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Asienreise

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Vor seiner Abreise nach dein Fernen Osten erklärte Präsident Eisenhower in Washington, er habe viele gutgemeinte Mahnungen erhalten, zum gegenwärtigen Zeitpunkt von einer Reise nach Fernost Abstand zu nehmen. Er sei hier anderer Meinung.

Also startete Eisenhower zu einem Flug nach den Philippinen, Formosa, Japan und Südkorea: als Zivilist kommt er in Länder, in denen der kalte Krieg fast unvermittelt in Revolution und heißen Krieg überzugleiten scheint. Die Rotchinesen schießen ihm feuer-ernsten Salut aus hundert Batterien, die Quemoy mit Beschuß belegen, in Südkorea sieht ein enttäuschtes Volk auf die Ruinen und Scherben eines über ein Jahrzehnt von den Amerikanern ausgehaltenen Regimes, in Japan protestieren Hunderttausende gegen die „amerikanischen Mörder“, wobei alte Wunden von Hiroshima und Nagasaki, Wunden eines verlorenen Krieges, wieder aufbrechen.

Eisenhower ist ein mutiger Mann und zeigt sich, wenn alles gut ausgeht, nicht schlecht beraten. Die große Krise der amerikanisch-asiatischen Beziehungen zeigt nämlich zugleich die beginnende Wende an: die kommunistischen Störer wissen, was sie tun; sie wollen den bereits beginnenden Wandel aufhalten, verhindern. Jetzt eben schickt sich ja Amerika an, nicht einfach nur noch mit Schlachtschiffen und Bombern nach dem Osten zu fahren, sondern sucht, sehr ernst, den größeren Frieden; sucht ihn ohne falsche Furcht. Und stellt deshalb furchtlos einen Mann, einen Menschen, den Massen Asiens gegenüber.

Das zeigt Gesicht, das hat Gesicht. Nichts aber fürchten Rotchina und die kommunistischen Politiker und Agitatoren in Asien mehr, als eben dies: daß der Westen, und nicht zuletzt Amerika, im Bewußtsein der breiten Massen Asiens ein neues Gesicht gewinnt. In Indien ist dies bereits der Fall.

Die alten Römer hatten ein Sprichwort: Res ad triarios venit — die Schlacht rückt auf dem kritischen Höhepunkt an die Männer im dritten Glied heran. Der große Weltkampf, der durch Kriege alter Art nicht mehr weiterzuführen ist, verlangt jetzt den ganz persönlichen Einsatz von Männern, von Menschen, die sich von Angesicht zu Angesicht den Völkern der Erde stellen. Eben deshalb fürchten die Kommunisten in China und Asien den Besuch Eisenhowers, des Mannes, der sich persönlich stellt. Es kann sein, daß dieser vermutlich letzte Besuch Eisenhowers im Osten, in Asien, in seiner Präsidentschaft sein größter Erfolg wird; ein Erfolg für den ganzen Westen.

Inzwischen rollen pausenlos die Demonstrationen in Japan gegen Eisenhower und gegen Ministerpräsident Kishi, der sich persönlich für Eisenhowers Sicherheit in Japan verbürgt hat. Eisenhower selbst erklärte, daß er auf weitere Protestkundgebungen während seines Japanbesuches innerlich vorbereitet sei, und meinte dazu: In allen Ländern, die er besuche, hätten die USA gute Freunde, und überall seien die Freunde der USA in der Mehrheit: „Aber weil es freiheitliche Staaten sind, in denen Männer und Frauen sich frei versammeln, frei sprechen und frei kritisieren können, dürfen wir keine reglementierte Einigkeit über irgendeine Frage erwarten — nicht mehr, als wir das hier zu Hause erwarten.“

Nicht mehr, als hier zu Hause: das ist das Wort, ist wirklich das Gesicht einer neuen Außenpolitik. Sie rechnet anderen Völkern nicht mehr die Fehler der eigenen an. Diese seltene und kostbare Einsicht könnte eine innere Freiheit schaffen, die gelassen den inneren und äußeren Auseinandersetzungen entgegengeht; so ähnlich doch, wie der Mann da. der sich eben in die Brandungen am Rande Asiens begeben hat...

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