6908415-1980_52_07.jpg
Digital In Arbeit

Vor allem Europa hofft auf Außenminister Alexander Haig

Werbung
Werbung
Werbung

Eine Einladung zum ersten Kräftemessen mit dem Kongreß ist die Nominierung Alexander Haigs zum Außenminister auf jeden Fall. Manche sagen: Daß sich Reagan das angetan hat! Andere prophezeien: Nach diesem Stahlbad im Senat ist Watergate endgültig tot!

Totengräber des Honigmondes zwischen Präsident und Parlament oder Totengräber des Watergate-Gespenstes: Der 56jährige General dürfte die mindestens 51 Stimmen, die im Oberhaus für seine Bestellung erforderlich sind, auf jeden Fall erhalten. Alexander M. Haig (vgl. FURCHE Nr. 51, Seite 1) wird also der nächste Außenminister der USA sein.

Ein guter? Das hoffen jene, die seine Intelligenz, sein diplomatisches Geschick und seine Effizienz bewundern. Andere nennen diese Eigenschaften bei ihm eher schlau, anpassungsfähig und rücksichtslos. Ein Wallenstein-Typ, dessen Charakterbild in der Geschichte schwankt?

Zu diesem Bild hat vor allem seine Tätigkeit für Nixon beigetragen. In der ersten Regierung Nixon diente Haig, Absolvent von West Point (der 214. beste aus einer Maturaklasse von 310) zuerst als persönlicher Berater von Verteidigungsminister Robert McNa-mara, dann als Stellvertreter Henry Kissingers, als dieser noch Sicherheitsberater war.

Als Nixon sich immer mehr über das Hinaussickern geheimer Dokumente aus dem Weißen Haus erboste, beantragte Haig beim FBI die geheime Telefonüberwachung von 17 Stabsmitgliedern und Journalisten - vier Namen hatte ihm Nixon, 13 Kissinger aufgeschrieben.

Das ist einer der dunklen Punkte seiner Tätigkeit, die der Senat beim Anhörverfahren im Jänner genau unter die Lupe nehmen wird.

Ein anderer ist, daß er später, nachdem Präsident Nixon ihn in der Schlußphase des Watergate-Skandals als Chef seines Stabes bestellt hatte, seinem Chef angeblich geraten hat, bei öffentlichen Befragungen möglichst oft „Das habe ich vergessen" zu sagen.

Nicht vergessen hat Haig, daß er zu Weihnachten 1972 eine Bombardierung der nordvietnamesischen Hauptstadt Hanoi und eine Verminung des Hafens Haiphong empfahl. Dafür übernimmt er noch heute „gerne die Verantwortung", obwohl Kriegsgegner diese Maßnahmen damals als exzessiv und letztlich wirkungslos kritisierten.

Schließlich wird man noch einmal untersuchen, ob er wirklich vor dem Rücktritt Nixons als Präsident zum damaligen Vizepräsidenten und späteren Amtsnachfolger Gerald Ford pilgerte, um ihm das Versprechen abzuluchsen, er werde Nixon nach einem Rücktritt amnestieren und damit vor einer Strafverfolgung bewahren.

Auf der positiven Seite von Haigs persönlicher Watergate-Bilanz rangiert die unbestrittene Tatsache, daß er in jenen wirren Tagen vor dem nahen Nixon-Ende ziemlich allein für das Weiterfunktionieren der Regierung sorgte. Seine Anhänger halten ihm auch zugute, daß er als einer der ersten die Realitäten klar erkannte und Nixon zum Amtsverzicht bewog.

Nixon und Kissinger sind jedenfalls voll des Lobes für ihn, was wieder den harten Kern der Reagan-Freunde stutzig macht. Seine Rolle im Vietnamkrieg hat ihn den Progressiven entfremdet, die außerdem seine konservativen politischen Ansichten und seine relative Unkenntnis der Dritten Welt mißbilligen.

In einem stimmen freilich Gegner und Freunde des am 2. Dezember 1924 in Philadelphia geborenen Anwaltssohnes überein: Er ist nicht nur sehr ehrgeizig, sondern auch sehr loyal. Ein Präsident kann sich auf ihn verlassen.

Das zählt offenbar auch für Reagan, der sich von ihm eine „klare, beständige und feste" Außenpolitik erwartet.

Tatsache ist, daß Haig, als Präsident Ford ihn im Dezember 1974 als Oberbefehlshaber der NATO-Streitkräfte nach Europa sandte, zuerst auf eine Mauer der Ablehnung stieß. Er überwand sie durch Charme, Klugheit und Fleiß.

Als er 1979 sein Kommando aufgab und aus der Armee schied, hatte er in Westeuropa fast nur noch Freunde und in den USA viele Bewunderer, die ihn als Präsidenten haben wollten. Er kam zu der richtigen Erkenntnis, daß es trotz allem zu wenige waren, und ließ die Finger vom Wahlkampf.

Ab Februar 1981 wird er sie in Amerikas Außenpolitik haben. Zumindest die Europäer dürften das nicht zu bereuen haben.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung