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Demokraten und Demoskopen

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Der Propagandarummel, der von den Kongressen der beiden politischen Parteien der USA ausgeht, läßt auch ihre Wahlchancen an- sohwellen. Erst ging es den Republikanern so, jetzt den Demokraten. Außerdem verfehlt die Tatsache, daß Lyndon Johnson seine Partei souverän ln der Hand hatte, ihren Eindruck nicht; wie als ob dasselbe, unter schwierigeren Umständen, nicht auch auf Barry Goldwater zuträfe.

Tatsächlich ist es noch nicht vor- gekommen, daß jemand, dem nur der Tod die Türen des Weißen Hauses geöffnet hatte, seine Partei so fest im Griff hat wie der Mann aus Texas. Es ist begreiflich, daß diese Leistung den Glauben an sein Unbesiegbarkeit nährt. Es kommt hinzu, daß Johnsons Herrschaft gefestigter ist als die Gold- waters. Der Abfall südlicher Reaktionäre von dem einem und nördlicher Liberaler von dem anderen mag sich gleich bleiben. Aber wenigstens vorläufig schaut es so aus, als ob die Unzufriedenheit unter dem republikanischen Fußvolk größer ist als unter dem demokratischen.

Man denke nur an den Erdrutschsieg Gouverneur Romneys von Michigan über einen Goldwater- Anhänger. Anderseits deutet die beträchtliche Niederlage des einzigen nördlichen demokratischen Kongreßabgeordneten, der gegen das Bürgerrechtsgesetz stimmte, in den Vorwahlen darauf hin, daß der sogenannte „white backlash“ (der Protest der Weißen gegen die

Emanzipation der Neger) schwächer ist als der „frontlash“ (der Protest der Republikaner gegen Goldwater). Präsident Johnson, der den letzteren Ausdruck geprägt hat, meint, daß 33 Prozent der Republikaner nicht für ihren Kandidaten stimmen werden. Das mag jedoch in zwei Monaten wieder anders aussehen.

Vom Epigonen zum Selbstherrscher

Die Wahlaussichten schwanken.

Eines aber steht fest. Aus dem Epigonen Kennedys ist ein Selbstherrscher geworden. Die Gründe dafür liegen hauptsächlich bei ihm selbst. Johnson ist einer jener wenigen echten starken Männer. Er ist ein Nachfahre der Pioniere, im Guten wie im Schlechten, die den amerikanischen Westen zu dem gemacht haben, was er ist. Vor allem aber hat er einen Sinn für Politik, der ihn auf diesem Gebiet zu einem Genie macht.

Der gemeuchelte Präsident war von der Vorstellung einer besseren Welt erfüllt, deren Verwirklichung er von einem in hergebrachten Gedankengängen festgefahrenen Kongreß zu erzwingen suchte. Daraus resultierte ein Zwist zwischen der Legislative und der Exekutive, der das politische Leben der Nation lähmte. Somit übernahm Lyndon Johnson eine schwierige Erbschaft

Er schwankte aber nicht einen Moment, führte die Zügel der Regierung von Anfang an mit Festigkeit Es gelang ihm sehr bald, die Zusammenarbeit zwischen Regierung und Kongreß wiederherzustellen. Er brachte es fertig, die Suhstanz der Bürgerrechtsvorlage zu retten. Er war der erste Präsident, der Abstriche an der Auslandshilfe verhindern konnte. Er krönte die neun Monate der Interims-Periode mit seinem eigenen Werk, dem Gesetz zur Behebung der Armut.

Das Volk erkennt diese Leistung an. Eine kürzliche Meinungsumfrage ergab, daß ein wesentlich höherer Prozentsatz der Befragten Johnson Kredit für die wirtschaftliche Lage, die Beeinflussung des Kongresses, die Behandlung der Rassenfrage und andere Maßnahmen gibt als Kennedy kurz vor seinem Tode gegeben wurde. Jedoch zeigt sich der Wankelmut des Volkes, wenn 74 Prozent Johnson dafür loben, wie er mit Chruschtschow fertig wird, gegenüber nur 66 Prozent für Kennedy. Schließlich mußte Johnson bisher sich nicht mit Chruschtschow konfrontieren.

Mehr respektiert als geliebt

Starke Männer sind zwangsläufig bis zur Verschlagenheit geschickt manchmal brutal, erscheinen nicht immer prinzipienfest. Sie wissen, wie man die Massen behandeln muß. Johnsons raffinierte Ausnützung der Fernsehübertragungen des Parteitage imponierte den abgebrühten Manipulanten der öffentlichen Meinung. Trotzdem werden solche Männer mehr respektiert als geliebt Im Gegensatz zu Kennedy und auch Goldwater kann er nicht den bedingungslosen Einsatz seiner Untergebenen hervorrufen. Dazu ist er zu rücksichtslos. Beiwörter wie Richelieu und Rasputin sind für das Verhältnis des Volkes zu ihm bezeichnend.

Johnsons Achillesferse

Korruption scheint ihn nicht zu entrüsten, solange sie seinen Zwecken dient. Damit bietet er seinen Gegnern eine beträchtliche Angriffsfläche. Es fällt den Republikanern leicht die Bobby-Baker- Affäre nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Soeben erst wurde ein Bauunternehmer, der später Botschafter in Dublin wurde, beschuldigt, im Wahlkampf von 1960 der Demokratischen Partei 35.000 Dollar gespendet zu haben. Damit wäre das Gesetz, das solche Spenden auf 5000 Dollar begrenzt, verletzt worden.

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