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LYNDON B. JOHNSON /STERN AUS TEXAS

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In der heißen, lärmdurchtosten Sporthalle von Los Angeles, wo der demokratische Parteikonvent stattfand, griff, so sahen es die Fernseher, der baumlange Senator Johnson mit der Rechten immer wieder an die Stelle, wo das Herz sitzt. Bs sei wieder alles o. k., beteuerte er und zeigte jedem, der es wünschte, sein letztes EKG, das er in der Tasche trug. Ein Infarkt hatte den scheinbar kerngesunden Texaner 1955 niedergeworfen. Auch in der angesehenen „Time“ stand ein ausführlicher Bericht über Johnsons Gesundheit, wie auch über die seines Rivalen Kennedy. Dieser überholte ihn mit einer Mehrheit von 761 Stimmen und wurde Präsidentschaftskandidat. Sein S2jähriger Rivale aus Texas wurde für das Amt des Vizepräsidenten nominiert. Er hatte auch seine anderen Krankheiten nicht verschwiegen: ein quälendes Bronchialleiden und eine überstandene Lungenentzündung. Der US-Wähler will seine Leute auch „inwendig“ kennen.

Der gern das texanische Rauhbein Hervorkehrende, der sich als braver Familienvater auf der Farm gern im landesüblichen Kostüm zeigt, hat sich mit Härte und Bauernschläue emporgearbeitet. Sechs Generationen waren die Johnsons, von denen einer ein Städtegründer ist, Pioniere gewesen. Lyndon ererbte waches Mißtrauen und Wette-fühlig-keit, wurde aber zunächst Lehrer. Um das Kollegiengeld zu verdienen, arbeitete er als Ofenheizer; dann unterrichtete er in Houston und wurde gewahr, daß Lehrer schlecht bezahlt werden. Er wechselte in die Politik über, behielt aber den väterlich-überzeugenden Ton bei, den er erfolgreich einzusetzen versteht, Roosevelt wurde 1932 auf ihn aufmerksam, als er Sekretär des Abgeordneten Kleborg war. Bei einer Nachwahl zog er dann 1937 ins Repräsentantenhaus. Dort nahm er sein Mandat zehn Jahre lang wahr. Drei Tage nach Pearl Harbour zog er die Marineuniform an, wie auch Kennedy und Nixon. Erst als Fregattenkapitän legte er sie wieder ab und eroberte 1948 mit knappem Vor-sprung einen Senatssitz. Er blies wiederholt ins nationale Horn und nützte seine maritimen Kenntnisse, um für die Marine vom Etatkuchen schöne Stücke zu beanspruchen. Als Mehrheitsführer im US-Senat tst er eine Schlüsselfigur und weiß das. Johnson hat einen politischen „Riecher“. Mit ein paar geflüsterten Worfew oder mit einem freundlichen „Unterhaken“ beim Aufundab-gehen im Gang versteht er es, geräuschlose Politik zu machen. Ein manchmal bescheidenes Garn, aber immer meisterhaft gesponnen. „Konstruktiver Kompromiß“ ist seine politische Devise. Darin liegt seiner Ansicht nach die Weisheit des parlamentarischen Spiels, dessen intime Regeln und dessen Imponderabilien er kennt. Er ist nicht der klügste Senator, auch kein blendender Redner, aber er hat von allem gerade etwas, so meint Senator Knowland von ihm.

Das eigentliche Geheimnis dieses Texaners besteht in der Kombination von weitblickender Vorausaktion und zielstrebiger Kleinarbeit. Ein politischer Frühaufsteher, der sich nie zufriedengab, die Dinge an sich herankommen zu lassen, ist er in der Lage, ihren Ablauf in die gewünschten Bahnen zu lenken, eine Krise kommen zu sehen, bei ihrem Ausbruch ein fertiges Stück Papier aus der Tasche zu ziehen und dem Verlauf einer Abstimmung in der Haltung des Mannes zuzusehen, der seine Karten schon geordnet in den Händen hält, während die anderen noch mischen. Er ist sein eigener Gallup-, was ihm fehlt, ist eigentliche Popularität, und was ihm da und dort am meisten schadet, ist seine texanische Herkunft, weshalb er auch die Liberalen in der eigenen Partei abstößt. Denn der Süden ist noch immer ein gewisses Thema, auch jetzt, hundert Jahre nach dem Ausbruch des Bürgerkrieges.

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