Reisetasche - © Foto: iStock/DonNichols (Bildbearbeitung: Rainer Messerklinger)

Ibiza-Skandal: „Wir sind nicht so“

19451960198020002020

Korruption kostet Geld, senkt Effizienz, schreckt Investoren ab und mindert Wachstum. Und trotzdem scheint sie unausrottbar. Über ein schwer zu fassendes Übel.

19451960198020002020

Korruption kostet Geld, senkt Effizienz, schreckt Investoren ab und mindert Wachstum. Und trotzdem scheint sie unausrottbar. Über ein schwer zu fassendes Übel.

Werbung
Werbung
Werbung

Das hat der Bundespräsident zu Ibiza gesagt. Es war eine freundliche Äußerung. Ob sie stimmt, ist nicht so sicher. Denn Korruption ist weltweit der Normalfall. Empirisch und historisch gesehen ist Korruption beinahe eine anthropologische Tatsache: Wenn man zulangen kann, dann langt man zu. Wer in eine Entscheidungsposition gerät, der kann seine Macht zum eigenen Vorteil gebrauchen. Nur ein kleiner Teil der Staaten auf der Welt hat es geschafft, Korruption weitgehend aus dem öffentlichen Leben zu verbannen.

Doch die Versuchung stirbt nicht aus. Es bedarf auch in demokratisch-rechtsstaatlichen Verhältnissen des andauernden Kampfes, der Kontrolle, der Nachforschung, der Aufdeckung. Oder eines Videos. Korruption wird gerne als Schimpfwort verwendet: Alles, was einem nicht passt, ist korrupt: eine verlotterte Politik, inkompetente Entscheidungen, unkorrekte Begünstigungen, Bestechung, Unterschlagung, Betrug, Günstlingswirtschaft, Lügen, Parteispenden. Das vernebelt alles. Schnell stehen – erst recht in einer Empörungsgesellschaft – alle Menschen und Institutionen unter Pauschalverdacht. Im Zweifelsfall schuldig; das hat nichts mit Rechtsstaatlichkeit zu tun.

Es empfiehlt sich, den Begriff der Korruption strenger zu fassen. Der harte Kern ist der folgende: Es handelt sich um den Missbrauch von anvertrauter Macht zum privaten Vorteil. A und B begünstigen einander zu Lasten eines Dritten. Person A hat Entscheidungsbefugnis über wertvolle Ressourcen (Geld, Auftragsvergabe, Bewilligung, Zugang), also über einen Bereich C. Person B gibt an A (finanzielle, materielle, sexuelle, andere) Vorteile, damit die Entscheidung von A zu ihren Gunsten ausfällt. Zufällig stolpere ich über eine Erzählung aus der Ukraine: A ist ein Arzt. B braucht eine Operation. Der Arzt bestimmt über C, nämlich das Krankenbett und die medizinische Leistung. A streckt zwei Finger in die Höhe, was bedeutet: 200 Dollar für ihn. Sonst kannst du gleich wieder gehen.

Amt und Haftbarkeit

Dass der Bestochene die Macht haben muss, Vorteile zu gewähren oder zu versagen, hat auch das Ibiza-Ereignis von Strafbarkeit befreit: Wer ein Amt nicht ausübt, der hat (noch) keine Entscheidungsgewalt. Er kann fantasieren und räsonieren, wie er will, so wie jeder Bürger am Stammtisch, der sich dadurch nicht strafbar macht. Aktuell ist das Vorhaben, Kandidaten für ein politisches Amt in die Strafbarkeit einzubeziehen. Sie könnten ja vorher kassieren und nachher die Gegenleistung erbringen. (Schwierig ist: vorher Leistung, nach dem Amt die Belohnung.) Auch Mandatskauf soll strafbar werden: Eine Person verfügt über die Listenplätze auf einer Wahlliste und lässt sich von Aspirantinnen und Aspiranten bezahlen. (Die Parteisteuer, die erst nach gewonnener Wahl zu zahlen ist, fällt nicht unter solche Tatbestände.)

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung