Keine Heilung für den TRAUM AMERIKAS

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abseits der Entgleisungen aus der sexistischen oder rassistischen Mottenkiste möchte Präsidentschaftskandidat Donald trump die Usa wieder "groß" machen.

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abseits der Entgleisungen aus der sexistischen oder rassistischen Mottenkiste möchte Präsidentschaftskandidat Donald trump die Usa wieder "groß" machen.

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Wenn die US-Bürger am 8. November den Präsidenten wählen, geht es um mehr als um den Einzug ins Weiße Haus: Denn das Amt des Präsidenten steht sinnbildlich für die Realisation des US-amerikanischen Geistes selbst. Doch scheint 2016 der amerikanische Traum auf der Kippe zu stehen: In seinen Wahlkampfslogan "Make America great again!", mit dem der Präsidentschaftskandidat der Republikaner, Donald Trump, die Mengen mobilisieren will, wird die zentrale Richtung seiner politischen Botschaft deutlich.

Im Rückgriff auf den bereits von Ronald Reagan 1980 verwendeten Satz diagnostiziert Trump den USA und ihrer politischen Gesundheit offenbar tief greifende Leiden, die ihnen in der aktuellen Weltlage schwer zu schaffen machen: Die USA seien zurzeit ganz und gar nicht mehr großartig. Sie hätten vielmehr ihre Berufung als "Licht für die Völker" Schritt für Schritt eingebüßt und stünden nun vor dem Scherbenhaufen ihrer eigenen Erfolgsgeschichte. Trump selbst hingegen stilisiert sich als der Universalheiler für all die wirtschaftlichen und politischen Krankheiten, die er in der US-Gesellschaft zu erkennen glaubt und denen er die Schuld für die missliche Lage des Landes gibt.

Die Stadt auf dem Berg

Wird hier sicherlich die populistische Schreibart seiner Politik mehr als deutlich zum Ausdruck gebracht, trifft dieser Slogan jedoch einen zentralen Nerv des amerikanischen Selbstbewusstseins: Das Bild, dass die US-Gesellschaft das Zentrum des Weltgeschehens schlechthin ist und als Ideal für die Völker dienen soll, hat einen deutlichen Knacks bekommen.

Dieses Selbstverständnis hängt auch mit protestantischen Motiven der ersten puritanischen Siedler zusammen. John Winthrop, der religiöse und politische Führer der ersten Auswanderer im heutigen Boston, brachte es mit den biblischen Worten "Die Stadt auf einem Berge", die leuchtend von allen Völkern gesehen werden muss, auf den Punkt. Trotz der religiösen Toleranz und der festgeschriebenen Neutralität des Staates in Sachen religiösen Lebens, konnte sich dieser Führungsanspruch, der gleichsam ein göttliches Erwählungsgeschehen darstellt, in die Idealvorstellungen vieler US-Bürger einprägen und wird bis heute auf vielerlei Weise gelebt, was den US-Soziologen Robert Bellah bereits in den 1960er-Jahren zu seiner Theorie der amerikanischen "Zivilreligion" inspiriert hat.

Einen entscheidenden Teil zu dieser Sakralisierung Amerikas tragen auch Religionsgemeinschaften bei, die die USA als das gelobte Land mit göttlicher Führung in der Welt hochstilisieren: Das beste Beispiel hierfür ist wohl die von Joseph Smith gegründete "Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage"(Mormonen). Diese Gemeinschaft verbindet mit der Neuen Welt nicht nur einen politischen, sondern auch einen göttlichen Führungsanspruch, was die protestantische Haltung der ersten europäischen Einwanderer noch radikaler zum Ausdruck bringt. Trennen diese Gruppen zwar grundlegende Glaubensdifferenzen, was die Mormonen lange an den Rand der Gesellschaft gedrängt hatte, sind sie sich bezüglich des Stellenwerts der USA in der Welt durchaus einig.

Konservative vermehrt im Fokus

Diese Einigkeit bezüglich des Führungsanspruches der USA, die oftmals mit einer konservativen Lebenseinstellung, Werteordnung und Wirtschaftseinstellung einhergeht, versuchen besonders republikanische Politiker für ihre Zwecke zu nutzen. So auch Trump, wenn er an den amerikanischen Traum appelliert bzw. dessen Heilung als Zweck seiner Kandidatur und Präsidentschaft herausstreicht.

Doch findet diese lange Zeit wirksame Botschaft schon länger nicht mehr das gewünschte Gehör, weil weite Teile der liberaleren Religionsgemeinschaften in den USA mit diesem Erwählungsbewusstsein nur mehr wenig anzufangen wissen: Die Republikaner haben es zunehmend schwer, die Schnittmenge von Liberalen und Konservativen aller religiösen Lager anzusprechen. Die republikanischen Strategien zeichnen sich verstärkt durch die Fokussierung auf die konservative Zielgruppe aus, die jedoch jene Wählerschaft, die sich nicht schon im Vorhinein als unveränderbar republikanisch bezeichnet, nur mehr schwer erreicht. Hier wird deutlich: Was viele Jahrzehnte als "amerikanischer Traum" unhinterfragt angenommen wurde, gleichsam als "säkulares Dogma", das von seinen religiösen Wurzeln entkleidet wurde, ist selbst zur Frage geworden.

Religiöse Radikalisierung

Ein extremes Beispiel dieser zweifelnden Haltung ist die kleine Westboro Bapist Church. Diese auf den Prediger Fred Phelps in den 1950er-Jahren zurückgehende Gruppe stellt zwar einen fundamentalistischen Einzelfall dar. Ihre Kernaussagen (z. B. "9/11 war Gottes Werk") arbeiten zentral mit der Vorstellung der religiösen Erwählung Amerikas und des damit verbundenen Traumes, aber sie argumentieren, dass die USA jeglichen Anspruch auf diese göttliche Erwählung wegen zu liberaler Gesetze bezüglich Homosexualität, Frauenrechte oder religiöser Freiheit verloren hätten. Damit hätte man den Zorn Gottes auf sich selbst gezogen: Verlorene Kriege, terroristische Anschläge und die Vielzahl von Katastrophen unterschiedlichster Art in den USA seien Ausdruck des Rachegelüstes Gottes selbst. So beten die Mitglieder in öffentlichen Demonstrationen für weitere Schicksalsschläge für die Nation und deren Bürger. Hier wird der "American Dream" religiös radikalisiert, mit dem biblischen Motiv des Bundesbruchs Israels zusammengeführt und dient als Interpretationsfigur politischer Geschehen in der US-Gegenwart.

Diese extreme Gruppe zeigt: Der amerikanische Traum berührt die Menschen in den USA weiterhin, doch herrscht heute wachsende Uneinigkeit in der Frage, was denn nun dieser Traum ist. Donald Trump steht vor einem doppelten Problem: Nicht nur, dass er mit Skandalen und Entgleisungen viele vor den Kopf stößt, er kann sich auch nicht mehr auf die althergebrachte Taktik und Wirtschaftslobby der republikanischen Partei, die noch Ronald Reagan den Einzug ins Weiße Haus ermöglicht haben, verlassen. Für Trump wie auch Hillary Clinton bleibt die Frage, wie man die US-Bürger anspricht: Als Träumende, die sich der Idealität des "American Dreams" verschrieben haben und diese zurücksehnen, oder als Menschen, die mit diesem Traum nicht mehr viel anzufangen wissen und vielleicht sogar gerne aus einem verträumten Zustand der Selbstbeweihräucherung aufzuwachen versuchen.

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