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Im Fieber des Goldrausches
Ein fiebriger Rausch durchschüt- telt die freie Welt und scheint sie in eine Krise zu stürzen, die nur mit dem Heraufkommen der großen Wirtschaftskrise im Jahre 1929 verglichen werden kann. Ein Goldrausch scheint diie freie Welt erfaßt zu haben.
Die Ursachen dieser Krise sind leicht aufzudecken. Den Anfang machte Europas politisches „Enfant terrible“, General de Gaulle, als er plötzlich alle Dollarreserven Frankreichs in Gold umwandeln ließ. Dies war der erste Stoß, den der Dollar erhielt. Denn jeder Laie konnte sich sagen, daß Frankreich, dieses klassische Land des Kapitalismus, der sicheren Währung, nicht mehr viel von der Stabilität des Dollars halte. Kurz darauf versetzte General de Gaulle dem Dollar den zweiten Stoß, als er aus dem Gold-Pool austrat. Der Gold-Pool ist die Vereinigung jener Länder der freien Welt, die ihre Währung durch Gold gedeckt haben und sich außerdem verpflichteten, ihre Goldwährungen gegenseitig zu stützen. Da diese Länder praktisch alles Gold der freien Welt besitzen, konnten sie auch den Goldpreis festlegen. Er beträgt bis jetzt 35 Dollar pro Feinunze. Als General de Gaulle mit Frankreich aus dem Gold-Pool austrat, deklarierte er damit, daß er den Dollar nicht mit Frankreichs Goldreserven zu stützen gedenke.
Den dritten Stoß gegen den Dollar führte die Pfundabwertung der britischen Regierung im Spätherbst des Jahres 1967. Großbritanniens Handel war immer mehr zurückgegangen, das Land produzierte zu teuer, hauptsächlich infolge der hohen Löhne und Sozialleistungen. Die durchgeführte Abwertung sollte dem Export Großbritanniens wieder auf die Beine helfen. Aber die Abwertung betrug nur 20 Prozent und erwies sich als zu gering, so daß sehr bald schon von einer neuen Abwertung im Umfang von 15 Prozent ge- munkelt wurde. Als die Pfundabwertung bekannt wurde, begann die Öffentlichkeit zum erstenmal hysterisch zu werden. Wie immer in solchen Zeiten begannen Angstkäufe, und wie immer stürzten sich solche Angstkäufe in erster Linie auf den Goldsektor. Dieser Vorgang verursachte eine nicht unerhebliche Stok- kung im kaufmännischen Leben, denn viele Gelder, die ansonst für andere Konsumgüter ausgegeben worden wären, waren nun plötzlich in Gold eingefroren.
Als die Pfundabwertung bekannt wurde, tauchten auch schon die ersten Gerüchte auf, daß in Kürze auch der Dollar abgewertet werden müsse. Eingeweihte Kreise prophezeiten die Krise für März oder Anfang April, und tatsächlich trat sie jetzt zu diesem Zeitpunkt ein.
Denn den größten Stoß erhielt der Dollar von den USA direkt. Die Zahlungsbilanz der Vereinigten Staaten ist schwer passiv und die eigentliche Quelle der ganzen Misere. Die politischen und wirtschaftlichen Engagements in der Welt kosten den USA enorme Summen. So glaubten zum Beispiel die USA eine eigene amerikanische Industrie innerhalb der EWG-Länder aiufbauen zu müssen, um die Konkurrenz dieser Länder einmal überstehen zu können. Der Vietnamikrieg verschlingt gigantische Summen — ungefähr drei Mil liarden Schilling pro Tag! Solche Aderlässe kann natürlich die beste Währung nicht aushalten, gegen die außerdem noch von außen Mißtrauen gesät wird. Weg vom Dollar, war plötzlich die Parole, und hin zum Gold. Der Goldrausch begann, und Goethes Wort „Am Golde hängt, zum Golde drängt doch alles“ hat wieder einmal seine Wahrheit bewiesen.
Der Ausweg, der aus der Krisie gefunden wurde, war ein österreichisches Kompromiß: Die Gold-Pool- Länder beharren bei einem offiziellen Preis von 35 Dollar pro Feinunze und lassen gleichzeitig einen freien Markt zu. Da es in ihrer Hand liegt, den freien Verkauf des Goldes zu unterbinden, wird langsam der Preis am freien Markt zurücksinken und sich dem offiziellen angleichen. Den Goldpreis zu erhöhen wäre einer Abwertung des Dollars gleichgekommen, und dies hätte sich Johnson so knapp vor seiner Wahl nicht leisten können. Parallel dazu wird Amerika sicherlich ein gigantisches Sparprogramm durchführen und neue Steuern einheben. Auch dadurch wird sich der Wert des Dollars heben und der freie Goldpreis sinken.
Das Fieber wird langsam zurückgehen und die freie Welt sich fühlen wie jemand, der einen Rausch durchgemacht hat. Sie wird etwas Kopfweh haben, etwas Magendrük- ken, und sich sagen: Habe ich dies denn notwendig gehabt? Denn hätte die freie Welt seit langem etwas mehr gespart und nicht über ihren Standard gelebt, dann hätte sie wahrscheinlich diesen Rausch nicht durchkosten müssen.
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