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Kronprinz Eisenhowers

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Der auf der Convention der Republikanischen Partei in Chikago als Präsidentschaftskandidat aufgestellte Vizepräsident Richard Nixon, im Jänner 1913 als Sohn aus Irland nach Pennsylvania eingewanderter Quäker geboren, legt allem Anschein nach nicht allzuviel Wert darauf, als Vertreter der Eisen-hower-Politik in den Wahlkampf zu gehen.

Zweifellos hat das „grüne Licht“, das Ike ihm gab, als am Horizont seinerzeit die Figur des New-Yorker Gouverneurs Nelson Rocke-f e 11 e r drohend als Mitprätendent der GOP (Grand Old Party) auftauchte, wesentlich dazu beigetragen, daß die Parteibürokratie sich hinter den jungen, ehrgeizigen Kronprinzen des Generals formierte. Damals hat er in seiner grundsätzlichen Rede, mit der er auf der Nationaltagung die Nomination annahm — eine Rede, die übrigens in ihrer unerwarteten Liberalität und Aufgeschlossenheit auch auf Gegner einen gewissen Eindruck nicht verfehlte! —, sich im Grunde, wenn auch offene Angriffe vermeidend, der skeptischen und teilweise der Eisenhower-Administration gegenüber höchst kritischen Haltung des ihm praktisch die politische Wahlplattform entwerfenden New-Yorker Gouverneurs weitgehend angeschlossen. Er hat keinen Zweifel darüber gelassen, daß die Probleme der sechziger Jahre sich weitgehend von denen des ersten Halbjahrhunderts unterscheiden und mit den zeitgemäßen Erkenntnissen und Mitteln gemeistert werden müßten.

MIT HARTEN BANDAGEN..Nixon will ganz offenbar kein einfacher Siegelbewahrer der Eisenhower-Epoche mehr sein, sondern mit einem jungen Republikanismus den demokratischen „Jungtürken“ um Kennedy Paroli bieten: als Pluspunkt der „Nurjugend“ seines Gegners diesem „Jugend mit praktischer — außenpolitischer — Erfahrung“ gegenüberstellend.

Dick Nixon hat in der Tat politische Erfah-rungeftUie*l&>sne GegH*FWernerf töcht alle freilich positiver Art. Bevor er dem Amt des Vizepresidenten“ in acht]äTingem'“Tri'erift“wirk-lich ein bis dahin nicht vorhandenes Gewicht gab, hat er sich nicht nur in maßloser Demagogie gegenüber Truman, Acheson und Marshall zumindest als Sympathisant McCarthys, wenn nicht als dessen Gefolgsmann, betätigt. Und der berühmte „Fall Hiss“, den er (und nicht ~ McCarthy, wie dieser immer wieder behauptete) zum Auffliegen brachte, hat bis heute bei bedeutenden britischen und amerikanischen Juristen einen Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Belastungsmaterials hinterlassen, brachte aber Nixon den Ruf eines antikommunistischen „getreuen Ekkehard“ der Nation ein.

Zweifellos hat der Vizepräsident seit damals zugelernt. An Stelle der anklagenden Tribunengesten ist die Haltung eines „verantwortlichen jungen Staatsmannes“ getreten. Klug genug, zu sehen, daß die „Diehards“ der Republikanischen Partei beim Wähler Boden verloren haben — die demokratische Mehrheit im Kongreß war mene tekel genug —, hat er in zunehmendem Maße sich zu mehr oder minder „liberalen“ Positionen in wichtigen Fragen bekannt, so in der Zivilrechtsfrage und in gewerkschaftlichen Auseinandersetzungen. (Ihm war die schließliche Beilegung des lange schwärenden Stahlstreiks letzten Endes zu verdanken!) — Dennoch ist schwer zu übersehen, daß diese „Wandlungen“ mehr mit Zweck-mäßigkeitsgründen und mit systematischem Machtstreben zu tun haben, als mit Gesinnung. Beweglicher als Eisenhower, aber ohne dessen ehrliche Simplizität, hat der Vizepräsident es lange Zeit verstanden, zur gleichen Zeit die Politik seines Chefs mit zu vertreten und durchblicken zu lassen, daß er — im Fall seiner Nachfolge — „neue Wege“ einschlagen werde: ein kühler Rechner, geübt im Manipulieren von Ideen und Menschen.

Es war nicht ohne eine gewisse Souveränität, wie Nixon den Parteitag in die Hand nahm, die selbstzufriedenen Plattheiten der mannigfachen Ansprachen aus der „Alten Garde“ in seiner Grundsatzerklärung völlig ignorierte, die Enttäuschung seines konservativen Gefolgsmannes, Senator Goldwater, unbeachtet lassend, sich im offenen Gegensatz zu Eisenhowers Forderung nach Rüstungsbeschränkung und Budgetbalancierung, seiner vorsichtigen Haltung in Fürsorge- und Zivilrechtsfragen für weitgehende Aktivität überall da einsetzte, wo das Weiße Haus bisher Zurückhaltung für notwendig erachtet hatte.

