Mit Gott als Rammbock

Werbung
Werbung
Werbung

Die religiöse Rechte in den USA will die "gottesfürchtige Oberherrschaft" gewinnen, aber nicht indem sie Seele für Seele, sondern Wahl für Wahl gewinnt.

Ohio verdankt George w. Bush seine zweite Präsidentschaft. Mit einer äußerst knappen Mehrheit gewinnt Bush 2004 in diesem Bundesstaat vor seinem Herausforderer John Kerry. Ohio hat zu den so genannten "battleground states" gezählt, also zu jenen Bundesstaaten, bei denen nicht klar war, ob sie Bush oder Kerry zufallen. Um die "midterm elections" im nächsten Jahr, bei denen in das Repräsentantenhaus mehrere Senatoren und Gouverneure zur Wahl stehen, nicht wieder zu einer Zitterpartie ausarten zu lassen, rüstet sich die konservative, religiöse Rechte in Ohio bereits jetzt.

Ein Projekt, das dabei helfen soll, die republikanischen Sympathisanten zu organisieren und 2006 zur Wahlurne zu bewegen, ist das so genannte "Ohio Restoration Project" des christlichen Fundamentalisten Pastor Russell Johnson. Ziel der Kampagne ist es, bis Ende nächsten Jahres mit Hilfe von 2000 so genannten "Patriotischen Pastoren" aus unterschiedlichen christlichen Glaubensgemeinschaften (vor allem Evangelikalen, Baptisten, Katholiken und Pentecostalen), 500.000 neue Wähler zu registrieren, Aktivisten zu gewinnen und Kandidaten auf die rechte politische Agenda einzuschwören. Höhepunkt soll die Veranstaltung "Ohio für Jesus" im Frühling nächsten Jahres sein, bei der die Schwergewichte der christlichen Rechten in den usa - Pat Robertson und James Dobson - erwartet werden.

"Washington for Jesus"

Ganz neu ist diese Vorgehensweise zur Wählermobilisierung durch die religiöse Rechte in den usa nicht. Bereits 1980 und 1988 gab es ähnliche Großveranstaltungen ("Washington for Jesus"), bei der einmal Ronald Reagan und einmal der Präsidentschaftsanwärter Pat Robertson den Segen durch stramm-rechte Kirchengänger erhielten. Lediglich Reagan hat es etwas genutzt.

Die rechte christliche Bewegung in den usa ist seit Anfang der 1980er Jahre tatkräftig und erfolgreich dabei, auf jeglicher politischen Ebene Einfluss zu gewinnen und auszubauen. Sie hat es innerhalb von 25 Jahren geschafft, die Republikanische Partei für den Kampf um ihre gottesfürchtige politische Agenda zu gewinnen bzw. zu unterwandern und ist mittlerweile zu einem festen Bestandteil derselben geworden. Etwa zur gleichen Zeit erkannten auch die Republikanischen Strategen, dass mit der Einbindung der rechts-konservativen, mehrheitlich aus evangelikalen Protestanten bestehenden Christen in die "Gute alte Partei" Lincolns die Wählerbasis drastisch ausgebaut werden kann.

Die Christliche Rechte fordert eine starke staatliche Rolle lediglich zur Aufrechterhaltung traditioneller religiös-moralischer Werte und Institutionen, wie die Familie und die traditionelle Ehe zwischen Mann und Frau. Sie schreckt nicht davor zurück, Schulbücher umzuschreiben, um den Kindern die christliche Version amerikanischer Geschichte näher zu bringen oder Gerichtssäle mit Richtern ihrer biblischen Weltsicht zu bestücken. Nach ihrer Ansicht war es auch niemals Absicht der Gründerväter Staat und Religion zu trennen. "Das Erste Amendment sagt nicht, dass es eine Trennung von Staat und Religion geben soll. Es meint vielmehr, dass die Kirche vom staatlichen Einfluss abgeschirmt werden soll", meint etwa Alan Sears, Präsident des "Alliance Defense Fund", einer Organisation, der 750 Anwälte angehören und die es sich zur Aufgabe gemacht hat, gegen Abtreibung und gleichgeschlechtliche Ehe anzukämpfen.

"Gottes Vizeregenten"

Die effektive politische Propagandamaschinerie der christlichen Fundamentalisten hat im letzten Präsidentschaftswahlkampf vier Millionen neue Wähler zu den Urnen, Bush zurück ins Weiße Haus und 32 neue republikanische Abgeordnete in den Kongress gebracht. In unzähligen Bundesstaaten hat es die religiöse Rechte bereits geschafft, sowohl in der Exekutive wie in der Legislative ihre Gefolgsleute zu etablieren. Die strategische Unterwanderung der Judikative ist ein weiteres Ziel in diesem Kulturkampf.

Trotz all ihrer politischen Erfolge fühlt sich die Christliche Rechte immer noch als unterdrückte und verfolgte Minderheit im Land. James Kennedy etwa, einer der "Godfathers" der rechten Aktivisten und Chef der "Coral Ridge Ministries" beschreibt den Kampf gegen das gottlose, säkulare Amerika folgendermaßen: "Unsere Aufgabe ist es Amerika für Christus zurückzugewinnen, koste es was es wolle. Als Gottes Vizeregenten haben wir die Verpflichtung, in unserer Nachbarschaft, in den Schulen, innerhalb der Künste, in den Sportarenen, in unserer Unterhaltungs- und Nachrichtenindustrie und in den Wissenschaften - kurz gesagt, in allen Bereichen der Gesellschaft - die gottesfürchtige Oberherrschaft zu gewinnen." Mit dem Ziel, Amerika zu retten, aber nicht, indem man "Seele um Seele, sondern Wahl um Wahl gewinnt".

Theokratische Republikaner

Bill Moyers, ein progressiver tv-Journalist und ehemaliger Mitarbeiter der Präsidenten Kennedy und Johnson, sagt dazu: "Es ist wahr, dass es im Laufe der Geschichte der usa immer wieder Menschen gab, die versucht haben ihre biblische Weltsicht auf die Gesetzgebung und die Moral Amerikas anzuwenden. Was heutzutage allerdings einzigartig ist, ist die Tatsache, dass die radikale Rechte erfolgreich eine der zwei großen amerikanischen politischen Parteien übernommen hat. Das Land ist noch keine Theokratie, aber die Republikanische Partei ist eine. Die christliche Rechte versucht die politische Ausrichtung der usa nach ihren Vorstellungen zurecht zu biegen und benutzt dabei Gott als Rammbock für ihre Themen."

James Madison, der vierte Präsident der Vereinigten Staaten, hat in einer Rede im Jahr 1803 betont: "Die Trennung von Kirche und Staat hat den Hintergrund, jenen nicht enden wollenden Kampf zwischen beiden Fronten, der den Boden Europas für Jahrhunderte mit Blut getränkt hat, für immer zu beenden." Die Christliche Rechte in den usa hat Madison und seine Überzeugung aus ihren Geschichtsbüchern gestrichen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung