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J. WILLIAM FULBRIGHT / KRITIK ALS PATRIOTISCHE PFLICHT

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„Wenn man sein Land kritisiert, so erweist man ihm einen Dienst und macht ihm ein Kompliment. Man erweist ihm einen Dienst, wie die Kritik das Land anspornen könnte, Besseres zu leisten als bisher; man macht ihm ein Kompliment, weil in der Kritik der Glaube zum Ausdruck kommt, daß das Land Besseres leisten kann, als es der Fall ist.“

J. William Fulbrlght, der diese Sätze in seinem Buch „Die Arroganz der Macht“ formulierte, ist in den letzten Monaten zum heftigsten Kritiker der amerikanischen Außenpolitik in Südostasien, zum Führer der innerparteilichen Opposition gegen John-

sons Vietnampolitik geworden. Der Vorsitzende des Außenpolitischen Ausschusses des amerikanischen Senats kritisiert nicht allein die konkreten Maßnahmen des amerikanischen Präsidenten, er kritisiert ebensosehr die Motivation dieser Vietnampolitik, die er die „Asiendoktrin“ der USA nennt — eine Doktrin, die dem Antikommunismus gegenüber der Sympathie für den Nationalismus den Vorrang gibt und die USA zum „Gendarmen und Fürsorger für das gesamte nichtkommunistische Asien“ macht. „Die Grundlage meiner Kritik an der amerikanischen Politik in Südostasien und Lateinamerika ist die Überzeugung, daß es den Interessen der USA dienlicher ist, den Nationalismus zu unterstützen, als dem Kommunismus Widerstand entgegenzusetzen, und daß es — wenn beide in derselben politischen Bewegung angetroffen werden — in unserem Interesse liegt, lieber eine Beteiligung der Kommunisten an der Regierung des betreffenden Landes zuzustimmen als die grausame und fast unmögliche Aufgabe zu übernehmen, eine echte nationalistische Revolution zu unterdrücken. In Vietnam haben wir zugelassen, daß unsere Furcht vor dem Kommunismus uns wieder einmal zum Feind einer nationalistischen Revolution macht, und dadurch haben wir Verheerendes angerichtet.“

Fulbrights Kritik macht aber auch vor dem Senat und seiner eigenen Person nicht halt. Schließlich war es eine Resolution des Senats, die den Präsidenten zu „allen notwendigen Schritten, einschließlich des Einsatzes der bewaffneten Gewalf^ft* mächtigte. Heute, drei Jahre nach dieser Resolution, drei Jahre, in denen sich die USA immer tiefer in den Bürgerkrieg in Vietnam verstrickten, bekennt Fulbright, mit dieser Blankovollmacht wahrscheinlich „den kapitalsten Fehler seiner Karriere“ gemacht zu haben.

Diese politische Karriere nahm im Jahr 1942 ihren Anfang, als der damalige Hochschullehrer Fulbright zum Abgeordneten des Repräsentantenhauses gewählt wurde. J. William Fulbright, 1905 geboren, hatte schon damals einen ausgezeichneten Ruf als Fachmann in juristischen Fragen — er hatte zunächst Rechtswissenschaften studiert, sich daneben aber durch das Studium der Geisteswissenschaften, vor allem der Geschichte, eine umfassende akademische Bildung erworben. 1934 wurde er als Rechtsanwalt in der Bundeshauptstadt Washington zugelassen und noch im selben Jahr vom Justizministerium für Spezialaufgaben herangezogen. Als er 1945 in den Senat einzog, initiierte er das später nach ihm benannte intemotio-nale Studien- und Forschungs-

austauschprogramm, dessen

Hauptzweck die bessere Verständigung und die Förderung der kulturellen Beziehungen zwischen den USA und anderen (insgesamt 46) Ländern war. Österreich wurde durch ein Abkommen 1950 in dieses Programm einbezogen — seither haben mehr als 1000 Studenten, Lehrer und Wissenschaftler aus Österreich die USA besucht, fast ebenso viele Amerikaner erhielten ein „Fulbright-Stipendium“ für Österreich. 1.965 wurde Fulbright zum Ehrensenator der Universität Wien ernannt.

Der Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses, heute eines der rangältesten Mitglieder des Senats, erwarb sich bald den Ruf eines der intelligentesten und weitblickendsten amerikanischen Politiker. Wenngleich in innenpolitischen Fragen durch die Rücksicht auf seine vor allem in der Rassenfrage rechtsstehende Wählerschaft gehandikapt (Fulbright stammt aus den Südstaaten, aus Arkansas), wurde er in der Ära Kennedy zu einem der engsten Mitarbeiter des Präsidenten. Seine aufsehenerregenden Hearings über den Kurs der amerikanischen Außenpolitik machten den Senat zu einem Forum, auf dem sich das wachsende Unbehagen Amerikas am Krieg in Vietnam manifestiert, und damit zum wichtigsten Korrektiv der amerikanischen Regierungspolitik.

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