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LYNDON B. JOHNSON RESERVE NACH VORN

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Es war eine unheimliche Szene: Unmittelbar nach dem Eintreffen der Nachricht vom Tode John Kennedys leistete der bisherige Vizepräsident seinen Amtseid. Den Beteiligten stand der Schock über das eben Erlebte noch sehr deutlich im Gesicht geschrieben. Lyndon B. Johnson übernahm das schwerste Amt, das die Weltpolitik derzeit zu vergeben hat. Er, der Mann des „rechten Flügels“ — wenn es diese Unterscheidungen, in den Vereinigten Staaten gäbe—.wird mit den inneren Schwierigkeiten wahrscheinlich leichter fertig werden als mit den äußeren, sagte ihm doch Chruschtschow während seiner Amerikareise 1959 ins Gesicht: „Ich habe alle Ihre Reden gelesen und mir hat

nicht eine einzige davon gefallen.“ Kommen also schlechte Zeiten, Zeiten der Krisen, der Kriegsangst? Das ist nicht wahrscheinlich, denn wohl wird die Außenpolitik des neuen Präsidenten einen Weg eingeschlagen, der die zahlreichen Gegner Kennedys versöhnen soll, ebenso gewiß ist aber auch, daß von der vom toten Präsidenten bestimmten Generallinie nicht abgewichen werden wird. Eine Begegnung Johnsons mit dem sowjetischen Ministerpräsidenten, wie sie vom Vorsitzenden des außenpolitischen Ausschusses im amerikanischen Senat, Senator Fulbright, angeregt wurde, wird die Fronten klären.

Lyndon Baines Johnson wurde am 27. August 1908 auf einer Farm in Texas geboren, wo sich seine Vorfahren — typische Pioniere des Wilden Westens — als Baumw oll farmer und Viehzüchter niedergelassen hatten.

Nach Abschluß seiner Ausbildung als Lehrer begann er in einer Schule in der Hafenstadt Houston zu unterrichten, aber bald zeigte sich, daß er für das politische Leben mehr Neigung verspürte als für den Lehrberuf.

Nach zwei Jahren bot sich ihm 1932 plötzlich eine Chance zum Hinüberwechseln in die Politik: ein Kongreßabgeordneter nahm ihn als Sekretär nach Washington mit, wo Johnson drei Jahre in dieser Tätigkeit verbrachte und gleichzeitig Jus an der Georgetown Law School studierte. Zwei Jahre leitete Johnson dann das staatliche Jugendamt, dann wurde er als Nach

folger für den verstorbenen Abgeordneten vorgeschlagen und tatsächlich 1937 in einer Nachwahl im Alter von nur 29 Jahren in das Repräsentantenhaus gewählt. Auch dort bewährte er sich und wurde von seiner Wählerschaft viermal wieder gewählt. Im Kongreß war Lyndon Johnson ein entschlossener Verfechter von Präsident Roosevelts „New Deal“ und gehörte zur sogenannten „Jungen Garde“ des Präsidenten. — Im Krieg diente er eine Zeitlang als Offizier der Marine-Luftwaffe im Südpazifik.

Im Jahre 1948 bewarb sich Johnson um einen Senatssitz, wurde gewählt und kam schon vier Jahre darnach — also noch in seiner ersten sechsjährigen Amtsperiode als Senator — zu der Auszeichnung, von seinen Kollegen zum Führer der Demokratischen Senatsfraktion gewählt zu werden. Obwohl erst 44 Jahre alt, und damals der jüngste Fraktionsführer in der Geschichte des amerikanischen Senats, entledigte sich Johnson dieser schwierigen Aufgabe mit größtem Geschick. Im November 1954 wurde er als Senator wiedergewählt und, nachdem die Demokaten bei diesen Wahlen gleichzeitig die Mehrheit im Kongreß errungen hatten, als Mehrheitsführer im Amt bestätigt.

Inbesonders außenpolitisch setzte sich Johnson stets mit aller Energie für ein einheitliches Vorgehen beider Parteien ein. Seine Einstellung umriß Präsident Johnson erst kürzlich mit folgenden Worten: „Ich bin ein

freier Mann, ein Amerikaner, ein US-Senator und ein Politiker der Demokratischen Partei, und zwar in der angegebenen Reihenfolge.“

Mitte August 1955 erlitt Senator Johnson eine Herzattacke, die ihn für mehrere Monate vom öffentlichen Leben fernhielt, von der er sich aber wieder vollständig erholt hat.

Wenige Tage vor seinem 52. Geburtstag wurde der Senator Lyndon Johnson vom Nominierungskonvent seiner Partei zum Vizepräsidentschaftskandidaten gewählt, nachdem er vorher als Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur die zweitmeisten Stimmen erhalten hatte. Damit trat der erfahrene Politiker erstmals als Wahlwerber vor die gesamte amerikanische Öffentlichkeit, nachdem er in seinem Heimatstaat Texas schon mehrere Wahlen für das amerikanische Abgeordnetenhaus und den Senat gewonnen hatte. Ohne Höhepunkte verlief sein Amt als Vizepräsident. Er stand im Schatten des jüngeren Präsidenten. Bis zu jenem Freitag in Dallas. Heute ist Lyndon Johnson der Mann, auf den sich die Scheinwerfer auf der Bühne der Weltpolitik nun richten. Die zweite Besetzung ist für den Hauptrollenträger nun eingesprungen. Ob der „Neue“ Erfolg haben wird? Die Welt verfolgt jedenfalls gespannt seine ersten Schritte. Präsident Kennedy ist als Soldat gestorben, schrieben viele Leitartikelschreiber. „Reserve nach vorn“, heißt nun der Befehl für Johnson!

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