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Amerika im Blickfeld

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Amerika - ein unbekannter Riese? Wohl nur für jene, deren Anti-Haltung eine intensivere Auseinandersetzung mit den USA von vorneherein nicht zuläßt. Dem Interessierten aber steht mittlerweile eine Fülle von Literatur zur Verfügung, die ihm hilft, das Wesen der Vereinigten Staaten besser zu verstehen. Hier eine Auswahl:

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Amerika - ein unbekannter Riese? Wohl nur für jene, deren Anti-Haltung eine intensivere Auseinandersetzung mit den USA von vorneherein nicht zuläßt. Dem Interessierten aber steht mittlerweile eine Fülle von Literatur zur Verfügung, die ihm hilft, das Wesen der Vereinigten Staaten besser zu verstehen. Hier eine Auswahl:

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Schon 1788 hatte sich ein prominenter Amerikaner über die Ignoranz der Europäer in Sachen USA mokiert. Damals notierte der spätere Präsident John Adams: „Der Autor hat seit langem mit Sorge beobachtet, mit welcher Leichtigkeit es die bekanntesten Philosophen auf sich genommen haben, über amerikanische Angelegenheiten zu schreiben, ohne irgendetwas darüber zu wissen.”

Seit der Formierung der Vereinigten Staaten haben nicht nur Phüosophen, sondern auch weniger erhabene Beobachter des alten Kontinents Klischees und Vorurteile — meistens spöttelnd und herablassend — über den neuen Kontinent kundgetan. Die bevorzugten Bilder: das seelenlosmaterialistische, das nüchtern-utilitaristische, das traditionslos-künstliche oder das kulturlos-un-zivilisierte Amerika. Die europäische Amerika-Literatur ist in letzter Zeit aber doch differenzierter geworden.

So legt der deutsche Politologe Hartmut Wasser mit dem Band „Die USA—der unbekannte Partner” eine Dokumenten- und Materialiensammlung vor, die dem interessierten Laien die wichtigsten Aspekte des amerikanischen öffentlichen Lebens näherbringen will. Der Autor präsentiert auch viel Information über heiße Themen wie „Political Action Committees” oder amerikanisches Wählerverhalten, neben wichtigen Dokumenten wie der amerikanischen Verfassung. Leider orientiert sich Wasser zu sehr an modischen tabellarischen Aufschlüsselungen, was auf Kosten der Darstellung historischer Entwicklungen geht.

Darüber hinaus wundert man sich bei der Auswahl der Dokumente; warum lange Passagen aus den Wahlprogrammen der beiden Parteien von 1980 zitiert werden, wo man doch weiß, daß diese „platforms” als Aktionsprogramme nicht sonderlich ernst genommen werden, da sie aus Maximalforderungen der vielen Interessengruppen und -grüppchen zusammengeschustert werden. Eben weil diese „platforms” nicht bindend sind, sind sie meistens kurzlebig und von eher geringem bleibenden Wert.

Eine Einführung in die amerikanische Politik, Wirtschaft und Gesellschaft legt Hans Kleinsteuber in seinem Bändchen „Die USA” vor. Hier wird kurz und prägnant das Wissenswerte mit viel Liebe zum Detail vorgelegt. Gut gelungen sind dem Autor die Kapitel über die Minderheiten in den USA und die Darstellung über die Krise der Städte.

Besonders lesenswert zum Thema USA ist eine Sammlung von Reportagen aus vier Jahrzehnten, die in der deutschen Wochenzeitschrift „Die Zeit” erschienen sind und aus der Feder der Mitherausgeberin Marion Gräfin Dönhoff stammen. Die versierte deutsche Journalistin hat während vieler US-Reisen Impressionen gesammelt und immer wieder treffende Analysen geliefert.

In ihren frühen Impressionen schwelgt Dönhoff direkt vom Modellcharakter der amerikanisehen Demokratie - insbesondere für die Deutschen — nach dem Kriege: „Die offene, frei diskutierende, moderne Gesellschaft Amerikas, ihre Vitalität, ihr Optimismus und ihr Vertrauen in die Zukunft” waren in den frühen fünfziger Jahren eine Offenbarung für den europäischen Besucher.

Sind die Berichte aus dieser Zeit wenig kritisch, so wird Dönhoff in den frühen siebziger Jahren zusehends frustrierter über die abrupten Kurswechsel in der amerikanischen Außenpolitik -daher auch der Titel des Buches: .Amerikanische Wechselbäder”. Im Dezember 1971 registriert die Autorin eine „tiefe moralische Krise”. Nach den traumatischen Vietnamerfahrungen sind es die Amerikaner müde, die Last der Sicherheit der westlichen Welt alleine zu tragen.

