Bush gegen Bush light

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Die Republikaner haben ihren Parteitag nahe an Jahrestag und Ort der 11.-September-Anschläge verlegt. Und sie tun gut damit: Das 9/11-Trauma wird diese US-Wahl entscheiden.

Im US-Präsidentenwahlkampf wird es grob: Nicht nur, dass ein Schaffner das Lautsprechersystem seines Zuges für Propaganda gegen Präsidentschaftskandidat John F. Kerry nutzte - und dafür in den Zwangsurlaub geschickt wurde. Der Herausforderer von Präsident George W. Bush muss sich jetzt auch noch gegen Vorwürfe wehren, er sei gar nicht der Kriegsheld gewesen, als der er sich gerne präsentiert.

"Ich melde mich zum Dienst!" mit diesem militärischen Gruß hat sich Kerry am demokratischen Parteitag präsentiert. Das ist seine Wahlkampfstrategie: Ich bin kein Weichei; ich weiß, was es heißt, im Krieg zu sein; ich kann Amerika schützen, ich bin der erfahrenere Soldat als Drückeberger Bush, der die Beziehungen seines Politikervaters nützte, um nicht einrücken zu müssen. Auf einmal soll das nicht mehr stimmen, behaupten jetzt Veteranen: Kerrys Kriegsverletzungen seien "Rosendornenkratzer" gewesen. Und von den Heldentaten des Präsidentschaftskandidaten bleiben nach Meinung ehemaliger Kerry-Kameraden nur "übertriebene Behauptungen" übrig. Held oder Feigling - was stimmt nun?

Von der Ferne wie von der Nähe: Nirgendwo lässt sich schwerer zwischen Image und Wahrheit unterscheiden als im US-Wahlkampf. Nirgendwo als in Amerika steckt soviel Geld hinter den Kandidaten, wird Politik so stark von Wirtschaft, Werbung, Marketing und Show bestimmt. Und nirgendwo ist es deshalb so mühsam, ein halbwegs authentisches Bild der zur Wahl stehenden Kandidaten zu gewinnen wie in der US-Wahlkampfblase.

Bislang war das auch nicht nötig: Republikaner waren bloß schlechter gekleidete Demokraten und diese waren wiederum nur redegewandter und charmanter als Republikaner. Der amerikanische Literat Gore Vidal schrieb einmal, der US-Präsident sei in Tat und Wahrheit machtlos und werde von den 500 größten amerikanischen Industrieunternehmen kontrolliert. Es sollte deswegen eigentlich keine Rolle spielen, wer im im Oval Office sitzt. In der Zwischenzeit aber habe sich das verändert, korrigiert sich Vidal heute selbst: Und Schuld daran ist das "globale Desaster George W. Bush" - und deswegen muss er weg.

Diese Meinung teilt Gore Vidal mit der überwiegenden Mehrheit aller Menschen außerhalb der USA. "Entweder ihr seid für uns oder gegen uns", lautet das zentrale Motiv der Bush-Präsidentschaft - und die Welt und vor allem Europa darf zwar nicht wählen, aber entschieden hat sich Welt und Europa schon lange: gegen Bush.

Doch trotz dieses weltweiten Rückenwinds ist ein Sieg Kerrys nach wie vor das Produkt eines Wunschdenkens, das allein von Nicht-Amerika gepflegt wird. Denn trotz der aufgedeckten Irak-Lügen, der Kriegsmüdigkeit und des großen Vertrauensverlustes, trotz schlechter Wirtschaftsdaten und hoher Arbeitslosigkeit, trotz der Legion an Anti-Bush-Witzen und des Promi-Feldzugs - von Michael Moore bis Bruce Springsteen - gegen den Präsidenten: beide Kandidaten liegen Kopf an Kopf, und Bush ist im Vorteil.

Erklärbar ist das Phänomen Bush nur mit dem Argument, mit dem seit bald drei Jahren alles was man an und in Amerika nicht mehr versteht, begründet wird: mit dem 11. September. Der Fall der World-Trade-Center-Türme hat George W. Bush zum "commander in chief" seines Landes hinaufgehoben und diese Rolle kann ihm bislang kein wahrer oder falscher Kriegsheld Kerry streitig machen. Deswegen braucht es nicht zu wundern, dass die Republikaner ihren Parteitag um fünf Wochen auf das kommende Wochenende verschoben und erstmals nach New York City verlegt haben. Der Bush-Konvent eine Woche vor dem dritten Jahrestag der Anschläge, am Ort der Katstrophe - da braucht man kein republikanischer Wahlkampfmanager sein, um daraus nicht viel emotionales Kapital schlagen zu können.

Uns Europäern wird gerne vorgeworfen, wir hätten die Auswirkungen des 11. Septembers auf die US-Seele nie wirklich begriffen. Das mag stimmen. Bedeutender ist aber, dass die Amerikaner den 11. September noch keineswegs verarbeitet haben. Und allein diese 9/11-Emotionen werden letztlich die Wahl entscheiden - für Bush oder für Kerry, der aber deswegen maximal ein Bush light sein darf.

wolfgang.machreich@furche.at

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