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Klarer Gottesbezug ist in den USA ein selbstverständliches Moment der Politik. Das zeigt sich besonders im Kampf ums Weiße Haus: Auch der nächste Präsident wird fromm sein.

Für europäische Verhältnisse mag es etwas fremd erscheinen, wenn Mitt Romney, möglicher Präsidentschaftskandidat der US-Republikaner für die Wahl am 6. November 2012, von der amerikanischen Verfassung als "von Gott inspiriert“ spricht. In den USA, der "Nation unter Gott“, sieht man das allerdings anders.

Schließlich haben sie es alle getan: George Washington war der Vorreiter, Abraham Lincoln und John F. Kennedy taten es ihm gleich und auch George W. Bush beherrschte es. Sie alle, ob Atheisten, Agnostiker oder Gläubige, ob Protestanten oder Katholiken, ob konservativ oder liberal, sprachen bei ihren öffentlichen Reden von und über Gott. Republikaner, die seit dem Aufstieg der evangelikalen Rechten nach 1970 ihre Religiosität zu einem zentralen Markenzeichen gemacht haben, aber auch Demokraten, die Religion und Glauben möglichst aus ihrer Politik fernhalten wollen: Wie Soziologe Jaques Berlinerblau analysierte, verwendeten US-Präsidenten seit jeher in ihren politischen Auftritten Querverweise auf religiöse Motive, Bibel und Gott. Damit ist es eine zentrale Anforderung für einen US-amerikanischen Präsidenten, öffentlich den besonderen Status der USA, ihrer Bürger und ihren göttlichen Auftrag in der Welt zu bezeugen.

So griff auch John F. Kennedy bei seinem Amtsantritt darauf zurück: "Lasst uns unser geliebtes Land führen, Gottes helfenden Segen erbitten, uns aber stets bewusst sein, dass hier auf Erden Gottes Auftrag der unsrige ist.“ Und spätestens seit George W. Bush in seiner Rede über den "Krieg gegen den Terror“ verlautbarte, dass ihm "Gott selbst befohlen hat, die Tyrannei zu beenden“, wurde das US-Erwählungsbewusstsein mitsamt heiliger Mission auch international wahrgenommen.

Obamas Gott-loses Thanksgiving

Der Religionssoziologe Robert Bellah nannte diesen pragmatischen Bezug auf Gott, der die US-Bürger abseits offizieller Konfessionen und Religionen vereinte, "Civil Religion“, eine politische Religion. Rhetorische Verbindungen zur göttlichen US-Berufung, zu biblischen Versen und Grundwerten wie Freiheit und Gleichheit wurden dabei zum Instrument für politischen Eindruck bei den Wählern und zum Kennzeichen der amerikanischen Identität. Damit ergab sich auch zunehmend das Profil, das von einem US-Präsidenten erwartet wird: Schließlich ist dieser eben mehr als bloßer Regierungschef.

Als Barack Obama in seiner Thanksgiving-Rede am 24. November 2011 den "göttlichen Schöpfer“ nicht explizit erwähnte, sorgte das für einen handfesten Skandal. Just an diesem Tag, an dem amerikanische Bürger Dank für ihr Land, Leben und Erfolg sagen, wandte sich Obama gegen das ungeschriebene Gesetz und verärgerte damit nicht nur seine politischen Gegner. Der Kolumnist Sherman Frederick fasste die getrübte Feiertagslaune in bissige Worte: "Man sollte den Präsidenten vielleicht erinnern, dass Amerikaner heute feierlich für ihr Wohl danken - aber nicht Obama, sondern Gott.“ Seitdem bittet Obama bei seinen Auftritten ganz artig wieder offiziell um Gottes Segen: "God bless America!“

Republikaner überbieten sich in Sachen Religion

Dass der US-Präsident Gott in seinen Auftritten und Reden zu berücksichtigen hat, steht in den USA gemeinhin außer Frage: Deshalb wird auch jener Politiker, der die Präsidentschaftswahl im November 2012 in den USA gewinnt, diesem Bild gerecht werden müssen. Und die mutmaßlichen Opponenten Obamas konzentrieren sich auch darauf: Rick Perry, Gouverneur von Texas und lange Zeit Mitstreiter um die republikanische Kandidatur, sprach im August 2011 in Houston nicht nur zu Tausenden gläubigen Amerikanern in einer 13-minütigen, mit Bibelversen und religiösen Motiven gespickten Rede, sondern auch zu Gott selbst. "Mit Zorn sehen wir heute unsere US-Regierung! Wir haben als Nation vergessen, wer uns geschaffen, geschützt und gesegnet hat. Darum bitten wir Gott um Vergebung!“ Dieser Auftritt, von Medien heftig kritisiert, wurde von US-Bürgern durchaus positiv aufgenommen. Perry-Anhängerin Liz Lara glaubte sogar, "dass Gott Rick Perry für eine Zeit wie diese auserkoren hat. Er möge unser neuer Präsident werden.“ Auch wenn sich ihr Wunsch 2012 nicht erfüllt hat, bewirkte Perrys Rede doch eine schier messianische Interpretation seiner Person.

Gott war dann auch der erste, dem der katholische Republikaner Rick Santorum, als er in drei Vorwahlen am 7. Februar gewonnen hatte, in seiner Siegesrede für dessen Beistand dankte. Schon nach seinem knappen Triumph in Iowa am 3. Jänner war Gott Santorums erster und primärer Bezug: "Ich habe diese Herausforderung nur mit der täglichen Gnade Gottes überstanden … Ich bringe Gott meinen Dank öffentlich dar!“ Tags darauf reiste Santorum nach McKinney, Texas, um mit 175 evangelikalen und katholischen Geistlichen seinen Glauben zu bezeugen und gegen Abtreibung zu wettern: "Wir ermorden Kinder! Und Gott wird uns, wenn wir so weitermachen, seinen Segen entziehen!“ Damit hob er seinen Gottesbezug, am Vorabend noch ein persönlicher Dank, auf die politische Ebene und bezog die Gesundheitspolitik der USA ähnlich wie Rick Perry zuvor auf den möglichen (Miss-) Erfolg des gesamten göttlichen Auftrags der USA.

Auch der bekennende Mormone Romney und der Katholik Gingrich richten sich wiederholt an die US-Bürger, um deren Erwählung unter allen Völkern, als "Stadt auf einem Berg“, wie es vor fast 400 Jahren formuliert wurde, herauszustreichen. Die "Nation unter Gott“, die seit einem Kongressbeschluss im Jahr 1956 auch mit einem Geldscheinaufdruck sichtbar auf Gott vertraut ("In God We Trust“), könne nur von jemandem geleitet werden, der den Gottesbezug auch öffentlich darstellt. Dazu Gingrich: "Die Religion ist von einer kulturellen Elite herausgefordert, die versucht ein säkulares Amerika zu schaffen, in dem Gott aus dem öffentlichen Leben gedrängt wird.“ Auch Sue Myrick, langjährige republikanische Kongressabgeordne-te, attackierte die Regierung und deren Politik unter Anrufung Gottes: "Ich hoffe, Sie alle beten mit mir gemeinsam, dass Gott diese Nation heilt!“

Trotz der Anstrengungen republikanischer Politiker, ihre Gottes-Rhetorik zu inszenieren, gilt für Experten wie Berlinerblau, dass "keiner die Frage über Gott und Religion mit so viel Intelligenz und Fingerspitzengefühl angeht wie Obama“. Würden andere Politiker in ihren "Gottes-Reden nur die Empfindungen ihrer Fokusgruppen und Pastoren nachplappern“, so stelle Obama den Bezug zu Gott und Religion auf viel subtilere Weise her. Er verwende in seinen Reden einen flexiblen, oftmals nur in biblisch-religiösen Phrasen und Begriffen bestehenden Stil, der "ihm einen meilenweiten Interpretationsraum“ verschaffe. So könnte Obama bei säkularen wie auch bei liberal Gläubigen punkten. Angesichts der Tatsache, dass sich die Gruppe derer, die keiner Religionsgemeinschaft angehören, seit 1990 auf 15 Prozent aller US-Bürger mehr als verdoppelt hat, könnte dies ein entscheidender Vorteil Obamas gegenüber den oftmals überdeutlichen Gottesanrufungen der Republikaner sein.

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