6773226-1969_11_09.jpg
Digital In Arbeit

Muttermilch der Politik

19451960198020002020

Die Frage nach der sauberen und angemessenen Finanzierung von Wahlkämpfen ist noch immer eines der größten unter den bisher nicht gelösten Problemen der amerikanischen Demokratie“, schrieb kürzlich das „TIME“-Magazin. Obgleich der Führer der Demokraten in Kalifornien feststellte: „Geld ist die Muttermilch der Politik“, beteiligen sich dennoch weniger als zehn Prozent der wahlberechtigten Amerikaner an der Finanzierung von Wahlkämpfen.Der größte Teil der politischen Gelder kommt in großen Summen von einem winzig kleinen Teil der Bevölkerung. Im allgemeinen aber sieht man ein zusätzliches — nicht in der Verfassung vorgesehenes — Erfordernis für die Wahlkämpfe in USA heranwachsen: Ein Kandidat muß entweder selbst sehr reich sein oder sehr reiche Freunde haben oder das Risiko auf sich nehmen, von reichen Förderern abhängig zu werden.

19451960198020002020

Die Frage nach der sauberen und angemessenen Finanzierung von Wahlkämpfen ist noch immer eines der größten unter den bisher nicht gelösten Problemen der amerikanischen Demokratie“, schrieb kürzlich das „TIME“-Magazin. Obgleich der Führer der Demokraten in Kalifornien feststellte: „Geld ist die Muttermilch der Politik“, beteiligen sich dennoch weniger als zehn Prozent der wahlberechtigten Amerikaner an der Finanzierung von Wahlkämpfen.Der größte Teil der politischen Gelder kommt in großen Summen von einem winzig kleinen Teil der Bevölkerung. Im allgemeinen aber sieht man ein zusätzliches — nicht in der Verfassung vorgesehenes — Erfordernis für die Wahlkämpfe in USA heranwachsen: Ein Kandidat muß entweder selbst sehr reich sein oder sehr reiche Freunde haben oder das Risiko auf sich nehmen, von reichen Förderern abhängig zu werden.

Werbung
Werbung
Werbung

Im Jahr 1848 hat Lincoln mit umgerechnet 5000 Schilling seinen Wahlkampf als Senator finanziert, 1860 gewann er den Präsidentschaftskampf mit einem Aufwand von 2,500.000 Schilling. 1960 legte John Kennedy 75.000 km während des Wahlkampfes zurück und hielt mehr als 400 Ansprachen in einer Kampagne, die seine Partei an die 300 Millionen Schilling kostete, ohne daß dabei seine eigenen Aufwendungen berücksichtigt wären. Die Gesamtkosten des Präsidentschaftswahlkampfes 1964 betrugen 1300 Millionen Schilling, doppelt soviel wie die Aufwendungen des Jahres 1952. 1966 wendeten sowohl Reagan in Kalifornien wie Rockefeiler in New York für den Gouverneurswahlkampf (Landtagswahlen) je mehr als 125 Millionen Schilling auf. Die Wahlkampfkosten für einen Sitz im Horns of Representaitiveg betragen heute mindestens 26,500.000 Schilling, die für einen Sitz im Senat das Drei-bis Vierfache davon. Die Wahlkampfkosten für den Bürgermeister von Springneid (165.000 Einwohner) betrugen mehr als 1,000.000 Schilling, die für den Bürgermeister von New York rund 55,000.000Schilling. gntrffej Alle diesig. Zahlen .beruhen; übpsrfert gend auf — sicher zu niedrigen — freiwilligen Angaben. Die Citizens' Research Foundation berechnet jedoch die echten Gesamtkosten von Präsidentschaftswahlkämpfen viel höher, und zwar mit 3,65 Milliarden Schilling für 1952 und 5,2 Milliarden Schilling für 1964. Eine andere Schätzung für 1964 nennt 10 Milliarden Schilling. Für 1968 sind noch nicht alle Kosten errechnet: Nixon dürfte aber etwa genausoviel ausgegeben halben wie alle republikanischen Kandidaten seit 1945 zusammengenommen.

