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Amerikas heißester Sommer (II)

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In Washington existiert das (ungeschriebene) Gesetz, daß kein Haus das Kapital an Höhe überragen darf. In diesem ästhetischen Anspruch des Kongreßgefoäudes spiegelt sich der politische Anspruch des Kongresses, an' politischer Bedeutung von niemandem, auch nicht vom Präsidenten, übertroffen zu werden. Die IIS-Verfassung mit der in ihr verankerten ausgeprägten Trennung der Gewalten gibt den beiden Häusern des Kongresses, dem Senat und dem Repräsentantenhaus, auch tatsächlich sehr viele Möglichkeiten, die Politik eines Präsidenten zu blockieren. Besonders Kennedy hat das schmerzlich erfahren müssen. Doch die in allen demokratischen Staaten feststellbare Tendenz, daß der wachsende Aufgabenbereich des modernen Staates faktisch nicht die Kompetenz des Parlaments, sondern die der Regierung vermehrt, hat auch Washington erreicht.

„Manche Kongreßmitglieder sprechen sogar von einer Verfassungskrise“, erzählte uns im neuen Bürogebäude des Senats Mr. Henderson, der leitende Beamte des Außenpolitischen Ssnatsausschusses. „Nun ist zwar eine derartige Diagnose wahrscheinlich übertrieben, aber die Ausdehnung der Exekutive ist eine beklagenswerte Tatsache.“ Johnson, der routinierte Exsenator, hatte am Anfang seiner Amtszeit ein überaus gutes Verhältnis zum Kongreß. Aber die Jahre der Harmonie zwischen dem Weißen Haus und dem Kapital sind vorbei. Für die Schwierigkeiten zwischen Regierung und Kongreß gab Henderson zwei Arten von Ursachen an: Die Exekutive tendiert ihrer Natur nach dazu, ihre Kompetenzen auszudehnen. Als Beispiel führte Henderson die riesige militärische Hilfe der USA an die verschiedensten Länder an, über die der Präsident ohne ausreichende Kontrolle durch den Kongreß entscheidet. Aber auch der Krieg in Vietnam muß hier erwähnt werden, den Johnson ohne die Kriegserklärung, die durch den Kongreß vorzunehmen wäre, führt.

Der Gegensatz Johnson—Fulbright

Zu diesem institutionellen Gegensatz kommen noch persönliche Auseinandersetzungen. Henderson meinte damit vor allem den Gegen-satsz zwischen Johnson und Senator Fulbright, dem Vorsitzenden des außenpolitischen Senatsausschusses. Johnson, der bis i960 Melhinheitsfüh-rer im Senat war, ist noch aus dieser Zeit gewöhnt, den Senat zu manipulieren. Als Mehrheitsführer hat sich Johnson auch kaum mit Außenpolitik beschäftigt. Fulbright, seit Jahren außenpolitischer Star des Senats, reagiert aber besonders empfindlich auf alle (tatsächlichen und vermeintlichen) Versuche, den Senat zu überspielen.

Der Gegensatz zwischen dem Demokraten Johnson und dem Demokraten Fulbright spitzt sich vor allem in der Vietnamfrage zu. Neigt Johnson eher zur interventionistischen Politik der „Falken“, so schwebt Fulbright ein neoisolationistisch eingefärbtes Konzept vor: Einstellung der Bombenangriffe auf Nordviefcnam und Gewöhnung an den Gedanken, daß die Präsenz der USA in Südvietnam auch einmal zu Ende gehen kann. Henderson versicherte uns, daß die Unzufriedenheit mit Johnsons Vietnatnpolitik im Senat wächst. Im Senat, steht es derzeit

unentschieden: Etwa vierzig der 100 Senatoren teilen mehr oder minder Johnsons Position, ebenso viele tendieren zu Fulbrights Auffassungen. Der Rest des Senats läßt sich kaum auf eine bestimmte Position festlegen. Der Außenpolitische Ausschuß, dem 19 Senatoren angehören, folgt in seiner Mehrheit aber eher Fulbright 'als Johnson.

Der wichtigste Problemkreis

Fullhrlight ist wahrscheinlich die bedeutendste Schlüsselfigur der Opposition gegen Johnsons Außenpolitik. Aber Fulbright ist Senator des Staates Arkansas, eines Südstaates. Und Fulbright kann nur dann mit einer Wiederwahl rechnen, wenn er in entscheidenden Fragen der Bürgerrechtsgesetzigebung den allgemeinen südistaatlichen Standpunkt teilt Fulbright, in der Außenpolitik das Leitbild aller, die sich in irgendeiner Form als Liberale fühlen, verhält sich in der wichtigsten Frage der Innenpolitik erzkonservatdv. Um sich sein außenpolitisches Profil leisten zu können, muß Fulbright die Innenpolitik der Südstaaten weitgehend mitmachen.

Die Rassenfrage ist das für die Zukunft der USA einschneidendste und schwierigste Problem; das hat dieser „heiße Sommer“ wieder deutlich gezeigt. Der Kongreß hat jedoch in letzter Zeit aufgehört, der Bedeutung dieses Problems gerecht zu werden. Die BüngerrecMsgesetogefoung ist praktisch schon seit Jalhren zum Stillstand gekommen, und nichts deutet darauf hin^ daß der Widerstand der Koalition zwischen konservativen Republikanern und südstaatlichen Demokraten gebrochen werden kann..

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