihre Beamten, von den Gouverneuren angefangen, möglichst karg zu entlohnen. Diejenigen Staaten, die das wie der Staat New York nicht tun, lassen sich an den Fingern einer Hand aufzählen. New York zahlt seinem Gouverneur 50.000 Dollar Jahresgehalt, der Staat Norddäkota aber nur 9000 Dollar. Die Gouverneursgehälter schwanken recht bunt zwischen diesen Beträgen über 10.000 Dollar hinweg bis zu 30.000 Dollar im Staate New Jersey, wozu allerdings noch die Dienstwohnung kommt.

Recht kläglich sind die Abgeordneten und Senatoren der Staatsparlamente, der sogenannten Legislaturen, bedacht, die zum Beispiel im Staate Idaho «ur 10 Dollar plus 5 Dollar Auslagen pro Sitzungstag bekommen, im noblen Staat New York aber immerhin 7500 Dollar pro Jahr einstecken dürfen.

Stadträten der Gemeinden.geh? ts.,micht anders. Während das Oberhaupt-der Riesenstadt New York pro Jahr 40.000 Dollar bezieht, muß der Bürgermeister der Mormonenstadt Sait Lake City, die immerhin an die 190.000 Einwohner hat, mit 6000 Dollar sein Auslangen finden.

Daß sich die Monatsgehälter der Offiziere der amerikanischen Streitkräfte diesem allgemeinen Schema anpassen, ist nach dem Gesagten nicht weiter verwunderlich. Sie waren niemals sonderlich gut gestellt, und das erklärt auch den relativ hohen Abgang aus den unteren Chargen, die, technisch ausgezeichnet ausgebildet, mühelos in der Industrie ein Unterkommen finden, das ihnen neben einem freieren Privatleben oft das drei- und vierfache Jahreseinkommen bietet. Der Oberst, der ein Monatseinkommen von rund 1000 Dollar bezieht, sofern er nicht in Uebersee stationiert und damit höher eingestuft ist, hat 2640 Dollar jährlich Einkommensteuer zu zahlen. Der Glanz der Uniform und die auch in einer Demokratie sozusagen gehobene soziale Stellung sind jedoch nur ein schwacher Ersatz für die fehlenden Geldmittel. Amerikanische Offiziere, die in Europa dienen und die Vorteile der Geldwechselrate und der PX-Läden genießen, sind zumeist in der Lage, einen Spargroschen zu sammeln. Leider aber scheinen auch hier den Letzten die sprichwörtlichen Hunde zu beißen. Der gewöhnliche Soldat, dessen Monatssold 8 5.80 Dollar beträgt, hat nach dem unbarmherzigen Prinzip der Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz zwanzig Prozent an Einkommensteuer zu entrichten. Er zahlt nur dann keine, wenn er sich in der Kampfzone befindet. Die Beiträge für die Sozialversicherung werden ihm jedoch so oder so abgezogen. Mag der private Steuerzahler in den USA wie anderswo auch nicht immer sehr gewissenhaft bei seinen Steuerzahlungen sein, von seinen Dienern entwischt Uncle Sam keiner, denn bei einem Aktivstand von rund drei Millionen in den Streitkräften und bei 2,3 89.470 Zivildienstbeamten läßt sich ein recht nettes Sümmchen an Steuergeldern einstreichen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung