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General Eisenhower

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Von den Heerführern der westlichen Nationen im zweiten Weltkrieg ist zweifellos General Eisenhower der bekannteste. Ober-kofnmandierender der anglo-amerikanischen Streitkräfte bei der Landung in Westeuropa und als maßgebend beteiligter General bei den Operationen in Nordafrika und in Italien erwarb er sich größeren Ruhm als Organisator und Feldherr als der jedes anderen amerikanischen Feldherrn der Vergangenheit. Dabei war er bis zum Beginn des zweiten Weltkrieges auch in militärischen Kreisen ein völlig Unbekannter.

Eisenhower gehört jenem kleinen, aber ausgezeichneten Korps von Berufssoldaten an, das in der berühmten Militärakademie West-Point herangebildet wird und m beiden Weltkriegen das eiserne Grundgerüst der Massenarmeen gewesen ist. Er stammt aus einer Familie, die während des Dreißigjährigen Krieges wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer calvinistischen Sekte aus Baden in die Schweiz auswanderte und von dort um die Mitte des 18. Jahrhunderts über Holland nach Nordamerika kam, wo sie zunächst in Pennsylvanien siedelten. Ein Vorfahre des Generals diente 1777 während des Unabhängigkeitskrieges in der Miliz. Die Eisen-howers gehörten zu den alten Familien der Vereinigten Staaten. Stolz auf den Väterglauben und die Zugehörigkeit zu einer der vielen streitbaren und strenggläubigen Sekten, kennzeichnet die geistige Umwelt dieser Frühzeit amerikanischen Pioniergeschichte. Gemeinsam mit gleichgesinnten Glaubensbrüdern wanderten die Eisenhowers zu einer streng pazifistischen Täufersekte nach Kansas, einem Staat, der durch seine unberührte Natur die besten Siedlungsmöglichkeiten bot.

David Dwight Eisenhower wurde noch in Texas, am 14. Oktober 1890, geboren, aber die kleine Stadt Abilene in Kansas war die Stadt seiner Jugend, an die er heute noch gerne zurückkehrt und die ihm Heimat ist. Er kam eigentlich durch Zufall zum Soldatenberuf. Das Interesse an historischen Büchern, namentlich an Clausewitz' Schriften, ließ ihn den Krieg zwar als den Beweger aller Dinge sehfen, aber auch verabscheuen. — Er hätte wahrscheinlich sein Leben als Geschichtsprofessor beschlossen, wenn nicht der Eintritt eines Jugendfreundes in die Marineakademie erfolgt wäre. Da er zu alt für die vorgeschriebene Prüfung war, meldete er sich kurzerhand für die Armee und bestand das Examen ausgezeichnet. 1915 ausgemustert, hatte der junge Offizier Gelegenheit, das aufregende Schauspiel des Krieges jenseits des Ozeans zunächst theoretisch zu studieren.

Als 1917 auch die Vereinigten Staaten an Deutschland den Krieg erklärten, erhielt Eisenhower kein Frontkommando, sein Organisationstalent wurde bei der Ausbildung der neuen Tankwaffe gebraucht. Schon damals trat seine Fähigkeit, in Ruhe und Stille Neues aufzubauen, stark hervor. In den ersten Novembertagen 1918 kam endlich die ersehnte Kommandierung nach Europa, dodi der Waffenstillstand beendete frühzeitig Eisenhowers soldatische Träume. Die Jahre nach dem Weltkrieg sehen ihn weiter als Ausbilder der Tankwaffe. Einige Jahre diente Eisenhower in der Panamakanalzone, 1926 erfolgte seine Berufung nach Washington, bis zum Beginn der neuen Weltkrise dann in verschiedenen Stabsstellungen als Mitarbeiter des damaligen Stabschefs Mac Arthur. 1935, als auf den Philippinen eine eigene Armee aufgestellt wurde, deren Oberkommando General Mac Arthur erhielt, war es selbstverständlich, daß dieser Major Eisenhower als seine rechte Hand mit nach Manila nahm.

Im September 1939, der zweite Weltkrieg hatte bereits begonnen, kehrte Eisenhower nach den Vereinigten Staaten zurück. Die großen Manöver, bei denen er die Aufmerksamkeit des Generalstabschefs Marshall, mit dem ihn die y Liebe zur Geschichtswissenschaft verband, auf sich zog, führten zu seiner Berufung nach Washington. Die Ereignisse von Pearl Harbour, die er längst, als Schwarzseher verschrien, vorausgesagt hatte, gaben ihm dann Gelegenheit, seine organisatorischen Fähigkeit in großem Maßstab auszuwerten.

Bei den ersten Besprechungen in den Katastrophenwochen des Ostasienkrieges wurde Winston Churchill auf den ruhigen Offizier aufmerksam, der entgegen der Ansicht der meisten Fachmänner den europäischen Kriegsschauplatz als den wichtigsten herausstellte und als Möglichkeit der Aufrollung der Achsenstellung eine kombinierte Landung von See- und Landstreit-kräten in Nordafrika vorschlug. Jedenfalls, als die Frage eines Befehlshabers der ameri-kanisdien Streitkräfte in Europa zu Beginn des Jahres 1942 auftauchte, fiel die Wahl General Marshalls auf Eisenhower, der am 24. Juli 1942 das Oberkommando antrat, dessen Bedeutung für den ferneren Verlauf des Krieges noch gar nicht abzusehen war.

Die Landung in Nordafrika

Die erste große Aufgabe war die Vorbereitung der geplanten Landung in Nordafrika, die der erste Schritt zur Herausbrechung Italiens aus dem Krieg und damit der Beginn der Aufrollung der deutschen Festung von Süden her sein sollte. Eisenhowers Besonnenheit überwand alle Schwierigkeiten, die sich in einem Bündniskrieg ergeben mußten, er übersah auch nicht die Hindernisse auf politischem Gebiete, wie sie in Nordafrika zu diesem Zeitpunkte vorhanden waren. Noch hatte die Vichy-Regie-rung großen Einfluß und de Gaulles Freiheitsbewegung hatte sich noch nicht bei allen französischen Generälen durchgesetzt. Doch Eisenhower wagte den Sprung nach dem afrikanischen Kontinent. Und die Landung glückte. Die Kriegführung der Achse und nicht zuletzt' Rommel wußte, was die Landung bedeutete und warum er sich mit aller Macht gegen die vorrückenden amerikanischen Truppen stemmte. Trotz eines Rückschlages der noch kriegsungewohnten Truppen, war im Mai 1943 der Sieg in Nordafrika auf Seiten der Alliierten. Die Operationen zur Einnahme Siziliens konnten beginnen. Von Malta aus leitete General Eisenhower die Landung und die schweren Schlachten, die

letzten Endes zum Sturz Mussolinis und zur Kapitulation Italiens führten.

Sizilien

Gerade vor der Landung auf Sizilien mußten Entscheidungen gefällt werden, die die schreckliche Einsamkeit einer schweren Verantwortung dem militärischen Führer zum Bewußtsein brachten. Einer seiner Biographen berichtet uns eine bezeichnende Episode in diesem Juli 1943: „Der General stand asm Strand von Malta. Die Nacht war warm Und die bombenzerstörten Ruinen glänzten silbern im Mondlicht. Ein leichter- Wind strich über die Felsen der Insel Und störte ihn, denn jede Kleinigkeit des Wetters konnte die bevorstehende Landung auf Sizilien unmöglich machen. Aber hier in dieser einsamen Stunde am. Strand sah er deutlich die volle Tragweite seiner Entschlüsse. Ein Sieg würde geteilt werden unter allen, die ihm halfen, e i n Mißlingen der Operation würde allein ihm angelastet werden. Der einsame Mann kniete nieder and betete für die vielen, die Unter seinem Kommando am nächsten Tag in den Kampf gehen sollten...“

Die schwerste Aufgabe

Das Jahr 1943 brachte die große Wende. Auf der Teheraner Konferenz wurde endgültig die Schlußoperation des Krieges, die Landung an der Westküste Frankreichs beschlossen. Wenige Tage nach Beendigung der Besprechungen in Teheran traf Eisenhower mit Präsident Roosevelt in der Nähe der Ruinen von Kar-

thago zusammen. Mit feinem Lächeln, wie Kenneth S. Dawis in seinem Buch „Soldat der Demokratie“ berichtet, teilte Roosevelt Eisenhower die Entscheidung mit, daß er zum höchsten Befehlshaber der alliierten Landungsstreitkräfte bestimmt sei. Damit übernahm der General eine Verantwortung größten Ausmaßes, denn die Landung an der Westküste Frankreichs, schon lange Zeit von dem britischen Generalleutnant Morgan verfochten, war technisch das schwierigste Unternehmen des ganzen Krieges.

