Im Licht der Öffentlichkeit

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Die Angst der TopmanagerInnen vor der Marktwirtschaft.

Kaum wird im Zuge der lange überfälligen Kapitalismusdebatte von politischer Seite die Forderung nach Offenlegung der Management-Gehälter und nach verbindlichen Sozialbilanzen für Großunternehmen erhoben, folgt postwendend der Aufschrei aus manchen Wirtschaftskreisen: Das sei kontraproduktiv, weil die Begehrlichkeiten der "ärmeren" ManagerInnen bloß steigen würden, könnte unsere schöne Leistungsgesellschaft zur Neidgesellschaft degradieren und sei überhaupt eine Reminiszenz des real gescheiterten Sozialismus.

Schwere Geschoße auf das Prinzip der Transparenz, das geradezu essenziell für das Funktionieren von fairen Wettbewerbswirtschaften ist!

Die Gehälter derer, die für die Rahmenbedingungen des Wirtschaftens, für Verfassung und Gesetze und den fairen Wettbewerb zuständig sind, sind per Gesetz geregelt. Es darf, es soll, es muss hinterfragt werden dürfen, ob die Abgeordneten, die Klubobleute, der Kanzler, die MinisterInnen und LandesrätInnen fair und leistungsgerecht entlohnt sind oder nicht. Negative Beispiele von Ämterkumulierung, Spesenritterei usw. sind zurecht öffentlich diskutiert, kritisiert und weitgehend abgeschafft worden. Ja, in der Politik! Die steht allzeit am Pranger, hat sich zu rechtfertigen, immerhin geht es um öffentliche Gelder. Stimmt.

Bourgeoise Diskretion

Aber in der so genannten Privatwirtschaft? Da - mit Verlaub - möge doch die monetäre Diskretion der Bourgeoisie am besten grundrechtlich geschützt werden - immerhin betragen diese Gehälter in Einzelfällen wie beim Erste General Treichl ja locker das 50fache vom Jahreseinkommen einer oder eines Abgeordneten!

Tatsächlich geht es aber überhaupt nicht um ähnlich rigide Vorgaben in der Politik, es geht nicht um gesetzliche Schranken bei Gehältern und Nebenleistungen - Privilegien - der ManagerInnen, nein! Es geht lediglich um Offenlegung, um Transparenz, um Fairplay - und zwar hierzulande!

Davon sind wir weit entfernt, denn wenn große Unternehmen schon gelegentlich mit ihrer sozialen Verantwortung punkten wollen, dann kaum mit Beispielen aus unseren Breiten, wo es eh allen gut geht. Nein, sozial trendig ist es, eine Schule im Tropenwald, ein Waisenhaus in einem von Naturkatastrophen verwüsteten Gebiet oder ein Spital in einer von Krieg und Unruhen gezeichneten Gegend dieser Erde zu unterstützen und davon im Geschäftsbericht zu erzählen.

Die Beschäftigungsentwicklung im eigenen Lande im Lichte der Betriebsergebnisse, die Verteilung der Gehälter im Unternehmen, der Abstand zwischen höchsten und niedrigsten Einkommen, die Einkommensverteilung zwischen Frauen und Männern, die Gender-Hierarchie, die Chancen für ganz junge und für ältere ArbeitnehmerInnen, die Weiterbildungsangebote, die Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und ähnlichen Themen, damit soll sich die Unternehmensleitung beschäftigen, der Aufsichtsrat soll kontrollieren; die breite Öffentlichkeit geht das gar nichts an.

Und die VorstandsdirektorInnen des einen Unternehmens sind in den Aufsichtsräten von anderen Unternehmen; eine in sich geschlossene Kontroll-Oligarchie!

Die Entscheidungen, die Unternehmen von volkswirtschaftlicher Bedeutung treffen, sind in ihren Auswirkungen gar nicht so privat: "Freigesetzte" ArbeitnehmerInnen belasten die öffentlichen Haushalte; was Unternehmen an Hilfestellungen für WiedereinsteigerInnen nach Karenzen anbieten, entlastet die öffentlichen Hände; Weiterbildungsmaßnahmen können in den Betrieben oder extern erfolgen. Und selbstverständlich gibt es auch finanzielle Verflechtungen zwischen den öffentlichen Haushalten und Unternehmen, zum Beispiel bei Förderungen für Investitionen, für bestimmte Maßnahmen im Personalbereich (Lehrlinge, ältere ArbeitnehmerInnen) oder im Umweltbereich.

Warum Bund, Länder und Gemeinden nicht wie jede/r rationale InvestorIn bei wirtschaftlichen Kooperationen, im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung der Gebietskörperschaften auch die allgemeine soziale Gebarung potentieller VertragspartnerInnen in die Entscheidung einbeziehen können sollen, ist marktwirtschaftlich nicht erklärbar. (Anm.: Sogar das Vergaberecht lässt in gewissen Rahmen derartige soziale Kriterien als Entscheidungsgrundlage zu!)

Okkulte Manager-Panik

Dass die öffentlichen Hände Unternehmen, die öffentlichen Zielsetzungen (Vollbeschäftigung, Chancengleichheit von Frauen und Männern, Integration benachteiligter Gruppen, Verbesserung des Bildungswesens) konterkarieren, nicht anders behandeln soll als Unternehmen, die eben diese Ziele aktiv unterstützen, ist irrational und nicht marktkonform.

Und gänzlich okkult wird die Panik mancher Top-Manager, wenn's doch bloß um Offenlegung, um wahrheitsgemäße Informationen und überhaupt nicht um irgendwelche Eingriffe geht.