Im Februar 1975 - der Höhepunkt der Watergate-Krise ist kaum überwunden und der endgültige Rückzug aus Vietnam nagt schmerzlich am Selbstvertrauen der Nation — ist die Autorin über die „Lust an der Selbst-zerfleischung, einem gewissen Masochismus, dem Vergnügen am Schwarzsehen und Kritisieren” entsetzt.

Aber schon im Juli 1976, als Jimmy Carter drauf und dran ist, das Weiße Haus zu erobern, sieht die deutsche Beobachterin die neue

Stimmung eines überwundenen Pessimismus. Die Nation hat sich innerhalb kürzester Zeit selbst gereinigt!

Besorgt aber fragt sie sich schon, was der unerfahrene Prediger und Erdnußfarmer aus dem Süden nach den für die Europäer „optimalen Jahren Nixon/Kis-singerscher Realpolitik” wohl verderben könne. Und tatsächlich sieht sie Carter bereits im März 1977 auf den „Irrwegen” des Wil-son'schen Moralismus.

1979/80, zur Zeit der Geiselnahme-Affäre in Teheran, ist die amerikanische Großmacht wieder vollends verwirrt und unsicher. Dies sollte sich aber rasch mit der Wahl Ronald Reagans ändern.

Heute wiederum ist Dönhoff nicht nur besorgt über Amerikas „Kraftmeierei”, sondern vor allem auch über das gestörte Verhältnis in den transatlantischen Beziehungen. Dabei müßte die Autorin eingestehen, daß unter Reagan die Bäder weniger wechselhaft geworden sind, die Abkühlungen weniger plötzlich kamen. Trotzdem ist das Bemühen Dönhoffs unübersehbar, während ihrer vielen Reisen Amerika verstehen zu lernen und vor allem dem deutschen Leser das Wesen der USA näherzubringen. Dies gibt dem Buch seinen besonderen Wert.

Seit einiger Zeit beschäftigt sich auch die wissenschaftliche Zeitgeschichte immer mehr mit dem bisher wenig beachteten Partner Amerika. Das geschieht zurecht, wenn man bedenkt, welche Rolle die USA heute in der Welt spielen und wie sehr sich das Machtzentrum von den westeuropäischen Metropolen nach Washington verschoben hat. Daher widmen sich junge Historiker insbesondere Themen der amerikanischen Außenpolitik, in die Europa mitverwickelt ist.

Peter Weilemann begibt sich in einer Studie über die „isolationistischen Impulse in der amerikanischen Außenpolitik in den siebziger Jahren” sehr kenntnisreich auf ein Terrain, das schon Dönhoff in ihren Analysen beschäftigte:

Warum wurden es die sonst so großzügigen Amerikaner müde, die Sicherheit der ganzen westlichen Welt beinahe im Alleingang zu finanzieren? Warum, so fragten Führer der demokratischen Partei wie Fulbright, McGovern, Mansfield, sollten amerikanische Hilfsgelder Diktatoren unterstützen, die zwar Antikommunisten sind, aber wenig von traditionellen amerikanischen Werten halten? Die vielen Dollarmilliarden sollten da besser für Reformen zuhause ausgegeben werden.

Weilemann arbeitet aus einer Fülle von Kongreßberichten, Senatshearings und Studien der Denkfabriken Strömungen eines Neoisolationismus heraus: Ein Rückzug auf den eigenen Kontinent erschien vielen Amerikanern nach den Vietnamerfahrungen angemessener, als von den weltweiten Verpflichtungen einer Supermacht überfordert zu werden. Der Autor stellt kritisch fest, daß einige der „Globalismuskritiker” bedenklich nahe daran kamen, die traditionellen amerikanischen Bündnisverpflichtungen der Nachkriegszeit zu vernachlässigen.

Obwohl das geschriebene Wort eingefleischte Antiamerikaner kaum bekehren wird können, kann festgehalten werden, daß dem Interessierten heute genügend einschlägige Literatur zur Verfügung steht, die traditionelle Amerikaklischees überwinden hilft.

DIE USA - DER UNBEKANNTE PARTNER. Materialien und Dokumente zur politisch-sozialen Ordnung der Vereinigten Staaten von Amerika. Von Hartmut Wasser. Verlag Ferdinand Schoeningh, Paderborn. 295 Seiten, Pbck., ÖS171.60. DIE USA. Politik, Wirtschaft, Gesellschaft. Von Hans J. Kleinsteuber. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 1984.308 Seiten, Pbck., öS 265.20.

AMERIKANISCHE WECHSELBÄDER Beobachtungen und Kommentare aus vier Jahrzehnten. Von Maria Gräfin Dönhoff. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1984. 319 Seiten, Ln., öS 249,60. WELTMACHT IN DER KRISE. Isolationistische Impulse in der amerikanischen Außenpolitik der siebziger Jahre. Von Peter Weilemann. Studien zur Zeitgeschichte, Band 20. Deutsche Verlagsanstalt. Stuttgart. 329 Seiten, Pbck., öS 296,40.

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