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Nach Nairobi: noch weniger Optimismus

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Die Währungskonferenz von Nairobi hat kürzlich drei Ergebnisse gebracht: Die Veröffentlichung eines Rohentwurfes für die künftige Währungsordnung, die Terminfestsetzung (31. Juli 1974), bis zu welchem die Finanzminister den Grundriß einer neuen Weltwährungsordnung entworfen haben wollen, sowie die Schaffung eines inoffiziellen Fünferkomitees.

Der künftigen Diskussion wird in Zukunft ein Dokument zugrunde liegen, das sich nicht nur sehr vorsichtig als „First Outline of Reform“ bezeichnet, sondern auch lediglich ein Papier der Vorsitzenden der „Stellvertretergruppe“ ist. Diese Arbeit bedient sich sehr vager Formulierungen, beschränkt sich häufig auf den kommentarlosen Hinweis auf bloße Vorschläge und zeigt in einigen Fällen Alternativen auf — läßt aber doch den Umiriß einer Weltwährungsordnung erkennen, die sich — sollte sie in dieser Richtung tatsächlich entwickelt werden — von Bretton Woods sehr wesentlich unterscheiden würde. Es ist an sich ein eindrucksvoller Entwurf mit neuen und möglicherweise wirkungsvolleren Wegen zum Ausgleich der Zahlungsbilanzen und zur besseren Kontrolle der internationalen Liquidität. Aber weder das Plenum des Ausschusses noch die großen Fünf haben sich bisher dazu geäußert. Werden die Staaten zu der dazu notwendigen Beschränkung ihrer Souveränität zur Bestimmung der Zusammensetzung ihrer Währungsreserven bereit sein?

Wie ernst ist der Termin des 31. Juli 1974 zu nehmen? Die USA verlangen, daß ihre Zahlungsbilanz vor dem Eingehen neuer Verpflichtungen nicht nur ins Gleichgewicht gebracht wird, sondern auch Aussichten bestehen müssen, daß sie im Gleichgewicht bleibt. Werden die wenigen nächsten Quartalsergebnisse genügen, ihnen diese Sicherheit zu geben?

Die amerikanische Erfindung der Zwanzigergruppe hat sich als organisatorisches Debakel erwiesen: einschließlich der „Associates“ ist es eine Sechzigergruppe und einschließlich der „Advisers“ eine Kommission mit weit mehr als 100 Mitgliedern und daher von Anfang an als meinungsbildendes Forum ungeeignet gewesen. In Nairobi hat sich daher eine inoffizielle Fünfergruppe mit den USA, Großbritannien, Japan, der BRD und Frankreich etabliert, in welcher die Weichen der monetären Willensbildung in Zukunft gestellt werden. Auf diese Ländergruppe entfällt ungefähr die Hälfte des Welthandelsvolumens und rund zwei Drittel der Weltwährungsreserven, so daß sie sich deutlicher aus dem Kreis der übrigen IWF-Mitgliedsländer abhebt als die seinerzeitige Zehnergruppe. Aber auch sie ist nur beschränkt in der Lage, Lösungen durch ihren Konsens zu ermöglichen oder gar vorwegzunehmen; dazu fehlen — als „Noch-ruicht-Mitglied“ des IWF — die Schweiz und vor allem die wegen ihrer rasch steigenden Zahlungsbilanzüberschüsse währungspolitisch immer bedeutsameren ölerzeugenden arabischen Länder. Ihre Devisenreserven, die sich schon bisher rascher vervielfacht haben als die geradezu explodierenden globalen Devisenreserven, werden auf Grund amerikanischer Energieprognosen für die achtziger Jahre in einer Größenordnung erwartet, die in die 50 Milliarden Dol-

lar geht. Sie können längerfristig investiert oder eine neue Quelle „heißer Gelder“ werden.

Nairobi wurde als Nichtereignis — „Non-Event“, wie das „WaEstreet-Journal“ meinte — nicht von allen als tragisch empfunden. Es gibt nicht wenige, die der Meinung sind, die allgemeine Freigabe der Wechselkurse der wichtigsten Währungen diene den Erfordernissen der heutigen Welt relativ gut. Die damit verbundenen Ab- und Aufwertungen beginnen ihre Früchte zu tragen. Die Grundbilanz der USA — das Hauptsorgenkind der Weltwährungsgemeinschaft — zeigt im zweiten Quartal 1973 erstmals seit 1969 einen bescheidenen Überschuß. Spiegelbildlich hatte Japan kürzlich die ersten Defizite.

Der Welthandel expandierte trotz des ungeregelten Floatens kräftig. Die gefüchteten Gefahren sind bislang ausgeblieben, zumal auch manche in Nairobi diskutierten neuen Ideen als für die Weltwirtschaft nicht risikolos betrachtet werden, wie zum Beispiel die Ersetzung des Dollars als Recheneinheit und als Reservewährung durch die sogenannten „Sonderziehungsrechte“.

Die Gefahren einer längeren Unsicherheitsperiode ohne gemeinsame internationale Verpflichtungen sind indes nicht zu übersehen. Die „außenwirtschaftliche Absicherung“

— vor allem Devisenkontrollen verschiedenster Art — wird zum Notwehrakt jeder nationalen Währungsbehörde in einem Nichtsystem, von dem keine Kontrolle der internationalen Liquidität erwartet werden kann, gleichzeitig aber auch zu einem ätzenden weltwirtschaftlichen Desintegrationsfaktor. Die Neigung, eigene Zahlungsbilanzprobleme — oder vielleicht auch wieder einmal Beschäftigungsprobleme — nach dem Muster der zwanziger Jahre durch Restriktionen zu lösen, schwebt wie ein Damoklesschwert über einer Weltwirtschaft, die doch immer noch im Zeichen der dominierenden Freizügigkeit steht. Wie werden die Regierungen auf etwaige Einbrüche in die Weltkonjunktur reagieren? Wie werden die nationalen Währungsbehörden der Inflation Herr werden können, wenn sie

— in vielen Fällen — nicht nur von ihren Regierungen, sondern auch von der internationalen Geldordnung im Stich gelassen werden?

Waren die Aspekte mit dem Ausklang von Nairobi nicht gerade ermutigend, so kann das, was sich seither ereignete, noch weniger als Quelle überschäumenden Optimismus betrachtet werden. Der wiederaufgeflammte Nahostkrieg legt dem für die künftige Währungsordnung notwendigen Akkord neue Steine in den Weg. Wo immer ökonomische Ressourcen für kriegerische Zwecke vergeudet werden, werden zusätzliche inflationistische Impulse gesetzt. Dazu kommt die verstärkte Neigung zur Vorratshaltung und die Steigerung der Frachtraten. Der Krieg ist an sich schon der größte desintegrierende Faktor. Welches Ende er immer nehmen wird, die Fähigkeit der ölländer zur längerfristigen währungspolitischen Kooperation mit der westlichen Welt wird er kaum fördern. — Vieles läßt befürchten, daß der Grad der heute erreichten internationalen Wirtschafts- und Währungsverflechtung der Bereitschaft, daraus die notwendigen Konsequenzen zu ziehen, weit vorausgeeilt ist.

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