Drei Tage vor der Invasion waren Premierminister Churchill und Feldmarschall Smuth in Eisenhowers Hauptquartier gewesen, um von der Küste die Verladungsvorbereitungen für die Landung zu be-

pbachten. Am gleichen Nachmittag besuchte

Churchill Eisenhower und bestand darauf, daß es ihm gestattet sein sollte, mit den ersten Angriffswellen am Invasionstag vorzugehen. Im ersten Moment dachte Eisenhower, der Premier, wie er ihn nannte, scherzte. Aber als er entdeckte, daß es Churchill durchaus ernst war, verweigerte er rundheraus seine Zustimmung. Das Risiko für Großbritannien, seinen berühmten Premierminister auf dem Höhepunkt seiner Kriegsanstrengungen zu verlieren, war zu groß. Aber Churchill, der diesen Tag herbeigesehnt hatte, beharrte noch immer auf seinem Willen und erst ein ausdrücklicher Befehl des englischen Königs konnte seine Absicht verhindern, mit den ersten Truppen an Land zu gehen. Er ließ sich jedoch später nicht abhalten, den historischen R h e i n ü b e r g a n g bei Remagen im. deutschen Feuer mitzumachen.

Der große Tag, der 5. Juni 1944, mußte noch einmal der Witterung wegen verschoben werden, aber am 6. Juni 1944 betraten die alliierten Truppen die Küste der Normandie. Sechs Tage später konnte Eisenhower bereits seinen Soldaten folgen. In den Anfangsschlachten, wie bei dem großen Durchbruch von Avranches, bewährte sich Eisenhowers ruhige Überlegenheit und vornehm glich er die in einem Bündniskrieg so häufig auftretenden Differenzen unterer Befehlshaber immer wieder aus. Und nicht nur die Lenkung der Operationen, auch, ähnlich wie in Italien, die Errichtung einer festen politischen Zivilverwaltung in den eroberten Gebieten, belastete den alliierten Oberkommandierenden. Während der Rückschläge der folgenden Kriegsmonate nach dem Beginn des Beschüsses von London mit V-Geschossen, insbesondere nach der deutschen Winteroffensive 1944 in den Ardennen, gelang es Eisenhower, ähnlich wie in Nordafrika, nach der Krise am Kasse-rinepaß, die Lage zu meistern und die gegen ihn erhobenen Kritiken durch die Tatsachen zu widerlegen. Wie sehr der deutsche Generalstab ihn als den wirklichen Feldherrn erkannte, ist aus den jüngsten Veröffentlichungen der Geheimakte im Nürnberger Prozeß bestätigt worden. Das Ergebnis der Anstrengungen Eisenhowers war die Unterzeichnung der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Armee.

Die Heimkehr

Die Aufgabe des Feldherrn war erfüllt. Daß ihn sein Heimatland mit der überschwenglichen Freude eines jungen Volkes empfing und zum Generalstabschef machte, war selbstverständlich.

Eines ist sicher, Eisenhower fällt in seiner ganzen Art aus der üblichen Form der' Generäle heraus; von seinen vielen Ansprachen, die er in den Vereinigten Staaten gehalten hat, ist vielleicht seine Rede beim Besuch der reichen Getreidegebiete des mittleren Westens am bezeichnendsten für ihn: „Nahrungsmittel! Hier ist die größte Produktionsstätte derselben in der ganzen Welt. Große Gebiete leiden an Hunger. Meine Mitarbeiter und ich kommen aus Ländern, wo Menschen an Hunger sterben, doch solange Hunger ist, wird kein Frieden sein und wir müssen Frieden haben und können nicht beiseite stehen. Die Augen der Welt sind deshalb auf uns gerichtet, auf den mittleren Westen Amerikas.“

Über die Zukunft der Welt aber äußerte sich Eisenhower voll Humor und Geist mit den folgenden Worten: „Ich wünsche, daß die Welt bald von allen Generälen befreit werde, einschließlich meiner eigenen Person.“

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