6593647-1952_43_04.jpg
Digital In Arbeit

Die Feuerprobe der neuen „Waffe“

Werbung
Werbung
Werbung

Wohl hatten sich die Redner auch bisher schon durch Filmreportagen phonetisch und visuell bekannt gemacht. Der entscheidende Vorteil des Fernsehens gegenüber dem Tonfilm ist das Moment der Gleichzeitigkeit. Darüber hinaus bewirkte die meisterhafte Regie, mit der die Aufnahmen im Kongreßsaal selbst wie auch in den Couloirs geleitet wurden, daß vielfach auch in Nebenräumen abgehaltene private Zusammenkünfte leitender Kongreßteilnehmer unversehens der Öffentlichkeit bekannt wurden. Das Ergebnis der Neue- lung übertraf alle Erwartungen. Unter dem fühlbaren Druck der öffentlichen Meinung nahm das Plenum des Partei kongresses mit überwiegender Mehrheit den Minderheitsantrag des Mandatskomitees auf Aberkennung jener Mandate an, die durch verdächtige Methoden erworben worden waren. Vorher hatte sich die Vollsitzung schon den Antrag der Anhänger Eisenhowers zu eigen gemacht, Delegierte, deren Mandate zur Debatte standen, entgegen dem bisherigen Brauch von dieseT Debatte auszuschließen.

Mit der Annahme dieser beiden Anträge durch das Plenum hatte Eisenhower seinen, wie sich später bei seiner Wahl zum Parteikandfdaten herausstellte, entscheidenden Sieg errungen.

Mit ihm aber hatte nicht nur die

Jugend der Partei über die „Alte Garde“, sondern weitgehend auch die öffentliche Meinung über die Starrheit einer veralteten Parteiorganisation gesiegt. Dieser Sieg war fast ausschließlich durch die neue Waffe im Arsenal der Demokratie: das Fernsehen, erfochten worden.

Der zweite durchschlagende Erfolg, der auf diesem Gebiete erzielt wurde, knüpft sich an den Namen von Eisenhowers Partner in der Wahlkampagne, dem jungen republikanischen Kandidaten für die Vizepräsident schaff, Dick Nixon.

Die Wahlkampagne Eisenhowers hatte zunächst erfolgreich begonnen. Da schlug wie ein Blitz aus heiterem Himmel die Zeitungsnachricht von einem Geldfonds ein, den Nixon aus privaten Mitteln zur Deckung seiner politischen Auslagen als Senator erhalten und angenommen habe. Eisenhower blieb tagelang stumm. Seine starke Wahlparole: „Reinigung der Atmosphäre“ in Washington und rücksichtslose Bekämpfung jeder Korruption, drohte angesichts dieser Affäre im eigenen Lager völlig zu versagen. Selbst die Mehrheit jener Blätter, die Eisenhower unterstützten, rieten, Nixon als Kandidaten auszuschalten. Etwas mußte geschehen.

Eisenhower forderte telephonisch Nixon auf, sich öffentlich vor der Nation zu verantworten, ehe er selbst eine Entscheidung treffen werde. Mit zurückgehaltenem Atem erwartete die Nation die Rechtfertigung Nixons.

Fürdie gleiche Stunde, auf die das Auftreten Nixons im Rundfunk und Fernsehen angesetzt war, war eine Rede Eisenhowers in einer Massenversammlung in C1 e v e 1 a n d, Ohio, vorgesehen. Die Rede wurde aufgeschoben. Die auf 15.000 Menschen geschätzte Menge, die die Public Hall in Cleveland bis zum letzten Platz füllte, sollte zunächst die Erklärungen Nixons entgegennehmen. Eisenhower selbst saß in einem Nebenraum vor einem Fernsehapparat, um, wie Hunderttausende seiner Mitbürger, Augen- und Ohrenzeuge dessen zu sein, was im fernen Los Angeles sein Partner Nixon zu seiner Verantwortung vorzubringen habe.

Nixon tat nun allerdings als ersteT Kandidat etwas, das in der Geschichte amerikanischer Wahlkampagnen noch keiner unternahm: er gab dem ganzen Volk Einblick in seine Wirtschaftsverhältnisse. In diesem kritischen Falle hätte vielleicht selbst die Stimme des sich rechtfertigenden Kandidaten allein, im Rundfunk übertragen, kaum überzeugend gewirkt. Erst der Einsatz der ganzen Persönlichkeit, durch das Fernsehen unmittelbar Aug’undOhr über mittel t, brachte jene durchschlagende Wirkung zuwege, die auch Skeptiker nicht nur in Erstaunen setzte, sondern zum Teil selbst mit sich riß.

Der Verfasser dieses Artikels war anwesend, als Eisenhower nach der Übertragung von Nixons Rede durch Rundfunk und Fernsehen die Public Hall in Cleveland betrat. Schon während der Übertragung von Nixons

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung