Auswärtssieg für Obama

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Der US-Präsident präsentiert sich bei seiner Russland-G8-Tournee, als wäre er UNO-Generalsekretär, verantwortlich für die ganze Welt. Sehr gut! Obama muss dabei nur aufpassen, dass er nicht das Heimspiel mit den Amerikanern verliert.

Zu viel Geschichte in ein paar Tagen – selbst für ein Land wie Amerika: Michael Jackson in einem goldenen Sarg in Los Angeles, goldene Worte von Barack Obama in Moskau. Auch wenn der US-Präsident kein Sänger ist, trifft er exakt den richtigen Ton. In Moskau wieder. Mit Präsident Dmitri Medwedew partnerschaftlich verbindlich. Mit Premier Wladimir Putin standpunktorientiert kontroversiell. Mit Oppositionsvertretern solidarisch ermutigend. Und mit Studenten global vorwärts, statt national retour. Mit Puschkin-Zitaten streichelt er zudem bei allen die empfindsame russische Seele. Obamas Erfolgspartitur: Er redet weniger wie ein US-Präsident, sondern mehr wie ein UN-Generalsekretär. So, als wäre er verantwortlich für die ganze Welt.

Ban Ki-moon, der eigentliche UNO-Chef, hat Obama auch sofort für die erfolgreichen Abrüstungsverhandlungen in Moskau gratuliert. Beneidenswert, wird Ki-moon sich denken, nicht nur gescheit genug zum Verhandeln, sondern auch mit genug Macht zur Durchsetzung ausgestattet.

Charmepolitik mit Puschkin-Zitaten

Wobei Obama nicht den Macht-, dafür umso mehr den Charmepolitiker darstellt. Wo er auch hinkommt, zunächst betont er seinen „enormen Respekt“ vor Personen, Kultur und Geschichte der Gastgeber – und verweist auf die Unvollkommenheit Amerikas. Die US-Republikaner lästern zu Hause bereits über Obamas internationale „Entschuldigungstour“, sprechen seinem für sie demütigenden „Kotau“ vor der Welt Sinn und Nutzen ab. Doch Obamas Strategie macht Sinn, nützt und ist zudem sehr amerikanisch, weil von riesigem Sendungsbewusstsein erfüllt: „Change“ – nicht nur in den USA, sondern überall.

In Prag hat im April Obama die Vision einer atomwaffenfreien Welt entworfen. In Kairo, Anfang Juni, reichte der US-Präsident demonstrativ der islamischen Welt die Hand und schwor jedem Gedanken an einen „Kampf der Kulturen“ ab. In Moskau lautete seine Botschaft: Zusammenarbeit der Großmächte gegen die wachsenden Gefahren in der Welt. „Es ist die Sichtweise des 20. Jahrhunderts, dass die USA und Russland Gegner sein müssen“, sagte der 21. Jahrhundert-Präsident. Um gegen die Atomwaffengefahr vorzugehen, die Weltwirtschaftskrise zu meistern oder der Klimaerwärmung zu begegnen, braucht es mehr Kooperation, kein Gerangel „um Einflusssphären“ und altes „Blockdenken“. Und in Moskau wiederholte er so wie in Kairo sein Plädoyer, dass Menschenrechte, Meinungs- und Redefreiheit „universell“ sind, dass Staaten, die das ignorieren, letztendlich in der modernen Welt scheitern werden.

Schade, dass der chinesische Präsident Hu Jintao seine Teilnahme am G8-Gipfel in Italien abgesagt und wegen der Unruhen in der Provinz Xinjiang nach Peking zurückgeflogen ist. Obama hätte Hu, nach dem Putin-Treffen an kommunikative Mauer-Vis-à-vis gewöhnt, gute Tipps für eine bessere Minderheitenpolitik mitgeben können.

Bei Personalfragen Rückfall in Bush-Zeiten

Aber auch im kleineren Kreis in L’Aquila wird Obama seine Erfolge bei Auswärtsspielen fortsetzen – und nicht nur im eigens ins Konferenzentrum geschafften Basketballkorb einige Treffer landen.

Obamas Zielgenauigkeit in den USA lässt hingegen zu wünschen übrig. In Personalentscheidungen zeigt er oft keine glückliche Hand. Bei seiner Auswahl für US-Botschafter im Ausland fällt er gar in die Bush-Zeit zurück, nominiert statt der Besten die im Wahlkampf Spendabelsten. Auch Obamas Gesundheitsreform kommt nicht auf den Weg – der Kongress bockt, trotz demokratischer Mehrheit. Und das horrende Haushaltsdefizit raubt laut Umfragen 58 von hundert Amerikanern den Schlaf, Obama eingeschlossen. „It’s not Russia, it’s the economy, stupid.“ Obamas Präsidentschaft steht und fällt mit der US-Wirtschaft. Wenn die nicht anspringt, werden mehr und mehr Amerikaner abspringen.

Michael Jacksons am meisten unterschätzter Song heißt übrigens „Stranger in Moscow“. Obama muss das Gegenteil fürchten – zu Hause ein Fremder zu werden.

* wolfgang.machreich@furche.at

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