DER POLITICIAN Wenn das Kennedy -Team in zäher, rastloser Vorbereitungsarbeit für den Demokratischen Nationalkongreß diesen fast völlig vor wirklichen Überraschungen abgesichert hatte, so hat Nixon eigenhändig, in plötzlichem Entschluß, sich, über den Kopf der statutenmäßig

Karikatur: Candea dacu eingesetzten Programmkommission seiner J?8fitei.,hjnwe$1mit der Fraktion des Außenseiters -Rockefeller zu verbinden, den Parteitag der Republikaner auf eine neue Basis gestellt. Dazu mit der Wahl eines Praktikers der Außenpolitik, Cabot Lodge, als Kandidaten für die Vizepräsidentschaft, dem „Amateur“ Kennedy neben der innenpolitischen Problematik unmißverständlich die des West-Ost-Konflikts aufzwingend, hat er dem gesamten Wahlkampf in gewisser Hinsicht den Aktionsradius vorgeschrieben.

Der amerikanische Durchschnittswähler hat es mit einem Male nicht leicht, zwischen zwei fast gleich „fortschrittlichen“ sozialen Appellen und zwei gleichfalls sowohl „entschieden“ wie „beweglich“ operierenden Vorschlägen für eine „neue“ Außenpolitik zu wählen. Übrigbleibt eigentlich nur: Wem glaubt er? Noch pointierter: Wem gegenüber ist sein Mißtrauen so stark, daß Worte wirkungslos bleiben? Hier beginnt die — möglicherweise entscheidende — Gruppe der „unabhängigen Wähler“ eine Rolle zu spielen. Natürlich werden alle mehr oder minder überzeugten „Antidemokraten“ den republikanischen Kandidaten wählen, auch wenn sie lieber Goldwater, Rockefeller oder einen anderen gesehen hätten. Aber während Rockefeller — wie Stevenson auf der anderen Seite — mit ziemlicher Sicherheit auf Zulauf aus den Reihen der nicht parteimäßig festgelegten Wähler, insbesondere aus den Reihen der Intelligenz, hätte rechnen können, ist eine solche Verbreiterung der Wählerreserve für Nixon keineswegs automatisch gegeben.

Gerade in den Schichten der „freischwebenden“ Parteilosen herrscht ein — berechtigtes oder unberechtigtes — Mißtrauen gegen ihn als wendigen, smarten „p o 1 i t i c i a n“, was auch keine neue Sprachregelung im Wahlkampf ohne weiteres wird überwinden können.

Es gibt allerdings ein Reservoir — neben dem der Farmer! —, dessen Reaktion auf die aktuelle Wahlkampftaktik noch völlig im dunkeln liegt: das der Jungwähler. Die Kampagne der Gewerkschaften zum Beispiel und anderer nichtstaatlicher Gruppen für die breiteste Eintragung von Neuwählern in die zur Stimmabgabe berechtigten Wahllisten ist zwar teilweise indirekt als Hilfestellung für die Demokraten gedacht — der am Tage nach seiner Nominierung von Kennedy angekündigte großzügige Ausbau dieser Propaganda kam nicht von ungefähr! —, es liegt indes keinesfalls außerhalb der -Möglichkeiten, daß sie — vom Parteistandpunkt der Initiatoren aus — ein Bumefang sein konnte.

JUNG UND „JUNG“

Es ist durchaus denkbar, daß gerade Jungwähler, die man erst einmal zur Registrierung gebracht hat, bei dieser Wahl, ohne von Ressentiments ihrer Eltern und älteren Brüder infiziert zu sein, sich von einem Hinweis zugunste Nixons beeinflussen lassen — von dem Hinweis auf seine ausgedehnte Kenntnis des Auslands! Der Vizepräsident hat allerdings wohl kaum die zirka 50 Länder „kennengelernt“, in die, wie es heißt, ihn Blitzbesuche während seiner Amtszeit geführt haben. Aber er hat sich, nicht ohne Geschick, auf der internationalen Bühne bewegt. Das schlagfertige Intermezzo mit Chruschtschow ist noch in Erinnerung.

Ob er in seiner Eigenschaft als Mitglied etwa des „National Security Council“ und in den anderen mannigfachen Körperschaften von Exekutive und Legislative, wo sein Name Gewicht hatte und er seine Einsichten zu realen politischen Schritten konkretisieren konnte, darüber ist die Öffentlichkeit nicht unterrichtet worden.

Aber es liegt auf der Hand, sollten bei dieser Wahl — zum erstenmal seit geraumer Zeit — die sich traditionsmäßig an den sozialpolitischen Fragen orientierenden Auseinandersetzungen um die „neue Führung“ sich als solche einer „zielklareren Außenpolitik“ präsentieren, daß der Hinweis der Republikaner, in dem „weltbefahrenen“ Nixon und dem bewährten Repräsentanten der USA bei den Vereinten Nationen den „Innenpolitikern“ Kennedy und Johnson wirkliche Fachleute der Weltpolitik gegenüberstellen zu können, nicht ohne Wirkung bleiben mag.

Wenn der „Kronprinz“ Eisenhowers eine entschlossene, aaber;refeen,'zum 'Unterschied“-votf seinem demokratischen Kontrahenten,, durch E tr ftrhrtrag' * gestützte - PblitSk eines—h eVi n,; modernen Republikanismus vorschlägt — wird das die Phantasie des jungen Amerika mehr beflügeln als die Herausforderung der „neuen Grenzen“, die Kennedy zu durchbrechen aufruft?

Machen hier Anführungsstriche den Unterschied zwischen jung und „jung“ aus?

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