Um es noch deutlicher zu machen: Ich rede nicht von einem Verbot enormer Gehaltsspannen, nicht von einer Verpflichtung zu betrieblichen Sozial- oder Bildungsleistungen. Nur um Transparenz geht's und um ein Ende der Geheimniskrämerei in den obersten Sphären der Gagen.

In Zukunft wird es wohl nicht nur für die angespannten öffentlichen Haushalte, sondern auch für Private immer wichtiger, transparente Grundlagen für das eigene wirtschaftliche Verhalten zu haben.

Geschlossene Gesellschaft

Wer das Licht der Öffentlichkeit scheut wie der Teufel das Weihwasser, wer die Allgemeinheit, die eigenen KundInnen und PartnerInnen zu "Tschapperln" degradiert und lieber in der geschlossenen Gesellschaft der Aufsichtsräte bleibt, leistet der Marktwirtschaft und marktwirtschaftlichen Prinzipien moderner Demokratien einen fatalen Dienst.

Neu ist diese Angst mancher vor der Wahrheit nicht: Als Grün-Politikerin kenne ich die Scheu im Öko-Bereich seit langem. Als ich vor Jahren eine ganze Nacht lang versucht habe, die feige Aufhebung des Tropenholzgesetzes hinauszuzögern, da ging es auch bloß um Kennzeichnung von Tropenhölzern, nicht um Verbote. Während der kurzen Phase der Geltung des Gesetzes hat sich gezeigt: die Kennzeichnung genügt, sie hat gewirkt. Die Leute haben das Tropenholz mehrheitlich abgelehnt und verstärkt Holz aus nachhaltiger Bewirtschaftung nachgefragt.

Oder bei tierischen Lebensmitteln: Es ist einer wachsenden Zahl von KonsumentInnen wichtig, ob die Hühner, Kühe und Schweine glücklich oder unglücklich leben; dennoch dauert das Ringen um die verbindliche Deklaration bei allen Produkten noch an. Die Positivkennzeichnung löblicher Vorzeigeprodukte und -betriebe reicht nicht, weder im Umwelt- noch im Sozialbereich.

Teppiche ohne Kinderarbeit, Bananen, Schokolade und Kaffee aus fairem Handel sind super. Und der Rest? Und wie sieht es aus mit fairen und unfairen Banken? Mit Versicherungen, mit Konzernen? Und was ist fair? Für die eine wird vielleicht der Frauenanteil im Vorstand das wesentliche Entscheidungskriterium sein, für den anderen möglicherweise die Gage und Erfolgsprämie des Generaldirektors, für dritte vielleicht die Zahl der neu geschaffenen oder abgebauten Posten.

Früher haben manche ÖkonomInnen der Umwelt- und Sozialbewegung öfters vorgeworfen, dass sie zu sehr auf Reglementierungen und Normen setze und den freien Markt zu gering schätze. Bitte sehr: Hic Rhodos, hic salta! Legt die Karten auf den Tisch und versteckt sie nicht verschämt im Ärmel oder anderswo! Marktwirtschaft braucht mehr als flotte Werbesprüche, braucht gut informierte MarktteilnehmerInnen.

Warum soll nicht jede / jeder die richtigen GeschäftspartnerInnen nach den eigenen Prioritäten wählen können? Warum soll sich nicht neben die Kapitalismuskritik auch Kapitalismuslob gesellen, wenn soziale Verantwortung konkret und transparent wahrgenommen wird? Die Höhe der Gagen ist ein Aspekt unter vielen. Und die KonsumentInnen sind reif genug, die für ihre Entscheidung relevanten Daten zu bewerten.

Wenn gerade dieser Tage wieder eine riesige Banken-Fusion über die Bühne geht, dann klingt die Begleitmusik fast immer gleich: Zig, wenn nicht tausende Arbeitsplätze müssen weg. Das Management, das diese Maßnahmen durchzieht, wird sich auch diese scheinbar unvermeidbaren Eingriffe im Rahmen der "gestiegenen Verantwortung" wahrscheinlich abgelten lassen. Freilich gibt es keine Erbpachten auf unveränderte Strukturen und Jobs. Aber warum wird nicht erst einmal nachgedacht, ob die vorhandene Arbeit im Unternehmen anders verteilt werden kann, ob sich neue Betätigungsfelder eröffnen lassen, ob vielleicht auch brauchbare Vorschläge von den MitarbeiterInnen kommen. Nein, so sicher wie das Amen im Gebet kommt die Ankündigung von "Freisetzungen" und die Börse honoriert's in aller Regel, der Aktienkurs steigt postwendend. Noch.

Die glücklichen Hühner

Schon gibt es gar nicht so wenige Fonds und AnlegerInnen, denen es nicht egal ist, wie Gewinne zustande kommen und welcher Preis dafür - aus anderen, aus öffentlichen Kassen - bezahlt wurde. Ethische Anlagen sind im Vormarsch; die Kriterien sind sehr unterschiedlich, der soziale Aspekt wird aber immer wichtiger.

So wie die Eier von glücklichen Hühnern dank steigender Nachfrage die größten Supermärkte erobert haben, so könnten die Millionen InhaberInnen von Bankkonten, von Sparbüchern und Beteiligungen an Pensionskassen oder Fonds die so genannten "kleinen Leute" durch ihr Marktverhalten und durch die mediale Debatte darüber den Top-ManagerInnen dabei helfen, sich sozial marktkonform zu verhalten und damit Erfolg zu haben.

Sogar die Bibel lobt diejenigen, die die ihnen anvertrauten, unterschiedlichen "Talente" im Sinne von Geldsummen nutzen und mehren und nicht verstecken; es kommt nur auf das sozial verträgliche Maß an! Die Angst vor dem Weihwasser ist unbegründet - außer es geht darum, etwas zu verbergen!

Die Autorin ist stellvertretende Bundessprecherin der Grünen.

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