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Viele Rivalen ohne Gewicht

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Jimmy Carter und Leonid Breschnew unterschrieben in Wien SALT II. Aber wird auch nur einer von ihnen das Vertragswerk, falls es je Gesetzeskraft erlangt, zu exekutieren haben? Millionen in der Welt haben sich beim Anblick der beiden Präsidenten gefragt, wer denn ihre Nachfolger sein würden. Denn Breschnew ist körperlich und Carter politisch erkennbar angeschlagen.

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Jimmy Carter und Leonid Breschnew unterschrieben in Wien SALT II. Aber wird auch nur einer von ihnen das Vertragswerk, falls es je Gesetzeskraft erlangt, zu exekutieren haben? Millionen in der Welt haben sich beim Anblick der beiden Präsidenten gefragt, wer denn ihre Nachfolger sein würden. Denn Breschnew ist körperlich und Carter politisch erkennbar angeschlagen.

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Nur noch knapp einer von drei Amerikanern steht politisch hinter Jimmy Carter, hieß es am Vorabend des Gipfels unter Berufung auf Umfragen. Diese führen freilich völlig in die Irre, sofern man nur die vollen Ja-Stimmen wiedergibt, nicht aber das breite Spektrum derer, die weder begeistert noch angewidert sind. Aus dieser Gruppe könnte auch ein stark angeschlagener Carter noch allemal die Stimmendifferenz zur Mehrheit mobilisieren. Daß er ein besserer Wahlkämpfer als ein regierender Präsident ist, sollte man allmählich wissen.

Auch darf man sich von dem Geschrei mancher Senatoren gegen SALT II nicht irritieren lassen. Die Regierung ist der 67-Stimmen-Mehr-heit in Amerikas Prestigekammer schon heute nahe. Einige werden bis zur letzten Stunde ihr Ja hinauszögern, um sich (wirklich oder vermeintlich) zu profilieren und Zugeständnisse für lokale Brücken- und Kraftwerksbauten herauszuschlagen. Eine Niederlage Carters im Senat ist daher zwar nicht ausgeschlossen, aber doch weniger wahrscheinlich als ein Erfolg.

Im Falle einer Niederlage im Herbst ist zweierlei möglich: daß der geschlagene Präsident daraufhin freiwillig auf eine Wiederkandidatur verzichtet - oder daß seine politische Kampfwut dadurch doppelt angespornt und von dem Gedanken beflügelt wird, daß letztlich kaum jemals die Außenpolitik für die Wählerentscheidung der Amerikaner bestimmend ist. Aber da Carters innenpolitische Erfolge noch viel dünner sind, wäre doch Resignation das Wahrscheinlichere.

Falsch ist auf jeden Fall die auch in seriösen Zeitungen immer wieder anzutreffende Behauptung, Carter habe SALT II vor allem abgeschlossen, um wiedergewählt zu werden. Dazu ist das Risiko des Scheiterns doch zu groß und die Frucht eines Erfolges zu gering.

Setzt sich Jimmy Carter im Senat durch, dann darf man mit der Wiederkandidatur und Wiedernominie-rung durch seine Partei rechnen. Aber der vielbelächelte Erdnußfarmer aus Plains in Georgia ist immer für eine Überraschung gut. Daß er im Senat triumphiert und dann lachend seinen freiwilligen Verzicht auf eine Wiederbewerbung verkündet: Auch das ist nicht völlig undenkbar. Dieser Mann denkt und handelt anders als die meisten Praktiker der Macht.

Verzichtet Jimmy Carter, dann ist Edward Kennedy, der 47jährige Senator aus Massachusetts, der wahrscheinlichere Kandidat der Demokratischen Partei: trotz des Widerstands seiner betagten Mutter, die ein drittes Attentat fürchtet, trotz der kaputten Ehe, trotz der „Affäre Chap-paquiddik“ (die ertrunkene Sekretärin ...)

Jerry Brown, der 41jährige Jesuitenzögling und Zen-Schwärmer auf dem Sessel des Gouverneurs von Kalifornien, wird heute außerhalb seines Staates weniger ernstgenommen als vor einigen Jahren noch. Auch politische Blumenkinder welken rasch dahin.

Ob ein Carter oder ein Kennedy die Präsidentenwahl im November 1980 gewinnen könnten, hängt von der Qualität ihres republikanischen Gegenkandidaten ab. Daß ein rundes Dutzend Bewerber Gewehr bei Fuß stehen, beweist, daß die Partei viele mittelmäßige Kandidaten hat, aber keinen starken Favoriten.

Derzeit sieht es so aus, als wäre der 62jährige Texaner John Conally, ejn konservativer Wirtschaftsmann, der als Demokrat in die Regierung Nixon geholt wurde und dort zum Republikaner konvertierte, einer der besten Tips. Aber er hat ein entscheidendes Handicap: Alle jene, denen Jimmy Carter zu konservativ, zu wenig neger- und armen- und arbeiterfreundlich ist, können Conally noch weniger ausstehen und würden zähneknirschend, aber doch den Georgianer wählen.

Ähnliches gilt für Ronald Reagan, den alternden Mimen aus Kalifornien (68), der noch immer eine hervorragende Organisation, aber wenig neue Ideen hat. Nach Möglichkeit noch konservativer und noch chancenärmer sind Senator Robert Dole (55) von Kansas und der Kongreßabgeordnete Philip Crane (48) von Illinois, die freilich beide heftig rudern.

Kein ernsthafter Bewerber ist Ex-NATO-General Alexander Haig, dem die politische Basis fehlt. Den Demokraten ernster gefährlich werden könnten allenfalls George Bush (54), auch Texaner, einstmals CIA-Chef, UN-Botschafter und China-Gesandter, und Senator Howard Baker (53) von Tennessee.

Bush hat mit seiner relativen Unbekanntheit zu kämpfen, die allerdings auch Jimmy Carter (vor vier Jahren noch „Jimmy wer?“) erfolgreich überwand. Howard Baker aber gehört der halbrechten Mitte der GOP („Grand Old Party“) an und hat sich als Fraktionsführer der Republikaner im Senat gut geschlagen. Aber auch für ihn stellt sich das Problem, wie man sich gegenüber einem Demokraten profilieren soll, der für manche seiner eigenen Parteifreunde zu konservativ ist, den aber ein Republikaner unmöglich links überholen kann.

So gesehen, hätte ein Republikaner gegen einen „linken“ Kennedy in einer Zeit, da die Grundstimmung in den USA eher konservativ ist, vermutlich eine bessere Chance. Und so gesehen, ist es immer noch am wahrscheinlichsten, daß der Nachfolger von Jimmy Carter - Jimmy Carter heißen wird.

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