An der Spitze aller Ausgaben stehen die Kosten für die Werbesendungen im Fernsehen, die seit den Wahlkampf entscheidenden Debatte zwischen Kennedy und Nixon im Jahre 1960 stark gestiegen sind und weiter steigen. Sie lagen zusammen mit den Hörfunkkasten Im Präsidentschaftswahlkampf 1964 bei rund 800 Millionen Schilling. Nach dem Gutachten aller Experten werden immer mehr die ganz kurzen „Spots“ (zehn big 20 Sekunden) und die elektronischen Ankündigungen bevorzugt, die durch ihre Häufigkeit natürlich teurer kommen als lange Sendungen. Zwei Drittel aller Wahlwerbungskosten im Fernsehen werden für Spots ausgegeben. Die Fachleute würden heute eher 10 Millionen Schilling für 90 Spots zu je 20 Sekunden in Lokalsendern (also insgesamt eine halbe Stunde) ausgeben als 250.000 Schilling für eine geschlossene halbe Stunde, in der eine Ansprache eines Politikers gesendet wird. Allgemein herrscht die Uberzeugung vor, daß nur sowieso schon gewonnene Wähler bereit sind, Ansprachen von Politikern anzuhören. Auch politische Debatten sind bereits verdächtig. Ferner ist bei dem Persönlichkeitswahlkampf in USA zu berücksichtigen, daß viel Geld in der Fernsehwerbung dadurch verlorengeht, daß die Programme in Gegenden gesendet werden, die für den einzelnen Kandidaten uninteressant sind, weil die Sendebereiche weit über den Wahlkreis hinausgehen. Durch die hohen Papier-, Druckund Manipulationskosten, aber auch durch die Erhöhung der Postgebühren, wird die Wahlwerbung mittels Briefen immer teurer. Ein Brief an alle Wähler in Kalifornien oder eine einfache Postwurfsendung in diesem Staat kostet heute zirka 18 Millionen Schilling. Dennoch fühlt sich jeder Kandidat verpflichtet, die Wahlbriefe seines Gegners mit eigenen zu beantworten.

Die politische Werbung mit Abziehbildern für Autostoßstangen hat ungeheure Ausmaße angenommen. Im letzten Wahlkampf gab es mehr als 25 Millionen Stück solcher Abziehbilder.

In den USA gibt es verschiedene Gesetze zur Regelung der Finanzierung politischer Wahlkämpfe. So ist zum Beispiel Banken, Gesellschaften, Gewerkschaften und Kontrahenten der Regierung die Finanzierung von Wahlkämpfen von Bundeskandidaten verboten. Der einzelne Bürger darf pro Jahr keinem Kandidaten und keiner Partei mehr als 125.000 Schilling zuwenden. Kein politisches Komitee und keine Partei darf pro Jahr mehr als 75 Millionen Schilling aufbringen oder ausgeben. Spenden für politische Werbung, die 2500 Schilling überschreiten, müssen bekanntgegeben werden. Nach jeder Wahl müssen alle Einnahmen und Ausgaben für politische Wahlkämpfe (mit Ausnahme des Präsidenten und Vizepräsidenten) von den Kandidaten bekanntgegeben werden. In Wirklichkeit wird keine dieser sehr streng klingenden Bestimmungen heute mehr eingehalten, beziehungsweise werden sie alle mit stillschweigender Zustimmung aller umgangen.Seit einigen Jahren, besonders seit Präsident Kennedy, wurden verschiedene Gesetzesentwürfe für die Neuordnung der Finanzierung der Wahlkämpfe ausgearbeitet. Die politische Laufbahn über den politischen Wahlkampf soll wieder für alle möglich werden. Kleine Spenden und Beiträge sollen erleichtert und verbreitert werden, öffentliche Mittel sollen ausgleichend wirken. Das Parlament hat bisher alle diese Entwürfe unberücksichtigt gelassen. Es geht dabei vor allem darum, kleine Beiträge zur Finanzierung der Wahlkämpfe steuerfrei zu machen, beziehungsweise freiwillige kleine und kleinste Zuwendungen mit möglichst vielen der jeweiligen Steuererklärung zu verbinden. Da und dort gibt es bereits auf freiwilliger Basis Beiträge in Form von Gehaltsabzügen. Und diese Beiträge kommen natürlich beiden großen Parteien zugute.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung