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Frauen als Stolperstein

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Bill Clinton ist mit Sicherheit einer der großen Hoffnungsträger unter den jüngeren Politikern der USA. Wird die Demokratische Partei aber ihren Präsidentschaftskandidaten auf dem Parteikonvent in New York heute, 9. Juli, mit dem notwendigen Enthusiasmus der Öffentlichkeit präsentieren? Die Amerikaner messen Clinton nämlich an Frauengeschichten und nicht an seinem politischen Image.

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Bill Clinton ist mit Sicherheit einer der großen Hoffnungsträger unter den jüngeren Politikern der USA. Wird die Demokratische Partei aber ihren Präsidentschaftskandidaten auf dem Parteikonvent in New York heute, 9. Juli, mit dem notwendigen Enthusiasmus der Öffentlichkeit präsentieren? Die Amerikaner messen Clinton nämlich an Frauengeschichten und nicht an seinem politischen Image.

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Mit 45 Jahren ist Bill Clinton einer der jüngsten Bewerber um das Präsidentenamt; er repräsentiert idealtypisch den amerikanischen Traum eines Bildungsbürgers, mit Ehrgeiz und Intelligenz ganz nach oben kommen zu können: In Arkansas in eine Mittelstandsfamilie hineingeboren, verlor er bereits vier Monate vor seiner Geburt seinen Vater durch einen Verkehrsunfall. Und obwohl Clintons Stiefvater Alkoholiker war und die Familie tyrannisierte, absolvierte Bill eine glänzende akademische Karriere an der katholischen Top-Universität Georgetown, an den Universitäten von Yale und als Rhodes-Stipendiat in Oxford, England. In seiner Familie kam ihm dabei die schwierige Rolle des starken „good guy" zu, der seine Mutter und Geschwister gegen den Vater zu verteidigen hatte.

Als Pfadfinder durfte der kleine „Willi" 1963 dem großen Vorbild John F. Kennedy im Garten des Weißen Hauses die Hand schütteln, was in ihm den unbändigen Wunsch weckte, Politiker zu werden. Clinton ist daher in seinem politischen Weltbild von den Leitideen der „great society" Lyndon B. Johnsons, der Bürgerrechtsbewegung und der Anti-Viet-namkriegs-Bewegung geprägt. Als Student arbeitete er im Stab des einflußreichen Bildungspolitikers und demokratischen US-Senators J. William Fulbright und leitete 1972 den -erfolglosen - Präsidentschaftswahlkampf von George McGovern in Texas. Im Alter von 28 Jahren gewann er gegen einen eingesessenen Republikaner einen Sitz im US-Kongreß. Und 1978, mit 32 Jahren, wurde er zum - jüngsten - Gouverneur seines Heimatstaates Arkansas gewählt.

Clinton, der sich mit seiner brillanten Frau Hillary - sie zählt zu den Top-Anwältinnen in den USA - gerne in stundenlange intellektuelle Nachtgespräche verwickelt, sammelte junge liberale Löwen aus den Spitzenuniversitäten der Ostküste an seinem Amtssitz und hatte im damals ärmsten und rückständigsten aller US-Bundesstaaten für alles und jedes ein Programm. Die Wähler dankten ihm sein hastiges Tempo nicht und erteilten ihm nach einer „Nummerntafel-Steuer" eine bittere Abfuhr. 1982 entschuldigte er sich bei der Bevölkerung für seinen politischen Heißsporn und konnte das Gouverneursamt überzeugend zurückerobern, das er seitdem mit großer Popularität ausübt. Die Gouverneurskonferenz der USA hat ihn für seine Aktivitäten zum „wirkungsreichsten Gouverneur" gewählt.

Bill Clinton ist - im guten Sinn -von einer sozialen Leidenschaft für Menschen und von seiner Berufung zur Politik getrieben. Sein unbezwei-felbarer Erfolg wird aber, so absurd das auch klingen mag, davon überschattet, daß die „Supermarkt-Medien" (denen gegenüber deutschsprachige Tratschblätter absolut harmlos sind) ihm eine weitgehend angedichtete Affäre mit einer wasserstoffblonden Kleinbühnenschönheit angehängt haben, die in den USA naturgemäß gleich zum „Sex-Skandal" aufgeblasen wurde. Er hat seitdem die größten Schwierigkeiten, vom Image des untreuen „flotten Willi" wegzukommen.

Und zum anderen hat die Demokratische Partei selbst Imageschwierigkeiten, als links-liberale „Umverteilungsparte mit der Tendenz zu fiskalischen Lösungsansätzen die unbestritten großen Probleme der USA auf seriösem Weg lösen zu können. Clinton weiß, daß die DP ihre Basis erneuern muß, ohne die traditionelle Klientel in der organisierten Arbeit und bei den (eingewanderten) Minderheiten politisch heimatlos zu machen. Clintons - für Demokraten nicht selbstverständliches - Grundrezept lautet daher, für wirtschaftliches Wachstum und soziale Gerechtigkeit gleichzeitig zu sorgen.

Bill Clinton hat in diesem Wahlkampf zum Unterschied zu einem weitgehend überzeugungslosen Präsidenten George Bush und dem sagenhaften Reiter auf dem weißen Pferd hinter den texanischen Bergen, H. Ross Perot, genaue Vorstellungen von dem, was er als Präsident der USA erreichen will: eine detaillierte und tiefgreifende Bildungsreform; fiskalische Mehrbelastung der Superreichen, denen rund 90 Prozent des amerikanischen Vermögens gehören; damit sollen wesentliche Teile der erodierenden Infrastruktur des Riesenstaates erneuert und erweitert werden; Bau von Hochleistungsbahnen in Urbanen Ballungsräumen; Erleichterungen im Sozialsystem für die „vergessene" Mittelschicht; strikte Kostenkontrolle im Gesundheitssystem, das von den Geldanlegern als fetter Gewinntopf mißbraucht wird; universale Krankenversicherung für jedermann in einem Land, in dem rund 30 Prozent der Bevölkerung nicht versichert sind.

Gelingt es Clinton, sich bei den Amerikanern mit seinem „Rettungsprogramm" Gehör zu verschaffen, sind seine Chancen recht gut. Einen Aufwärtstrend kündigt eine jüngste ABC-News-Meinungsumfrage an, in der er mit 33 Prozent vor Perots 31 Prozent führt - vor einem abgeschlagenen Bush mit 28 Prozent.

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