Der Mensch hinter der Macht

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Peter Morgan im FURCHE-Interview: Der britische Autor von "Frost/Nixon" erzählt, was ihn an der menschlichen Seite der Macht interessiert, wieso er mit seiner Familie nach Österreich ziehen wird und warum er 2008 nicht bei der Viennale dabei war.

In fünf wichtigen Kategorien ist das Polit-Drama "Frost/Nixon" für den Oscar nominiert, darunter für Bestes Adaptiertes Drehbuch. Doch Autor Peter Morgan, dessen gleichnamiges Theaterstück rund um den britischen TV-Entertainer David Frost und den früheren US-Präsidenten Richard Nixon dem Film zugrundeliegt, ist bescheiden: "Ich habe eher keine Chance. Aber dort wird man zum kleinen Kind: Man will diese Statuette unbedingt haben!" Für den österreichischen Beitrag "Revanche" wird Morgan ebenso die Daumen drücken, zieht er doch im September, wegen seiner österreichischen Frau, nach Wien. Das Interview gibt er in fließendem Deutsch.

Die Furche: Frost/Bush wäre auch interessant, oder?

Peter Morgan: Aber Bush braucht leider das Geld nicht!

Die Furche: Hatte Nixon das damals wirklich so nötig?

Morgan: Und wie! Er hatte durch die Watergate-Affäre ja Unmengen an Anwaltskosten zu zahlen. Er war vollkommen pleite. Bush oder Cheney brauchen kein Geld. Die gehen alle in eine bequeme Pension. Was mich sehr stört.

Die Furche: Hat Sie an den Gesprächen zwischen Frost und Nixon eher der politische Aspekt interessiert oder der psychologische?

Morgan: Eher der psychologische. Ich war 11, als Nixon aus dem Weißen Haus geworfen wurde, und 14, als diese Interviews stattfanden. Ich bin niemand, der Nixon strafen will. Mich hat die Geschichte dieses Playboy Frost interessiert, der sehr ehrgeizig und eitel ist. Er hat sich in einer Situation wiedergefunden, die ihn auf die Probe gestellt hat, in der er alles verlieren hätte können. Ich hatte nie im Sinn, eine vernichtende Abhandlung der republikanischen Politik in den frühen 70ern zu liefern. Aber die Verantwortlichkeit von Macht ist dennoch ein interessantes Thema. Das zeigt sich auch jetzt: Die Leute wollen nicht mehr an Bush denken, sie wollen ihn vergessen. Aber wenn sie ihn vergessen, dann haben sie ihm irgendwie auch verziehen. Interessant: Einerseits will man Bush vergessen, andererseits will man auch, dass er für seine Taten zur Rechenschaft gezogen wird.

Die Furche: Wie gehen Sie daran, den Menschen hinter der Macht herauszuarbeiten?

Morgan: Mit der Zeit spürt man etwas an einem Charakter. Ich war lange fast nur journalistisch bei der Geschichte. Erst später merkte ich, dass ich über Ehrgeiz und ein Leben in der Öffentlichkeit schreiben wollte, und darüber, dass beide Männer eigentlich viel mehr Gemeinsamkeiten als Gegensätze aufweisen.

Die Furche: Etwas, das sich in jedem Ihrer Filme findet, ist ein Witz über Österreich. - Gibt's da nie Ärger mit Ihrer Frau?

Morgan: Nein, Spaß gehört dazu! Das Stück ist in der Steiermark geschrieben worden, da haben wir eine Hütte, dorthin hatte ich mich zurückgezogen. Ich trug eine Zeit lang sogar 70er Jahre-Klamotten, damit ich mich besser in die Geschichte einfühlen konnte (lacht).

Die Furche: Stimmt es, dass Sie wieder herziehen wollen?

Morgan: Ja, im September! Unsere vier Kinder sind momentan Engländer, die ein bisschen Deutsch sprechen. Aber wenn man sie wirklich zweisprachig erziehen möchte, muss man auch in beiden Ländern leben. Auch wenn mich Viennale-Direktor Hans Hurch nicht zur Viennale einladen wollte (lacht).

Die Furche: Wie kam das?

Morgan: "Frost/Nixon" war schon ein Phänomen geworden, und ich hatte Herrn Hurch angerufen und ihn gefragt, ob es eine gute Idee wäre, wenn Ron Howard, die beiden Hauptdarsteller und ich zur Viennale kämen. Er hat Nein gesagt.

Die Furche: Was war seine Begründung?

Morgan: Ihm gefalle der Film nicht. Naja, ich muss nicht alles verstehen.

Die Furche: In Oliver Stones "Nixon" wird der Ex-Präsident zum tragischen Helden. Sehen Sie ihn eher als den aktiven Gauner?

Morgan: Nein, Nixon hatte Größe, aber das Menschsein lässt sich nicht vermeiden. Als Mensch ist man auch neidisch, gierig, zornig und rachsüchtig. Bill Clinton zum Beispiel hätte als bester Präsident aller Zeiten in die Geschichte eingehen können - wenn er seine Hose angelassen hätte. Diese Mensch-immanente Fähigkeit, sich selbst zu zerstören, interessiert mich.

Die Furche: Sie verschweigen im Film, dass Frost einen Cambridge-Abschluss hat, und zu seiner Zeit als scharfer Interviewpartner galt. Also nicht bloß der leichtgewichtige Schönling war.

Morgan: Ich weiß, und Frost beschwert sich bei mir darüber. Er fühlt sich veralbert. Aber ich sage ihm immer, er soll froh sein, dass ich nie wirklich geschrieben habe, was ich nach all meinen Recherchen weiß. Er hat die Situation damals unterschätzt. Er dachte, es wäre genug, sich mit Nixon vor die Kamera zu setzen.

Die Furche: War er in die Entstehung des Films einbezogen?

Morgan: Nein! Aber er wäre es gerne gewesen, er war jeden Abend da. Und wir haben ihn jeden Abend heimgeschickt.

Die Furche: Ist es richtig, dass Sie nach "The Deal" und "The Queen" einen weiteren Film machen wollen, der Tony Blair involviert, wieder mit Michael Sheen in der Hauptrolle und Stephen Frears als Regisseur?

Morgan: Ja. Ich weiß noch nicht, ob Stephen mitmacht, aber wenn er nicht will, mache ich die Regie.

Die Furche: Welche Station von Tony Blair soll da beleuchtet werden?

Morgan: Zwischen 1997 und 2000, die ganze Monica Lewinsky-Geschichte. Die zentrale Frage wird sein: Wie wandelte sich Tony Blair von "bester Freund von Bill Clinton" zu "bester Freund von George Bush". Wie macht das ein Mensch?

Frost/Nixon

USA/F/GB 2008. Regie: Ron Howard. Mit Michael Sheen, Frank Langella, Kevin Bacon, Rebecca Hall, Oliver Platt. Verleih: Universal. 120 Min.

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