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Die Vereinigten Staaten wählen am 4. November ihren nächsten Präsidenten. Der amtierende, George W. Bush, hinterlässt die USA am politischen, finanziellen und moralischen Tiefpunkt. Das ist eine Form-, aber noch keine Systemkrise.

Hätte die Welt, ja hätte lediglich Europa zu entscheiden, das Ergebnis der Präsidentenwahl in den USA am 4. November wäre klar: Barack Obama würde gewinnen und am 20. Jänner 2009 als 44. Präsident der USA angelobt werden. Doch am Wort sind die US-Wähler, die der Meinungsforschung mehr Rätsel aufgeben, als die Demoskopen im Mutterland des Umfragewesens zuzugeben bereit sind. Denn die Wahl findet in einem für die USA und die Welt ein- und erstmaligen Umfeld statt: Die Kraft der Weltmacht Amerika schwindet, der Staat steht vor einem politischen Scherbenhaufen und finanziellen Desaster, aber die Lösungen für die großen Themen des Planeten sind am ehesten mit den USA, vielleicht ohne sie, aber keinesfalls gegen sie möglich.

Die USA aber sind an einem Tiefpunkt angelangt. Präsident George W. Bush hat die Vereinigten Staaten in den Irak-Krieg und damit in das folgenschwerste Abenteuer der jüngeren Zeitgeschichte geführt. Der Krieg kostete 4000 US-Soldaten das Leben, den Staat laut Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz drei Billionen Dollar, von den Opfern im Irak ist da noch gar nicht die Rede.

Moralischer und rechtlicher Niedergang

Mit nahezu allem, was ihren Gründungsmythos so anziehend, so überzeugend machte, haben die Vereinigten Staaten unter George W. Bush gebrochen. Sie wollten sich stets - anders als die alten verhassten Regenten Europas - an das Recht halten, haben dieses aber mit dem Irak-Feldzug gebrochen. Die Menschenrechte sollten geachtet werden, doch das Gefangenenlager Guantánamo und die Ertränkungsfolter bei Verhören spotten diesem Anspruch. Verträge der Staaten sollten zum Nutzen des Handels und der Bürger geschlossen und gehalten werden. Die Wirklichkeit sieht anders aus: Die geltenden Verträge nutzen vor allem der Wirtschaft der USA, und wo sie keinen derartigen Nutzen stiften, sondern sogar eigene Interessen gefährden, werden sie (siehe Klimaschutz) nicht geschlossen oder (siehe internationaler Strafgerichtshof und Minenverbot) umgangen oder ausgehebelt. Wer seine Führung missbraucht, um die eigenen Interessen zu wahren anstatt jene der Schutzbefohlenen, untergräbt deren Legitimität. Die ist tatsächlich verloren, da die Projekte von Bush in seinem Land keine Zustimmung mehr finden und es zudem an Mitteln und Rezepten fehlt, die Krise der Wirtschaft, des Finanzwesens und des Vertrauens zu beheben.

Wirklich beängstigend am gegenwärtigen Zustand des in allem zur Übertreibung neigenden US-amerikanischen Wesens ist, dass es an der sonst bei krassen Fehlern zitierten Korrekturfähigkeit des demokratischen, rechtsstaatlichen Systems mangelt, diese zumindest nicht erkennbar wirksam wird. Keiner vermag den Irak-Krieg zu stoppen, die Wirtschaftskrise zu meistern, die internationale Akzeptanz und Paktfähigkeit der USA wiederherzustellen. So hofft die Welt, die amerikanischen Wähler mögen sich am 4. November für den Wandel entscheiden.

Die Welt braucht die USA, diese den Wandel

Für die spöttische Besserwisserei vor allem linksliberaler Europäer gegenüber den USA besteht indes wenig Anlass. Noch ist kein Politik- und Wirtschaftssystem am Horizont auszumachen, das eine überzeugende Alternative zu jenem der Vereinigten Staaten böte. Also braucht es den Wandel in den USA. Dafür hat sich vor allem der Kandidat der Demokraten, Barack Obama, sachkundig und glaubwürdig empfohlen. Er kann, auch im Unterschied zu den meisten Politikern des alten Kontinents, auf eine kritisch reflektierte Biografie und eine durchdachte politische Programmatik verweisen. Es ist möglich und wahrscheinlich, dass dies und der Vorsprung in den Umfragen für ihn reichen, um die Wahl zu gewinnen. Allerdings: Ausgerechnet im Land der Freiheit und der Toleranz wurde die Hautfarbe Obamas zum Thema, ja zur Bedrohung seines wahrscheinlichen Sieges.

Die Welt braucht die USA und die brauchen den Wandel. Zurück zu Recht und Gesetz, Moral und Ethik, zu Verantwortung, zu Maßhalten, zu Nachhaltigkeit. An diesem Wandel führt kein Weg vorbei, egal, wer ihn als Präsident beschreitet.

claus.reitan@furche.at

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