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Nixons Gegner?

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Nach seinem großen Sieg bei der demokratischen Vorwahl von New York besitzt jetzt Senator McGovern die meisten Stimmen, die er zur Nominierung als Präsidentschaftskandidat seiner Partei in Miami Beach benötigt. Selbst Hubert Humphrey gibt offen zu, McGovern habe „60 zu 40 Prozent“ Chancen, im November gegen Richard Nixon antreten zu können.

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Nach seinem großen Sieg bei der demokratischen Vorwahl von New York besitzt jetzt Senator McGovern die meisten Stimmen, die er zur Nominierung als Präsidentschaftskandidat seiner Partei in Miami Beach benötigt. Selbst Hubert Humphrey gibt offen zu, McGovern habe „60 zu 40 Prozent“ Chancen, im November gegen Richard Nixon antreten zu können.

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Freilich, das ist noch keineswegs sicher. Für viele demokratische Parteigänger ist der .Senator aus South Dakota zu radikal, zu weit links, zumal in der Außen- und Wirtschaftspolitik. Aber auch für sie gilt schließlich das Gesetz des Erfolges, und das spricht gegenwärtig jedenfalls für McGovern.

Vor mehr als drei Monaten hätte niemand auf diesen Politiker gesetzt — und jetzt ist er der aussichtsreichste demokratische Kandidat, vor Humphrey, Muskie und Wallace, aber auch vor Kennedy, Lindsay und Jackson, die alle mit ihm zusammen die Arena betreten hatten. Noch setzt auch niemand sehr hoch auf „Präsident McGovern“, wenn es im November an die Urnen geht. Aber man sollte eine Überraschung nicht ausschließen.

Der Senator plädiert seit Jahr und Tag für die unverzügliche Beendigung des Vietnamengagements. Darin liegt Konsequenz, die ihm — nicht nur bei der Jugend und den Intellektuellen — Sympathie einbringt. Getreu dieser Grundlinie verkündet er nach jedem Wahlerfolg, seine erste außenpolitische Tat werde die Rückrufung der „Boys“ sein.

Ob McGovern mit dieser Forderung im November Erfolg haben wird, hängt maßgeblich davon ab, ob Nixon bis dahin das Vietnamthema wird völlig „herunterspielen“ können. Gegenwärtig sind die Bemühungen der Nixon-Administration hier sehr intensiv; Kissingers Besuch in Peking, der vornehmlich, diesem Ziel diente, beweist es. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben jedoch gelehrt, daß alle Erwartungen auf einen Frieden nicht honoriert wurden. Es hängt ja nicht zuletzt auch von Hanoi ab, wie erfolgreich Nixon bei den Wählern sein wird — er, der 1968 den Wahlkampf gegen Johnson und Humphrey mit dem festen Versprechen geführt hatte, den Krieg zu beenden.

Genauso radikal wie MoGoverns Vietnampläne ist seine Haltung gegenüber der amerikanischen Außenpolitik im allgemeinen. Sie trägt — auch wenn sich der Senator gegen diesen Vorwurf immer wieder zu verteidigen sucht — eindeutig isolationistische Züge: Eine erhebliche Reduktion der Verteidigungsausgaben steht an erster Stelle seiner Forderungen. Verbunden damit ist die Auffassung, Amerika könne nur dann seinen weltpolitischen Aufgaben nachkommen, wenn es im Inneren gesund sei; da dies jedoch — wie jedermann zugeben wird — noch nicht voll den Tatsachen entspricht, muß es sich laut McGovern zuallererst auf die Bewältigung der eigenen vielfältigen Probleme stürzen. An zweiter Stelle erst folge die Bedeutung der Außenpolitik.

Was sein innenpolitisches Reformprogramm anlangt, hat McGovern inzwischen zu verstehen gegeben, daß er hier an der einen oder anderen Stelle mit sich reden lassen wolle. Dies ist für ihn auch eine Notwendigkeit, denn die Mehrheit der demokratischen Wähler dürfte ihm kaum sehr bereitwillig auf seinem radikalen Kurs in der Steuer- und Sozialpolitik folgen. Schließlich ist Amerika immer nur von der „Mitte“ her zu regieren gewesen, nicht aber von seinen „Rändern“ aus. Diese Grundtatsache hat Richard Nixon mit seinem Appell an die „schweigende Mehrheit“ 1968 wieder bestätigt; für 1972 gilt nichts anderes.

McGovern hat jedoch hier ein schwieriges Problem zu bewältigen: Je mehr er der politischen Vernunft und dem demokratischen Establishment nachgibt, um so mehr stößt er seine links stehende Anhängerschaft vor den Kopf, die ihn bereits unterstützte, als sein Name kaum über Washington und South Dakota hinaus bekannt war. Seine Chancen gegen Nixon sind aber um so größer, je glaubwürdig-gemäßigter er auftritt.

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