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Plädoyer für Hanoi

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Noch vor dem Parteitag der Republikaner in Miami Beach, die unter Führung von Richard Nixon Einmütigkeit und Siegeszuversicht demonstrierten, wurde in den Vereinigten Staaten das Ergebnis einer Umfrage bekannt, wonach 37 Prozent der demokratisch „registrierten“ Wähler im November für den jetzigen Präsidenten ihre Stimme abgeben wollen. George McGovern, der Präsidentschaftsbewerber der Demokraten, ist in einer schwierigen Lage, da sein Gegner nicht sehr viele Angriffsflächen bietet, die sich publikumswirksam verwerten ließen. Daraus mag vielleicht eine gewisse Unsicherheit resultieren. Sie verleitet ihn offenbar dazu, in der Vietnamfrage die Partei Hanois zu ergreifen.

Der Senator aus Minnesota weiß, daß die Art und Weise, wie Nixon und Kissinger zielstrebig Schritt für Schritt das amerikanische Engagement auf dem südostasiatischen Kriegsschauplatz abzubauen im Begriff stehen, wenig Spielraum läßt für breit angelegte Kritik. Bei seinem Versuch, dem Präsidenten am Zeug zu nicken, übernimmt sich McGovern jedoch. Was soll man von seiner saloppen Äußerung halten, im Falle seiner Amtsübernahme im Weißen Haus werde wahrscheinlich eine kommunistisch beherrschte Koalitionsregierung in Saigon ans Ruder kommen, weswegen zu erwarten stehe, daß Präsident Van Thieu und seine Mitstreiter außer Landes fliehen würden?

Dies gleicht im Grunde genommen einem Plädoyer für die kommunistische Machtübernahme in Südvietnam. Bei allem Verständnis dafür, daß jeder Politiker die Kriegsmüdigkeit seiner Landsleute im Wahlkampf zu seinen Gunsten ausschlachten möchte — aber McGovern kümmern offenbar weder die Menschenopfer, die Amerika im Vietnamkrieg gebracht hat, noch der Gedanke an die Notwendigkeit, Aggressionen abzuwehren. Ihm ist es auch anscheinend völlig gleichgültig, daß er mit seiner großen Sympathiewerbung in Hanoi die Chancen für einen Verhandlungskompromiß beeinträchtigt.

Das Makabre an McGoverns Darlegung zeigt sich insbesondere in den Vorstellungen, die er mit dem von ihm augenscheinlich keineswegs bedauerten Einzug der Kommunisten in Saigon verbindet: „Wenn sie (die Nordvietnamesen und der Vietkong) ein Dorf einnehmen, töten sie die Leute nicht, sondern errichten eine Schule, bauen Straßen und heben Steuern ein.“ Wenn die Vietkong solch friedliche Menschen sind, dann freilich muß man sich fragen, warum es überhaupt in Südostasien zu einem Krieg gekommen ist. Erst unlängst berichtete aber die „New York Times“, die ja nun wirklich nicht zu den Nixon besonders freundlich gesinnten Publikationen zählt, von Massenhinrichtungen in der kürzlich von den Nordvietnamesen eroberten Provinz Binh Dinh.

Solche Meldungen nimmt aber

In der reformistisch-linken Zeitschrift „Wiener Tagebuch“, deren Chefredakteur das von der KPÖ abgesprungene ZK-Mitglied Franz Marek ist, erschien kürzlich ein Interview mit dem chilenischen Regierungschef Allende. Wir geben dieses Gespräch im Auszug wieder:

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