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Nixon und die siebziger Jahre

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„Ich gehöre zu den aktiven Menschen. Und wenn die Voraussetzungen, das Land, die Zeit reif sind für den Mann und der Mann reif für die Welt — beides muß zusammenkommen —, dann entsteht jene chemische Reaktion, die Erfolg bedeutet.” Tritt bei Richard M. Nixon, dem 37. Präsidenten der USA, die chemische Reaktion ein, wie er sich, seine Zeit und sein Land in einem Interview selbst in Verbindung brachte? Nixon ist ein aktiver Mensch. Sein Aufstieg aus typisch amerikanischem Mittelstand ist mehr als Fleiß und Glück. Nixon entwik- kelt den dynamischen Push moderner Politiker, die mehr Manager der Macht als Weltanschauungspropheten sind; vielleicht ist es aber auch dieses Zuviel an „Managing”, das den Kalifornier suspekt erscheinen läßt.

Im Wahlkampf präsentierte sich darüber hinaus ein kosmetisch behandelter, eingelernter Nixon, der alles vermied; seine Maximen waren klar und prägnant: „Nur kein Risiko”, keine dritte Niederlage.

Nixon hat im Wahlkampf bewiesen, daß er ein gutes Team einzusetzen weiß und einen Blick für beste technokratische Berater besitzt. Und seine Umgebung bestätigt ihm, daß er alles andere als weich ist. Sein Redestil ist typisch: Bis zu 400 Bewegungen macht Nixon in einer einstündigen Rede mit seiner rechten Hand — und größtenteils ist seine Hand zur Faust geballt.

Nixons,Sieg wiegt um so schwerer, je klarer man sich auf die soziologische Wählerpräferenz der USA besinnt. Nur die Unzufriedenheit mit zwei schwelenden Kriegen brachte jeweils Republikaner ins Weiße Haus. Denn 75 Prozent der Wähler sind von Haus aus eher demokratisch eingestellt. Unter ihnen primär auch Arbeiter und Farbige — aber auch der Süden der USA (wenn dort auch der liberale Demokrat kaum geschätzt ist). Dennoch wäre es wirklich ein Unding, die Demokraten etwa zu amerikanischen Sozialisten zu machen und die Republikaner als konservative Reaktionäre zu bezeichnen (Anm. d. Red.: Die Wiener „Arbeiter-Zeitung” schrieb als Nach- wahlkommentar unter dem Titel „Kein Grund zur Freude”, daß mit

Nixon die Geldleute und Rüstungsindustriellen ins Weiße Haus einziehen werden, „denn Nixon ist ein Reaktionär”).

Nixon muß überdies in den nächsten vier Jahren mit den Demokraten im Senat und im Repräsentantenhaus leben und zu Rande kommen. Aber das kennt der Routinier von seinem Platz neben Eisenhower. Denn der einzige Republikaner, der nach 1945 gegen die Demokraten siegen kannte, war ja vor Nixon Nationalheld Eisenhower, der den Ko- reakrieg zu beenden versprach. Und Nixon tat nun das gleiche — und es schien vielen Amerikanern tatsächlich „time for a change”.

Nixon ist in der Ära Eisenhower nicht unbedingt ein außenpolitischer Fachmann gewesen; und so sind Reden und Erklärungen des Ex-Vize Eisenhowers spärlich. Sie sind nur treue Interpretationen der Politik John F. Dulles’, des eigenwillig-konservativen Weltpolizisten im US-Außenministertuj’i Steht also Dulles wieder auf?

Man mag es bezweifeln. Denn in der Zwischenzeit hat Amerikas Prestige zu arg gelitten, als daß die Politur durch Schrubben wieder zum Glänzen gebracht werden könnte. Nicht zuletzt sind von den kühnen außenpolitischen Träumen Kennedys zu viele Scherbenhaufen übrig geblieben, die Johnson mühsam wegzuräumen versuchte. Der Aufbruch des jungen Siegers über Nixon in der Kampagne von 1960 wurde zu jäh unterbrochen, um Wert und Unwert der Politik John Kennedys diagnostizieren zu können. Fest steht jedoch, daß Eisenhower ein intakteres Amerika übergab, als es nun Nixon nach acht Jahren demokratischer Herrschaft übernahm:

Da bauten die Sowjets und ihre Vasallen in Pankow die Berliner Mauer. Die USA anerkannten durch ihr Nichteingreifen die Legitimität dieser Handlung auf Berliner Boden:

Der erste Schritt auf dem Weg zur weiteren Kriseneskalation und Abschnürung West-Berlins. In Europa entwuchs de Gaulles Frankreich der Vormundschaft der USA — und die Administration in Washington setzte darauf, daß die Ära des Generals schon irgendeinmal zu Ende gehen würde. Gleichzeitig aber wuchs in Kuba dem Ostblock ein neuer Satellit zu. Kennedy mußte im Oktober 1962 zum Äußersten gehen, um die Sowjets zu überzeugen, daß er keine roten Raketen vor der Haustür brauchen kann. Kuba ist seither aber Abschußbasis für die kommunistische, amerikafeindliche Irredenta in Lateinamerika geworden; eine latente Bedrohung der Südflanke der USA.

Und in Vietnam stürzte mit Hilfe des CIA John Kennedy den Diktator Diem unter Umständen, die bis heute nicht präzise geklärt sind — um gegen eine, nach amerikanischem Muster zwar nicht demokratische, aber immerhin asiatisch-stabile Ordnung das Chaos der Putschgeneräle zu tauschen. Damals entschied sich Kennedy aber bereits auch zur Eska-

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