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McGEORGE BUNDY / LOYALITÄT DES DIENSTES

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Mit McGeorge Bundy schied Ende Februar der letzte Mitarbeiter Präsident Kennedys aus dem Regierungsteam Lyndon B. Johnsons aus. Der „Wachhund des Weißen Hauses in der Außenpolitik”, wie ihn die Journalisten nannten, befand sich während der ganzen Johnson-Administration schon auf dem absteigenden Ast seines Einflusses. Sein nunmehriges Aussteigen aus der Regierungsarbeit und sein Wechsel in die Privatsphäre als Präsident der Ford Foundation mit einem Jahresgehalt von 75.000 Dollar hat nicht mehr sonderlich überrascht. Die Zeiten, als Bundy sozusagen sein „kleines State

Departement” aufgebaut hatte, waren mit der Regierungsübernahme durch Johnson vorüber. Dabei kann man nicht sagen, daß Johnson sich nicht der Ratschläge seines „Sonderberaters für die nationale Sicherheit” bedient hätte, hat er doch während der ersten Tage der Krise um die Dominikanische Republik nicht weniger als 86mäl mit Bundy konferiert. Bundys Hoffnung, Nachfolger Rusks zu werden, hat sich allerdings nicht erfüllt, und so kehrte er der Politik vorläufig den Rücken.

Der heute SechsundvieTzigjäh- rige hat eine glänzende Karriere hinter sich. Er hatte allerdings auch alle Voraussetzungen für diese Karriere mitgebracht, ln Boston als Sproß einer alten Neuenglandfamilie 1919 geboren, war ihm der Weg zu den besten Schulen des Landes offen. Schon die Schulzeit führte ihn mit seinem späteren Boß John F. Kennedy zusammen. Erst 1960 aber nimmt Kennedy wieder zu seinem alten Schulfreund Kontakt auf und beruft ihn, den Republikaner, der schon für Eisenhower gearbeitet hat, zur Vorbereitung seiner Präsidentschaftswahl zu sich. Damals hatte sich Bundy schon einen Namen gemacht. Mit 34 Jahren war er 1953 Dekan der „Arts-and- Science”-Fakultät in Harvard geworden, mit einem Stab von 288 Professoren, mehr als 1000 Angestellten und mehr als 5000 Studenten. Kennedy berief nun als Präsident diesen Mann, ungeachtet seiner republikanischen Herkunft, in sein inoffizielles Kabinett, das unter dem Namen „brain trust” des Präsidenten in aller Welt zum Kennzeichen des neuen amerikanischen Regierungsstils wurde.

Der nationale Sicherheitsrat, dessen Hauptperson Bundy nun wurde, erfuhr unter Kennedy eine enorme Aufwertung, gemessen an seiner Bedeutung unter Eisenhower. Die Erfassung und Koordination aller inneren, militärischen und außenpolitischen Angelegenheiten, die Vorlage von Lösungsvorschlägen bei internationalen Konflikten bildeten nun die Hauptarbeit des früheren Wissenschaftlers Bundy.

„Ich glaube an Heraklit”, ist einer der Aussprüche Bundys, die vielleicht am ehesten einen Einblick in das Wesen dieses sonst eher verschlossenen Menschen gestatten. Dieser „Philosoph der Bewegung” ist sein Leitbild geworden, und die Dinge in Bewegung zu halten, war auch stets das Bemühen Bundys. Wenn er nicht immer Erfolg mit seinen Vorschlägen hatte und auch Mißerfolge hinnehmen mußte, wie in der Kubakrise gleich zu Beginn seiner Tätigkeit und später dann in Vietnam und Santo Domingo, so war er doch immer bestrebt, die Dinge in Gang zu halten, dafür zu sorgen, daß die Türen nicht zufielen.

Seine Mitarbeiter nennen ihn einen Mann des Ausgleichs, einen Gegner jeden Dogmas und jeder Doktrin, der jede Sache nach ihrer Notwendigkeit beurteilt und sich bei seinen Lösungsvorschlägen immer eine gewisse Flexibilität bewahrt. Dabei leitet ihn vor allem die Loyalität zu einer Aufgabe, unabhängig von der Person, der er gerade dient — so sagte ein böses Wort über ihn: „Er hat alles für Kennedy getan, er tut alles für Johnson, aber er würde auch alles für Stalin getan haben” — ein Wort, das ihm sicher Unrecht tut, wenn auch manche seine besondere Art der Loyalität nicht verstehen. Es ist eben nicht die gewöhnliche Loyalität, die man einer bestimmten Person gegenüber hegt, sondern eine Loyalität gegenüber einer Institution, eine Loyalität des Dienstes.

Bundy hat sich bei seinem Ausscheiden aus dem Dienst der Regierung den Weg zurück offen- gehalten — es ist also nicht zu erwarten, daß dieser Mann, der heute in den USA bereits als der Prototyp des Staatsmannes der kommenden Generation gilt, sich endgültig aus der Politik Zurückzieht, vorläufig geht er jedenfalls in Wartestellung. Vor Journalisten sagte er bei seinem Abschied nur: „Der nationale Sicherheitsrat existierte, bevor ich kam, er wird weiter existieren, wenn ich gegangen bin. Aber ob wir unsere Spuren in Wasser, Sand oder Stein begraben haben, kann ich nicht sagen.”

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