Ein Amerika in schwarz und weiß

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In den 1950er-Jahren hoffte die evangelikale Bevölkerung der USA auf die Wiederkunft des Messias. Nun scheinen sich ihre Hoffnungen auf Donald Trump zu konzentrieren.

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In den 1950er-Jahren hoffte die evangelikale Bevölkerung der USA auf die Wiederkunft des Messias. Nun scheinen sich ihre Hoffnungen auf Donald Trump zu konzentrieren.

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Die jüngsten Umfragewerte des Pew Research Forums in den Vereinigten Staaten zeichnen ein deutliches Bild im Wahlverhalten der US-Amerikaner bei den kommenden Präsidentschaftswahlen: 78 Prozent der weißen evangelikalen Bevölkerung gaben an, Donald Trump bei seiner Kandidatur für das Weiße Haus zu unterstützen, wobei 89 Prozent der schwarzen protestantischen Wählerschaft die jüngst nominierte Vertreterin der demokratischen Partei, Hillary Clinton, unterstützen werden. Diese Umfragewerte unterstreichen das Gefühl, welches sich nach Berichten über weiße Polizeigewalt gegenüber Schwarzamerikanern in den letzten Wochen und den darauf folgenden hitzigen Debatten in den sozialen Netzwerken aufdrängt: Das Denken in schwarzer und weißer Hautfarbe ist keinesfalls aufgebrochen.

Obwohl schon im 20. Jahrhundert sowohl von christlichen Denkern, wie Martin Luther King jr., oder muslimischen Vorkämpfern der schwarzen Bürgerrechtsbewegung, wie Malcolm X, verurteilt, halten sich die Muster rassenorientierten Denkens hartnäckig. Die gegenüberstellende Logik von "uns gegen sie" feiert in der gewaltsamen Ungleichbehandlung von Afroamerikanern durch die Polizei und den damit verbundenen anhaltenden Protesten und Aufmärschen auch eine mediale Auferstehung in den neuen Netzwerken, die sich auch im politischen Verhalten der amerikanischen Bevölkerung niederschlägt. "Beide lesen doch dieselbe Bibel " hatte Abraham Lincoln bei seinem zweiten Amtsantritt 1865 über die Nord-und Südstaaten, die durch die Sklavenfrage gespalten waren, gesagt. Ähnliches kann auch 2016 gelten: Beide Gruppen sind protestantisch, lesen die Bibel und beten zum selben Gott -doch ihre politische Einstellung ist diametral entgegengesetzt.

Berechnender Wahlkampf

Dies muss natürlich auch von den Nominierten der beiden Großparteien in ihr politisches Kalkül einberechnet werden. Die Logik der politischen Botschaften zwischen Demokraten und Republikanern versucht, die Sprache ihrer Kernwählerschaft zu sprechen: So muss Donald Trump darauf achten, dass er mit der weißen evangelikalen Bevölkerung seine wichtigste Wählerbasis bei Laune hält und möglichst auch noch konservativere Kreise anderer religiöser Gruppen ("mainline"-Protestanten, Katholiken) anspricht. Mit seinen offensiven Parolen gegen die mexikanischen Einwanderer (Mauerbau gegen Mexiko) muss er sich, glaubt man den jüngsten Umfragen, jedoch nicht zurückhalten: Denn mit 80 Prozent stehen die mehrheitlich katholisch gläubigen Lateinamerikaner hinter seiner demokratischen Konkurrentin. Auf der anderen Seite findet die erste weibliche Präsidentschaftskandidatin einer der beiden Großparteien bei der weiblichen, nicht-evangelikalen Wählerschaft breite Unterstützung - mit nur geringen Abweichungen in religiösen oder ethnischen Gruppen. Für beide scheint es aber fast eine "mission impossible" zu sein, die eigene Botschaft über den Rand der Kernwählerschaft hinaus an die Wähler zu bringen.

Eines wird aus dem prognostizierten Wahlverhalten in den USA auch deutlich: Ähnlich wie in den Wahlergebnissen europäischer Staaten zeichnet sich ab, dass die rechtspopulistische Politik vor allem die weiße männliche Bevölkerung mit ihren Parolen anspricht. Die offensive Sprache dieser Gruppierungen, die nicht selten mit der Angst der Bevölkerung und der scheinbar schlechten Lage der Nation spielt ("Make America great again") und die eigene Person als Retter aus dieser misslichen Lage stilisiert, kann offenbar genau in dieser Bevölkerungsgruppe diesseits wie jenseits des Großen Teiches punkten. Das Denken in schwarz-weiß, die Logiken des Ausschließens und der Abwehr von "uns" gegen "sie", feiert ein - um mit der Sprache amerikanischer Evangelikaler zu sprechen -"revival" ("Erweckung"), das in den USA ähnlich bereits nach dem 2. Weltkrieg vor allem von fundamentalistischen Predigern gegenüber der "kommunistischen Bedrohung" genutzt wurde.

Donald Trumps Polit-Stil kann somit auf prominente Vorbilder wie Carl McIntire zurückgreifen und sich an diesen orientieren. Und viele in der US-Bevölkerung hören auf diese Botschaft - es ist der Rückgriff auf ein Denken, das mit Angst und dem Gefühl der eigenen Unzufriedenheit spielt. Die Reden auf dem republikanischen Nominierungsparteitag hatten den fast durchgehenden Tenor, dass das Gefühl der Unsicherheit, Kriminalität und Gefahr die Vereinigten Staaten prägt. Selbst als die Redner mit Statistiken und Zahlen konfrontiert wurden, die offenlegten, dass während der letzten acht Jahre unter der Präsidentschaft Obamas die Kriminalität bundesweit zurückgegangen ist, blieben sie bei ihrer Botschaft: Die Vereinigten Staaten brauchen einen starken Retter, um ihr politisches Selbstbewusstsein wieder ins Lot zu bringen. Hatte jedoch in den 1950er-Jahren die Mehrheit der evangelikalen US-Bevölkerung, die in der Naherwartung der Wiederkunft Christi leben, diese Hoffnung auf den kommenden Messias gesetzt, so scheint man diese 2016 auf einen Immobilienmogul zu konzentrieren, der in seiner Schwarz-Weiß-Logik die Wahlberechtigten der USA ebenso spaltet wie es dem Kampf zwischen Mächten des Lichts und der Finsternis fundamentalistischer Denkweisen entspricht.

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