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Probleme der Nachfolge

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Der Kongreß ist auf gefordert worden, an Stelle dieses zweifelhaften Provisoriums eine dauerhafte Lösung zu setzen. Er hat aber für sie bisher ebensowenig wie in bezug auf die Nachfolge eines zum Präsidenten gewordenen Vizepräsidenten Zeit gefunden.

Seitdem die Republik besteht, ist dreimal festgesetzt worden, wer einem Vizepräsidenten, der ins Weiße Haus einzieht, nachfolgen soll. Diese Bestimmungen hatten keine dauernde Gültigkeit, weil sie jedesmal aus Ad-hoc-Erwägungen getroffen worden waren. Zum erstenmal wurde 1792 der Präsident pro tempore des Senats und nach diesem der Sprecher des Repräsentantenhauses als Nachfolger bestellt. Man hatte zuerst an den Staatssekretär (Außenminister) als Nachfolger gedacht. Jedoch Alexander Hamilton, der starke Mann hinter den Kulissen des neuen Staates,verhinderte das, weil er den damaligen Staatssekretär Thomas Jeffer-son nicht leiden konnte.

1886 entschloß man sich unter dem demokratischen Präsidenten Grover Cleveland denn doch zur Nachfolge des Staatssekretärs. Der Tod des Vizepräsidenten machte das Thema aktuell. Nicht die Überzeugung, daß ein Außenminister besser als ein Senator geeignet ist, sondern die Tatsache, daß die Republikaner eine Mehrheit im Senat hatten, gab den Ausschlag.

Schließlich stieß Harry Truman, 1945, diese Regelung wieder um, indem er dem Kongreß empfahl, den Sprecher des Repräsentantenhauses als Nachfolger einzusetzen. Wenn auch der damalige Sprecher, Sam Rayburn, wahrscheinlich einen besseren Präsidenten abgegeben hätte als der Außenminister Stettinius,war Trumans Unternehmung doch recht kurzsichtig. Es mag etwas für sich haben, daß ein vom Volk gewählter Politiker statt eines vom Präsidenten ernannten Amtsträgers die Nachfolge antritt. Dann hätte Mr. Truman jedoch den Zustand von 1792 wiederherstellen sollen, nachdem im Senat mehr Leute mit präsidentiellen Qualifikationen zu finden sind als im Repräsentantenhaus. Der Provinzialismus der Repräsentanten läßt daran zweifeln, daß einer von ihnen befähigter ist als der Außenminister, das ganze Volk zu führen. Weiterhin kommt es ja öfters vor, wie zum Beispiel bereits unter Trumans folgender Amtsperiode, daß das Repräsentantenhaus von der Oppositionspartei beherrscht wird. Da die USA keine parlamentarische Demokratie sind, ist eine Regelung widersinnig, die unter Umständen die Exekutive der Opposition ausliefert.

Diese Gefahr besteht gegenwärtig allerdings nicht. McCormack ist Demokrat. Selbst seine Anhänger können jedoch nichts Beseres für seine Befähigung anführen, als daß er immer ein leidenschaftlicher Antikommunist gewesen sei. Es wurde McCormack nahegelegt, das Amt des Sprechers niederzulegen, damit ein für die Präsidentschaft besser geeigneter Sprecher gewählt werden könne. Dies betrachtete der alte Herr jedoch als Zumutung. Im übrigen ist er, verglichen mit dem Senatspräsidenten, der sein Nachfolger würde, falls er als Interimspräsident vor Bestallung eines neuen Sprechers stürbe, jung. Dieser ist nämlich 86.

Verschiedene Vorschläge für eine dauerhafte Lösung liegen vor. Es wurde vorgeschlagen, wieder auf den Staatssekretär zurückzugreifen. Dafür ist jedoch der Glaube, daß nur ein für dieses Amt gewählter Mann Präsident werden dürfe, zu stark geworden. Nach einem anderen Vorschlag sollen zwei Vizepräsidenten gleichzeitig mit dem Präsidenten gewählt werden. Es wird befürchtet, daß danach das ohnedies zu geringe Ansehen, das das Amt des Vizepräsidenten genießt weiter verringert werden dürfte. Es wird befürwortet, daß, da ja der bisherige Vizepräsident Präsident wird, der Kongreß einen neuen Vizepräsidenten wählen soll. Dieser Vorschlag ist unpraktisch, eben weil die Opposition eine Mehrheit haben könnte.

Jetzt hat Richard Nixon einen neuen Vorschlag gemacht, der konstruktiv und gut durchdacht ist, dabei auch verblüffend einfach. Mr. Nixon möchte, daß binnen 30 Tagen nach einer Vakanz im Amt des Vizepräsidenten der Präsident das Wahlmännerkollegium zu einer Neuwahl zusammenruft. Das Kollegium, das jeder Staat mit so viel Mitgliedern beschickt, als seiner Stimmenanzahl im Kongreß entspricht, war zu Beginn der Republik eine autonome Körperschaft, die den Präsidenten wählte. Durch die 'Entwicklung des Parteiwesens wurde sie zu einertl* bloß'öh Vollzugsorgan herabgemindert. Es setzt sich daher aus zweitklassigen Politikern zusammen, denen ihr Heimatstaat auf billige Weise Anerkennung zollen möchte.

Nixon meinte, daß die von ihm bezweckte Aufwertung des Kollegiums zu einer besseren Besetzung führen würde. Er weist darauf hin, daß das Prinzip, ein potentieller Präsident müsse gewählt und nicht ernannt werden, bewahrt bliebe. Da das Kollegium den Willen der Wähler, wie er sich bei der vorhergehenden Präsidentenwahl dokumentierte, widerspiegelt, würde die politische Kontinuität beibehalten.

Es besteht jedoch wenig Aussicht, daß Nixon oder irgendein anderer Vorschlag vor den Wahlen vom Kongreß angenommen werden wird. Dafür gibt es zwei Gründe. Seit 1938 hat sich die Arbeit des Kongresses hauptsächlich in der Verneinung erschöpft, während alle positiven Maßnahmen von der Exekutive ausgingen. Der zweite Grund ist wie der sehr angesehene und scharfsichtige Journalist J^mes Reston schreibt: „Wenige Mitglieder des Kongresses halten ihn (McCormack) für befähigt, Präsident zu sein, aber aus Angst sie könnten ihn kränken, sind nur wenige gewillt, etwas zu unternehmen.“

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